Robert Zirlewagen

Blutspur in die Vergangenheit


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nachlassender Hitze bestiegen sie wieder ihre Bikes und machten sich auf den Rückweg.

      Der Ort, durch den eine Dreißigerzone führte, war noch voller Touristenströme. Vor allem die erste Straße rechts, welche in einen verkehrsberuhigten Bereich direkt am See entlangführte und sich mit Verkaufsständen von Kuckucksuhren- und Souvenirs aus dem Schwarzwald geschmückt zeigte, quoll vor Menschen fast über. Diese Seitenstraße wäre mit dem Fahrrad selbst zu dieser Uhrzeit nicht unfallfrei befahrbar gewesen.

      Die Passage ließen sie aber schön brav rechts liegen und orientierten sich Richtung Ortskern.

      Dort gab es eine Pizzeria mit der Aufschrift Pferdestall, die mit einer erhöhten Terrasse punktete und somit den Blick auf das wuselnde Geschehen ermöglichte.

      Ja, und da konnten die Damen dann nicht widerstehen. Es reichte ein gemeinsames Kopfnicken, um die Fahrräder abzustellen und einen der zwei letzten kleinen Tische zu ergattern. Obwohl nur auf einen Drink verabredet, orderten beide die Speisekarte. Während sie die gemischten Salate bestellten, erklärten die Damen dem Kellner fast im Duett, wie wichtig es wäre, dass er ihnen dazu zwei Portionen Bruschetta serviere. „Wenn wir vielleicht noch eine Flasche Valpolicella bekommen könnten, wäre der Abend perfekt“, ergänzte Katrin die Bestellung und Samantha stimmte kopfnickend zu. Als beim ersten Anstoßen dann auch noch zwei Gitarristen in spanischem Outfit auftauchten und die Gipsy Kings zu covern versuchten, ging eher ein gefühlter Urlaubstag, als ein chaotischer Arbeitstag, zu Ende. Sie lachten viel, ließen dem Wein die Chance ihre Zungen zu lösen und rundeten das Dinner um 21 Uhr mit einem Grappa ab.

      Somit war die Fahruntüchtigkeit endgültig besiegelt. Ohne groß zu diskutieren zog Katrin ihr Handy aus der Tasche und rief ihren jüngeren Bruder an, welcher brav schon zehn Minuten später mit seinem VW Bus aufkreuzte.

      „Ich hoffe, dass mir durch diesen Dienst an der Polizeigewalt zukünftige Strafzettel erspart bleiben“, grinste Thomas und verstaute dabei schon die Fahrräder im Kofferraum.

      Er war schlaksig, dunkelblond und auf gutem Weg, ein kleiner Gigolo zu werden. Die Schönheit musste bei dieser Familie in den Genen fest verankert sein und mit der Beimischung von Charme hatten die Eltern sichtlich auch nicht gegeizt.

      „Könnt ihr zwei Hübschen mir auch noch erzählen, warum sich die Polizei heute Abend betrinkt? Gibt es etwas zu feiern oder schwenkt ihr gerade euren Liebeskummer runter“.

      Die Mädels waren beide auf die Beifahrerbank gerutscht und konnten dabei das Lachen nicht mehr in den Griff bekommen. Doch mit Thomas Frage kam plötzlich der Grund für diesen Ausflug schlagartig zurück. Sie hatten über alles Mögliche gesprochen, aber nicht Mal ansatzweise den aktuellen Fall gestreift. Zum Glück hatte Katrin eine unbändige Erzähllaune an den Tag gelegt, sodass Samantha ihre ungewöhnliche Vergangenheit noch ein wenig in der Schublade lassen konnte.

      Doch in diesem Moment herrschte Stille im Privattaxi und vor den Augen der Mädels zeigte sich gerade dasselbe grausame Bild.

      „Okay!!! Ich ziehe diese Frage zurück. Aber wo soll ich euch absetzen?“

      Die Antwort kam wieder im Duett: „Zu Hause natürlich!“ Sie ließen die gute Laune nun nicht mehr ganz versiegen und begannen mit der Planung des Triathlons.

      „Wenn ihr zwei da mitmacht, dann werde ich mich sofort als Masseur zur Verfügung stellen!“ Thomas grinste die Mädels an und schweifte dabei mit dem Blick über die weiblichen Konturen.

      „Du kannst dich mal als Masseur bewerben, mein lieber kleiner Bruder. Aber versuch doch erst einmal, an etwas weniger wertvollen Körpern zu üben, bevor du dich an die Königsklasse wagst!“ Katrin provozierte ihn mit ernstem Blick, worauf er nur ein herablassendes „Paah“ als Antwort zurückschmetterte.

      Als Thomas das Fahrrad bei Samantha aus dem Kofferraum lud, konnte er es nicht lassen, nachzuhaken: „Ich wäre natürlich auch ein guter Trainer, wenn du mich als Masseur nicht haben möchtest.“ Sie lächelte ihn an und gab ihm einen Schmatz auf die Wange.

      „Wenn du deine Schwester von dem Plan abbringst und ich nicht auf diesen Triathlon muss, dann können wir auch über den Job als Masseur reden. Vor allem wärst du dann in die Liga meiner liebsten Freunde aufgestiegen!“

      Er schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht: „Wenn Kathleen einen Plan hat, dann bringt man sie nicht mehr davon ab. Du könntest versuchen ihr im Dienst ins Bein zu schießen. Sicher bin ich mir allerdings nicht, ob sie deshalb nicht antreten würde.“

      Samantha schmiss sich, diesen Schlusssatz langsam verdauend, in ihr übergroßes Schlafshirt und stolperte dann direkt ins Bett. Während sie noch grübelte, weshalb ihr Bruder von Kathleen sprach, überprüfte sie den Wecker und hoffte somit eine erneute Bruchlandung verhindern zu können.

      6. Erste Fakten

      Am nächsten Morgen war sie, nach Einnahme von zwei Aspirintabletten, schon kurz nach sieben im Büro. Erstaunlicherweise lagen die Kopien der Ermittlungsergebnisse bereits auf ihrem Schreibtisch. Sie las alles gründlich durch und kam schnell zum gleichen Resumé wie Polizeirat Steinhauser, dass hier tatsächlich noch keine Stecknadel in Sicht war. Komisch fand sie die beiden eingeritzten Herzen auf den Backen. Diese wurden bisher bei keinem der anderen Morde erwähnt!

      „Möchtest du auch einen Kaffee?“ Katrin fragte nun schon zum dritten Mal und erreichte damit endlich auch wahrgenommen zu werden.

      „Guten Morgen! Entschuldige, aber diese Akten haben mich in den Bann gezogen. Äh, und ja bitte, ich hätte gerne einen starken Kaffee. Wenn möglich, etwas mehr schwarz als der See von gestern Abend.“ Katrin grinste und machte sich auf den Weg, während Sam noch einmal die Unterlagen durchpflügte.

      Als sie die Morde untereinander auflistete, fiel ihr eine winzige Gemeinsamkeit auf:

      Hamburg 02.06.20

      München 22.06.20

      Düsseldorf 02.07.20

      Leipzig 12.07.20

      Freiburg Mordversuch-zählt evtl nicht-

      Neustadt 02.08.20.

      Das Telefon riss sie aus der Recherche.

      „Morgen. Haben Sie die Akten schon durchgesehen?“ Steinhauser hatte es wohl nicht nötig, sich mit dem Namen zu melden.

      „Guten Morgen, Herr Steinhauser. Ich hoffe, dass auch Sie gut geschlafen haben?!? –Danke der Nachfrage,“ rutschte es ihrem verkaterten Ego raus. „Und ja, ich konnte schon etwas feststellen. Gehe aber davon aus, dass ihr eigentlich selbst schon darüber gestolpert sein dürftet.“

      „Sie meinen das Datum?“ Also hatte sie richtig vermutet. Auch Steinhauser waren die vielen Zweier aufgefallen.

      „Konnten Sie auch eine Parallele zu sich erkennen?“

      „Eine Parallele zu mir?“ fragte Samantha etwas irritiert.

      „Ja, verdammt noch mal. Warum legt er die fünfte Leiche in Ihren Bezirk.“

      Samantha ließ sich tatsächlich überrumpeln und machte eine Aussage, welche sie überhaupt nicht durchdacht hatte:

      „Ich habe am 02.02. Geburtstag. Vielleicht bin ich die Nächste!“ Es blieb kurz ruhig, wobei ihr dieser spontane Kommentar selbst Gänsehaut bescherte.

      Dann fuhr sie etwas überlegter fort: „Der Tote wurde am Zweiten gefunden. Deshalb passt auch der Mordversuch davor nicht ins Bild. Außer, er hätte zwei Personen an einem Tag umbringen wollen. Dann hätten wir wieder eine Zwei. Dass die Leiche jedoch bei uns gefunden wurde, hängt sicher nicht mit mir zusammen. Da können Sie ja genau so gut den Ortsvorsteher oder den Vorstand der Waldauer Musik oder was weiß ich wen sonst noch alles, als Verdächtigen befragen.“

      Es blieb erneut still, bevor Steinhauser nachlegte:

      „Liebe