Rüdiger Marmulla

Beautiful Lights


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Senf und etwas Rotweinessig anmischen.

      Die Wohnungstür wird geöffnet. Das muss Lisa sein. Ja. Sie ist es. Francis rennt ihr gleich entgegen und streckt ihr seine Arme entgegen.

      „Hallo Lars. Hier riecht es schon so gut. Was gibt es? Gibt es Schnitzel mit Grüner Sauce?“ Lisa stellt ihre Tasche an der Garderobe ab, hebt Francis nach oben und kommt zu mir in die Küche.

      „Genau. Du hast es erraten.“ Ich gebe Lisa einen Kuss.

      „Lars?“

      „Ja, Lisa?“

      „Ich habe heute nochmal über euer Paper nachgedacht. Ich habe verstanden, dass der Editor-in-Chief euch den Namen des Gutachters im Peer Review nicht nennen wird. Aber wie wäre es, wenn John ihn nicht nach einem Namen fragt – sondern stattdessen einen Namen nennt?“

      „Welchen Namen soll er denn da nennen, Lisa?“

      „McCarthy, New York.“

      „Wie bitte?“

      „Ja. McCarthy. Mir kam der Gedanke, dass McCarthy der Peer Reviewer sein könnte.“

      „Das wäre ja ein Skandal. Also, Lisa – ich weiß nicht so recht.“

      „Sprich doch mal mit John darüber. Am besten ruft gleich der Dekan, Professor Williams, beim Scientific American an.“

      „In Washington ist es jetzt 9.00 Uhr morgens. John hält gerade seine Vorlesung für das Erstsemester. Ich spreche ihm eine Nachricht auf die Mailbox. Ich kann ihn jetzt nicht stören.“ Ich greife nach meinem Handgelenk. Ich spreche die Nachricht, die mein Avatar John vorlesen wird, sobald er seinen Messenger nach der Vorlesung wieder einschaltet. Dann wende ich mich wieder der Mahlzeit zu: „Das Essen ist gleich fertig. Setzt euch schon einmal an den Tisch.“

      Lisa und Francis nehmen an dem großen Esstisch vor der Fensterfront mit Blick auf die Frankfurter Skyline Platz. Ich trage die drei Teller zum Tisch.

      „Lars?“

      „Ja?“

      „Du bist ein wundervoller Koch, ein wundervoller Mann und ein erstklassiger Liebhaber.“

      „Liebhaber“, wiederholt Francis, „ich habe Papi auch lieb.“

      „In dieser Reihenfolge, Lisa?“

      Lisa grinst über ihr ganzes Gesicht. „Ja. Und bevor du mich fragst: Ja, ich meine das in aufsteigender Reihenfolge.“

      Ich muss lachen. „Gut, dass du sagst, dass ich besser liebe als koche.“

      Und Lisa lacht nun auch.

      Wir essen weiter.

      Gewissheit

      Am Nachmittag meldet sich John: „Andrew hat mit dem Editor-in-Chief gesprochen. Er rief als Dekan und Mitautor des Papers beim Scientific American an. Er nannte den Namen. McCarthy. Ganz verdutzt bestätigte ihm der Editor-in-Chief unsere Vermutung.“

      „Und jetzt?“ Ich bin außer mir und suche nach Worten.

      „Wir können nichts machen. McCarthy hat parallel zu seiner Publikation bereits eine Presseerklärung herausgegeben. Die Welt sieht in ihm den Entdecker des quantenmechanischen Effekts.“ Johns Verärgerung schwingt deutlich in seiner Stimme mit.

      „Dann müssen wir es das nächste Mal auch so handhaben. Wir werden bahnbrechende Neuentdeckungen sofort auch mit einer Presseerklärung ankündigen.“ Ich beiße mir auf die Lippen.

      „Es ist fraglich, Lars, ob wir jemals wieder solch eine große Entdeckung machen werden. Aber sie haben Recht. Aus der Sache müssen wir lernen. Nur in dieser Angelegenheit können wir nichts mehr machen. Wir müssten zu viel Schmutz aufwirbeln, wenn wir nun McCarthys Plagiat aufdecken würden. Und weil McCarthy Obergutachter im National Board für die Verteilung staatlicher Forschungsmittel ist, dürfen wir es uns mit ihm nicht verderben.“

      „Das ist unlogisch.“

      „Das ist Hochschulpolitik, Lars.“

      „Ach.“ Mir sinken enttäuscht die Schultern herab. Das war heute keine gute Nachricht. Und Lisa hatte für alles ein Näschen.

      Das einfache Leben

      Liebe Lisa,

      nun ist das Schuljahr für dich schon weit vorangeschritten und Weihnachten steht bald vor der Tür. Deine Anspannung vor dem Abitur wächst von Tag zu Tag. Das Lernpensum ist immens. Du liest viel.

      Und ich bin glücklich, dass ich für uns den Haushalt und unseren Sohn versorge. Ich bin froh, dass ich alle Arbeit von dir fernhalten kann.

      Unser einfaches Leben besteht aus der Aneinanderreihung belangloser Banalitäten. Und doch entdecke ich gerade darin eine große Geborgenheit und Wärme. Ich bin sicher bei dir. Und du bist sicher bei mir.

      Lisa, du wirst eine gute Ärztin werden. Da bin ich mir gewiss. Wie dein Vater.

      Sag mir, wenn ich mehr für dich tun kann.

      Weihnachten mit Papa und Heidi

      Wir gehen zusammen mit Papa und Heidi über den Eisernen Steg zur Alten Nikolaikirche. Wieder liegt Schnee auf der Brücke. Die Lichter der Großstadt funkeln herrlich über uns.

      „Papa, das ist wie damals, als wir das erste Mal ohne Mama zur Christvesper gegangen sind.“

      „Ja, Lars. Ich erinnere mich gut. Damals war der Weihnachtsbaum auf dem Römerberg besonders prächtig.“

      „Ich denke noch oft an Mama.“

      Ich sehe, wie Papa nickt. Auch er hat Mama nicht vergessen. Jetzt sind es schon sieben Jahre, dass sie nicht mehr da ist. Wie doch die Zeit vergeht. Da geht mir auf, wie lange ich schon nicht mehr an ihrem Grab auf dem Südfriedhof war. Ich weiß, dass Papa das Grab von einem Gärtner pflegen lässt. Aber wie es jetzt aussieht? Ich habe keine Ahnung. Mir wird für einen kleinen Moment das Herz schwer.

      Francis läuft zwischen mir und Lisa und hält uns an den Händen. „Papa“, sagt er zu mir. Ich glaube, er merkt, dass ich traurig bin. Er drückt meine Hand ganz fest. Wir erreichen die Kirche. Pastor Albert predigt heute. Er spricht davon, wie Gott die leere Krippe mit seinem Sohn füllt. So füllt er auch unser leeres Leben mit ihm. Ja. Darauf vertraue ich fest.

      Danach gehen wir zu Papa und Heidi nachhause. Papa hat einen Weihnachtsbaum gekauft und mit Heidi wundervoll geschmückt. Francis steht vor dem Baum und freut sich über den prachtvollen Anblick.

      „Ich habe Gänsekeulen, Knödel, Maronen und Sauce eingekauft. Ich bekoche euch heute Abend.“ Papa bekommt tatsächlich wieder ein gutes Weihnachtsessen hin.

      Ich bin glücklich, dass ich Papa noch habe. „Es riecht schon ganz vielversprechend.“

      Ein längliches, rot verpacktes Geschenk liegt unter dem Weihnachtsbaum. Es fällt sehr ins Auge. Das müssen Papa und Heidi für Francis gekauft haben. Aber unser Kleiner muss noch warten. Erst wird das Essen serviert. Es schmeckt köstlich. Papa reicht einen leichten Rotwein zum Essen.

      „Ich hoffe, wir feiern noch viele Weihnachten zusammen“, Papa hebt das Glas. Wir stoßen gemeinsam an. Francis hat einen roten Traubensaft in seinem Glas. Bevor ich mir einen Nachschlag auftun lasse, erlaubt Heidi, dass Francis sein Geschenk öffnet.

      Francis öffnet das Geschenkpapier. „Was ist das?“

      Lisa beugt sich zu ihm herab. „Oh. Das sind Buntstifte. Zweihundert Stück. In allen Farben. Schau nur Francis, wie schön die Farben sind. Der ganze Regenbogen ist vertreten.“

      „Was macht man damit?“ Francis schaut fragend in die Runde.

      „Du kannst damit auf Papier malen.“

      Francis zieht die Augenbrauen nach oben. „Und wie speichert man das ab?“

      „Das