Stefan Högn

NESTOR


Скачать книгу

Kann die was Besonderes?«

      »Drecksding!«, wunderte sich Nestor Nigglepot, dann stammelte er: »Eigentlich schon … aber, weil ich ihn vor fast fünf Minuten schon einmal gedrückt habe, klappt das jetzt nicht. Erst wenn die einen fünf Minuten vorbei sind, kann ich den Knopf für die nächsten fünf Minuten drücken. Verstanden?«

      »Nein. Aber vielleicht erklärst du mir jetzt mal, was das da für eine Maschine ist. So etwas habe ich noch nie gesehen.«

      Draußen donnerte es heftig, denn der Regen hatte sich mittlerweile in einen wahren Wolkenbruch verwandelt.

      »Das kann ich leider nicht, denn in weniger als zwanzig Sekunden sind die fünf Minuten um!«

      Nestor ging zügig auf die Maschine zu.

      »Hast du einen Fünf-Minuten-Tick?« Das Mädchen wunderte sich zu Recht, denn dieser Mann benahm sich äußerst merkwürdig.

      »Wie bitte? Ähm, nein, ich denke nicht … nur manchmal … vielleicht, jetzt zum Beispiel.«

      Es donnerte erneut.

      Nestor Nigglepot ging auf die merkwürdige Maschine zu, betätigte ein paar Knöpfe, es piepte hier und da, dann gingen einige Lichter an, und in einer Art Bilderrahmen erschien plötzlich ein Bild, das vorher gar nicht da war. Dann tauchte in dem Bild ein älterer Herr auf und fragte: »Sie wünschen, Sir?«

      »Rául, stell den Zeitvektor auf sechzig Sekunden, ich muss sofort zurück, hier ist im Moment alles ziemlich stressig«, sprach Nestor Nigglepot in eine Art Salzstreuer, der an dem Bilderrahmen fest gemacht war.

      Die Maschine zischte, weißer Dampf trat seitlich aus dem Gehäuse, und eine Türe öffnete sich mit einem schön hallenden Wuuusch. Nestor drehte sich zu dem Mädchen um.

      »Mach’s gut, Kleine! Wir sehen uns nämlich nie wieder!«

      Er ging in die Maschine hinein, winkte noch mal kurz, dann schloss sich die Tür, wieder mit dem hallenden Wuuusch. Das Mädchen stand mit offenem Mund da, schaute sich das alles mit großen Augen an und wusste nicht, wie ihr geschah. Sie hatte viele sonderbare Briten in Hongkong kennengelernt, aber dieser Mensch war mit Abstand der Seltsamste.

      Ein unglaublich heftiger Knall erschütterte das Gebäude. Ein Blitz war genau in die Lagerhalle eingeschlagen. Nach ungefähr dreißig Sekunden hörte das Mädchen aus dem Inneren der Maschine wüstes Gefluche und danach ein jämmerliches Gequietsche, als wenn schlecht geölte Zahnräder widerwillig ineinandergreifen. Die Tür der Maschine öffnete sich langsam wieder und als der Spalt breit genug war, kam Nestor Nigglepot wieder heraus und sagte zu dem Mädchen: »Ach, du bist immer noch da?«

      »Du doch auch!« Dem Mädchen huschte ein freches Grinsen über das Gesicht. »Kann ich vielleicht helfen?«

      »Möglicherweise. Wie heißt du denn, mein Kind?«, fragte Nestor überfreundlich.

      »Lilly Foo«, antwortete das Mädchen.

      »Gut Lilly, kennst du dich mit theoretischer Physik und Astronomie aus?«

      »Erst möchte ich mal wissen, wie du heißt!«, entgegnete Lilly Foo.

      »Oh, wie unaufmerksam von mir … ich heiße Nestor Nigglepot.«, säuselte er und fuhr zackig fort: »Und verstehst du jetzt was von theoretischer Physik und Astronomie?«

      »Nöö!«, sagte die Chinesin.

      »Na, toll!«, war Nestors barsche Antwort.

      »Aber ich habe ein Gehirn zwischen meinen Ohren und zwei gesunde Hände«, entgegnete Lilly.

      »Wie willst du mir, denn damit helfen?«, war die amüsierte Antwort.

      »Weißt du, wenn draußen nicht so ein Unwetter wäre, würde ich lieber wieder gehen. Du bist ein unfreundlicher Mann, Nestor Nigglepot!«

      »Machst du diese Erfahrung erst jetzt, Mädchen?«, sagte Grafula, der plötzlich und völlig unbemerkt die Lagerhalle betreten hatte. »Du hast verloren, Nigglepot!«

      Nestor Nigglepot machte einen Schritt in Lilly Foos Richtung und rief: »Schnell … komm zu mir!«

      Das Mädchen erschrak, denn sie hatte erst recht nicht mit dem Auftreten des Halbvampirs gerechnet. Zudem wirkte sein gruseliges Äußeres auch nicht gerade vertrauenerweckend. Sie spurtete Nestor Nigglepot entgegen, der sie in den Arm nahm und gleichzeitig den blauen Knopf des Desorientators drückte, der offensichtlich wieder funktionierte.

      Pluff!

      Schon wieder herrschten 4 Minuten und 59 Sekunden völlige Leere in Grafulas Kopf, der sehr unsicher »Wo bin ich?« herausbrachte.

      »Sie haben sich in der Tür geirrt, mein Lieber«, sagte Nestor, der sich wieder von Lilly gelöst hatte, den Untoten freundlich zur Tür begleitete, ihn nach draußen führte und dann zügig wieder zurückkam.

      »Wer war denn das? Und was ist mit ihm plötzlich los gewesen?«, wollte Lilly wissen.

      »Das ist ein … Bekannter von mir und ich habe mit meiner protzigen Uhr sein Gehirn für fünf Minuten gelöscht. Er erinnert sich an nichts mehr, weiß nicht, wer oder wo er ist. Sehr praktisch, wenn man Störenfriede loswerden möchte«, antwortete Nigglepot.

      »Und wieso wurde mein Gehirn nicht gelöscht?«

      »Ich habe dich umarmt, also hat dich mein Desorientator davor geschützt.«

      »Gut, aber wieso hast du das gemacht? Du hättest mein Gehirn doch gleich mit löschen können. Oder hab’ ich dich etwa nicht gestört?«, wollte Lilly wissen. »Schon … aber, vielleicht kannst du mir ja doch helfen. Ich hab' nämlich auch nicht allzu viel Ahnung von theoretischer Physik oder Astronomie«, antwortete Nestor leicht verlegen.

      »Und wie kann ich dir helfen?«

      »Wir müssen diese Maschine wieder ans Laufen kriegen, ganz egal wie!« Nigglepot schaute auf den Desorientator. Es blieben noch etwas mehr, als vier Minuten Zeit. Er ging zu der Maschine, drückte hilflos auf allen möglichen Knöpfen herum, rappelte hier und horchte da, aber es tat sich nichts.

      »Versuchs doch mal mit einem Tritt. Wenn der Generator im Heim nicht funktioniert, dann latscht der Hausmeister mit Karacho dagegen und – Zack! – läuft das Teil wieder«, schlug das Mädchen vor.

      »Bitte, Lilly! Diese Maschine ist vermutlich, die am höchsten entwickelte Maschine, die du jemals gesehen hast und vermutlich auch in Zukunft sehen wirst. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn man mit Wucht dagegen latscht?«

      »Nein, aber du wirst es mir vermutlich sagen«, gab die Chinesin zurück.

      »Sie könnte kaputtgehen!« Nestor war in der Tat verzweifelt, wollte aber, dass das Mädchen nichts merkte.

      »Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, Nestor Nigglepot, aber diese Maschine ist bereits kaputt. Also, wo soll ich gegen treten?«

      »Nirgendwo!«

      »Ich kann aber sehr gut treten. Ich kann Kung-Fu!«

      »Sehr schön! Hast du noch irgendwelche anderen Ideen? Ich bin nämlich in Eile!« Nestor fing wieder an zu schwitzen und diesmal war es ganz eindeutig Angst.

      »Hast du denn keine Ideen? Ich weiß doch noch nicht mal, wofür dieses Riesending gut sein soll.«

      Lilly betrachtet die Maschine jetzt genauer. Sie war bestimmt doppelt so hoch wie sie selber und sogar noch breiter, fast so groß wie ein Lastwagen. Ihr Äußeres war komplett aus schimmerndem, bläulichen Metall und nirgendwo war eine scharfe Ecke oder Kante zu sehen. Drei ringartige Gebilde schlangen sich sternförmig um das kugelige Zentrum.

      Oben in der Mitte, wo sich die mannshohe Tür befand, hatte die Maschine eine halbrunde Kuppel mit einem winzigen Fenster. Der Türöffner war vermutlich, die handförmige Vertiefung in der Türmitte. Rechts neben der Tür befand sich eine Art Pult, an der Nestor Nigglepot noch vor wenigen Minuten die vielen Knöpfe gedrückt hatte und ein Stück oberhalb dieses Pults befand sich dieser Salzstreuer