Robert Zirlewagen

Blutspur in die Vergangenheit


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solltest du hier die Spuren sichern, während ich mit deiner Kollegin den Fehlbestand überprüfe.“

      Damit trat er der Beamtin allerdings heftig auf den Schlips.

      „Wäre es möglich, dass wir das weitere Vorgehen selbst gestalten? Ich kenne ja nicht deine kriminelle Vorgeschichte. Selbst dann wird deine Erfahrung, egal, wie dunkel sie auch sein mag, kaum ausreichen, um die Ermittlungen hier zu leiten.“

      Samantha nickte ihr zu: „Schon Okay“ und lief, den riesigen Bären hinter sich herziehend, zum Vordereingang hinein. Ortskundig ging sie direkt auf das Bistro zu.

      „Du wirst doch sicher schon den Schaden erfasst haben. Oder?“ Er nickte und streckte ihr dabei einen Zettel entgegen. Da kam ihr sein Gesicht plötzlich ziemlich nah.

      „Sorry. Aber ich wollte nur mal riechen, ob du heute das gleiche Parfüm wie gestern an dir hast.“ Ihre Augen bohrten sich jetzt etwas gefährlich in seine.

      Was für Schmalspursprüche, dachte sie und überlegte, ob er nicht wirklich mehr draufhatte?

      „Und? Ist es der gleiche Duft?“ Er wich einen Schritt zurück.

      „Nein! Es fehlt heute die Süße. Ich denke, das gestern war eher von Lacoste?“

      Jetzt war sie beeindruckt und hätte sich dabei fast noch an ihrem Kaugummi verschluckt. Bei der Dunkelheit konnte ihr Erröten zum Glück nicht auffallen. Sie richtete den Blick wieder starr auf den Zettel und versuchte danach belanglos zu klingen: „Wird hier öfter eingebrochen?“

      „Das ist das dritte Mal in diesem Jahr. Ich hoffe allerdings, dass die Einbrecher ihre Schlagzahl etwas erhöhen, davon ausgehend, dass du zukünftig für unsere Sicherheit verantwortlich bist?“

      Wie nah diese Aussage bei der Realität lag, konnten beide zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

      Er grinste sie wieder frech an und fuhr ihr dabei auch noch mit der Hand über die Wange. Eigentlich hätte sie ihn jetzt ernsthaft in die Schranke weisen sollen. Doch ihre innere Stimme signalisierte ihr, das Spiel noch ein bisschen laufen zu lassen. Er hatte sie mit seiner Art und der billigen Parfümnummer stärker irritiert, als sie es gerade wahrhaben wollte.

      „Um wie viel Uhr sind die letzten Gäste gegangen und wann wurde hier dicht gemacht?“

      „Claudio und ich haben um kurz nach fünf abgeschlossen.“

      „Ist euch dabei noch etwas aufgefallen? Stand vielleicht noch irgendwo ein Auto herum?“

      Er lachte und brachte dabei nur verzögert seine Antwort raus.

      „Am Auffälligsten ist dieser weiße tiefer gelegte Audi S3, welcher immer noch vorne an der Ecke steht.“

      ´Scheiße. Mein Auto steht ja noch hier´, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, die Provokation in der Aussage hatte sie natürlich herausgehört. „Woher weißt du, wem dieser Wagen gehört?“

      „Ich habe nicht behauptet……..,“ es wurde ihr zu blöd, weshalb sie ihm ins Wort fiel: „Hör mit diesem Spiel auf. Oder willst du ernsthaft……..,“

      Während sie den Satz im Raum stehen ließ, lehnte er sich mit ausgestrecktem Arm an die Wand, so dass sie nicht mehr an ihm vorbeikommen konnte. Lui drückte mächtig aufs Gas und versuchte sich tatsächlich ihrem Gesicht zu nähern. Er befeuchtete seine Lippen unmissverständlich mit seiner Zunge und kam ganz dicht ran.

      Ihr Knie zuckte plötzlich etwas ungeschickt und landete dadurch zwischen seinen Beinen. Es wirkte wie ein Stolpern, weshalb man ihr kaum eine Absicht unterstellen konnte. Er zuckte jedenfalls erschrocken zurück.

      „Sorry, keine Absicht. Bin einfach noch etwas wackelig auf den Beinen.“

      Da er sich eine halbe Minute nicht von dieser peinlichen Situation erholte, verbuchte sie diesen Punktesieg eindeutig für sich. Zielstrebig trat Sam vor die Türe, wo Katrin bereits mit einem Notizblock die Kennzeichen der Nachtparker aufnahm und meinte:

      „Der weiße Audi ist unser Hauptverdächtiger.“ Die Kollegin blickte von ihrem Block auf und nickte: „Das habe ich mir schon gedacht. Man hört in der Stadt, dass der Wagen einem Männerverschlingenden Ungeheuer gehören soll.“ Jetzt mussten beide grinsen, während der verdutzte Türsteher etwas kleinlaut hinter ihnen auftauchte.

      „Als Claudio und ich gingen, stand dort hinten noch ein roter VW. Ich habe keine Ahnung, ob es ein Golf, Tiguan oder Passat war. Jedenfalls gingen die Bremslichter in kurzen Rhythmen an und aus. Wir amüsierten uns noch darüber, hielten die Situation aber nicht für gefährlich.“

      „Du kannst uns wahrscheinlich sagen, welches Parfüm die Beifahrerin trug und welche Konfektionsgröße sie hatte, doch ging dir bei dieser gründlichen Recherche leider das Kennzeichen verloren! Oder?“

      Samantha nahm gerade richtig Fahrt auf. Statt eines blöden Gegenkommentars wirkte die deutsche Eiche jedoch gefällt.

      „Ich kann euch ja nicht mal den genauen Typ des Wagens nennen. Wie gesagt!?! Das Fahrzeug schien uns keine größere Gefahr darzustellen.“

      „Die Adresse und Handynummer von diesem Claudio kannst du uns aber sicher verraten? Was für eine Funktion hat er hier?“

      „Er leitet den Barbereich. Wir haben die Disko zusammen gepachtet. Er wohnt in der Scheuerlinstrasse. Auf der Seite ist seine Adresse. Äh, und Samantha? Zufällig sind die Daten auf der anderen Seite vielleicht für dich interessant.“

      Sie brauchte die Visiten-Karte, welche er ihr zusteckte, gar nicht erst zu wenden. Es konnte sich bei den mysteriösen Daten ja nur um seine eigenen handeln.

      Katrin fuhr kurz darauf, gefolgt von dem weißen Audi, ohne große Verabschiedung davon. Samantha brachte den Wagen nach Hause und lief dann wieder zurück ins Büro. Der herrliche Augusttag hatte die Luft in Neustadt angenehm erwärmt und es trieb schon die Frühaktiven unter den Touristen auf die Gehwege.

      Das eigentliche Geschehen in dieser Stadt spielte sich entlang der Hauptstraße ab, wo Geschäfte und Cafés die Gäste anzulocken versuchten.

      Natürlich unterlag Neustadt touristisch klar der kleineren Gemeinde Titisee, wo das tägliche Blitzlichtgewitter etwas nervte und wo auch schon mal von einer japanischen Enklave gesprochen wurde.

      Samantha schnappte sich in der kleinen Küche erneut einen Kaffee und lauschte kurz der angespannten Diskussion der Kollegen. Die drei anwesenden Herren interessierten sich ebenfalls brennend für das Handymörderthema.

      Zurück am Arbeitsplatz hatte Katrin bereits begonnen, den Einbruch in der Seebachklause im Computer zu erfassen.

      „Was hältst du von dieser vermeintlichen Einbruchserie?“ Samantha überlegte kurz: „Ich denke, dass hier ein paar kleinkriminelle Jugendliche versuchen, ihren privaten Alkoholkonsum zu decken. Es war nie Bares vorhanden und genauso wenig haben es die Täter auf die ganz harten Getränke abgesehen. Ich bin mir sicher, wenn wir auf dem Schulhof ein paar Mal präsent sind, bekommen bald ein paar Jungs weiche Knie.“

      „Sehe ich ähnlich. Vor allem machen es die Pächter diesen Einbrechern ziemlich leicht. Wie findest du eigentlich Lui?“ Bevor Samantha antworten konnte, blieb sie an einer merkwürdigen Mail hängen:

       Hallo Frau Kommissar. Hab ein Geschenk für dich. Schau morgen mal in Waldau vorbei.

       Gruß Jededinästaldude

      „Katrin?“

      „Ja?“

      „In deinem Alter befasst man sich doch noch mit Abkürzungen wie: >hdgdl< >hab dich ganz doll lieb< und so weiter! Oder?“

      „Danke, dass du mich so jung machst. Aber mit solchen Milchbubis habe ich schon lange nichts mehr am Hut. Meine Männerliga dürfte eher aus deinem Jahrgang kommen.“ Sie lächelte kurz rüber und fügte dann hinzu: „Also knapp vor der Rente.“ Der anfliegende Kugelschreiber verfehlte sie nur um Zentimeter.