Isabella Kniest

Love's Direction


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Die Feier fand in einem Fünf-Sterne-Restaurant auf einem von Klagenfurt eben einmal dreißig Kilometer entfernt gelegenen Berg statt.

      Die Aussicht soll wunderschön sein, hatten Nachbarn Tracey einmal erzählt. Obwohl er gerne die eine oder andere Wanderung machte, war er noch nie dort gewesen. Zu schwer wog die Furcht, die Unglücksstelle zu passieren.

      Hatte man ein Kreuz aufgestellt? Oder erinnerte etwa gar nichts mehr an diesen schicksalhaften Tag?

      Zu Beginn hatten seine Eltern das Fest erst gar nicht besuchen wollen. Sie wünschten lediglich, ihren Urlaub zu genießen – und seine Mutter die Zeit mit ihrem Kind. Ein Weihnachtsfest zu dritt. Ihr erstes Weihnachtsfest zu dritt. Als die beiden hörten, dass ein gigantisches Feuerwerk angekündigt worden war – welches letzten Endes nicht durchgeführt werden würde – beschlossen sie, der Weihnachtsfeier ein paar Stunden beizuwohnen.

      Feuerwerke hatten sie sich seit jeher gerne angesehen: die bunten Farben, die Knallerei, die hübschen Formen. Besonders seine Mutter verzückte die wie Sterne glitzernden Funken in einer tiefschwarzen Nacht.

      Weder die eisige Winterkälte noch einsetzender Schneefall waren schuld daran gewesen, weshalb dieses pyrotechnische Kunstwerk letztendlich abgesagt werden musste, sondern seine Eltern selbst, welche während der Fahrt die Bergstraße hinauf in einer steilen und überaus eisigen Linkskurve ins Schleudern gerieten und als Folge dessen, über die zweihundert Meter tiefe Böschung hinabstürzten.

      Jede Hilfe kam selbstredend zu spät. Der Aufprall hatte sie sofort getötet.

      Tracey fuhr sich mit dem Handrücken über seine juckende Nase.

      Wenigstens mussten sie nicht leiden oder als sabbernde Krüppel ihr Dasein fristen …

      Zu der schicksalhaften Zeit war Tracey bei seinen Großeltern untergebracht gewesen, welche ihn nach dieser Tragödie großzogen. Als er älter wurde, hatten sie ihm andauernd erzählt, wie unruhig er sich in der Unglücksnacht verhalten hatte. Üblicherweise hatte er stets friedlich geschlafen. Damals sollte er durchgehend geweint haben.

      Weitere Tränen suchten kitzelnd ihren Weg über sein Gesicht. Er wischte sie weg, räusperte sich und rupfte ein schief gewachsenes Unkraut seitlich der Umrandung heraus.

      Er liebte seine Großeltern. Sie waren wundervolle Menschen gewesen, hatten sich aufopfernd und vorbildlich um ihn gekümmert. Sie hatten all die Dinge mit ihm gemacht, die Eltern mit ihren Kindern normalerweise machten: Sie hatten mit ihm gespielt, ihm bei seinen Hausaufgaben geholfen, ihn getröstet und aufgemuntert.

      Seine Großeltern waren sein Halt, sein Universum, seine Sonne, sein Leben.

      Damals hatte niemand von dem sich langsam aber stetig über ihr Dreiergespann legenden Schatten geahnt, welcher Traceys Leben sehr bald in eine komplett andere Bahn werfen sollte.

      Es war ein wunderschöner, strahlend sonniger Tag im Mai gewesen. Vögel hatten gezwitschert, Bäume kitschig geblüht, sanfte Düfte waren durch die Luft gewabert, Menschen hatten gelacht, getratscht und über den langen Winter gejammert – und Tracey hatte eben sein fünfzehntes Lebensjahr erreicht. Da starb sein Großvater an einer Thrombose. Kurz darauf verlor er seine Großmutter, die den Tod des geliebten Ehemannes nicht ertrug und einen Hinterwandinfarkt erlitt.

      Diese Erfahrung zerstörte sein Lebensgebilde, nahm ihm seinen Glauben und seinen Lebensmut.

      Durch seine Minderjährigkeit wurde er in ein betreutes Wohnen gesteckt – das im Großen und Ganzen nicht übel gewesen war. Bloß die großelterliche Liebe, diese konnte ihm niemand vermitteln. Weder die Betreuer noch seine Mitbewohner. Darum klammerte er sich an die Hoffnung, eine Frau zu finden – seine Seelenverwandte. Wenn er sie hätte, wäre alles andere unwichtig, denn dann wäre er nicht mehr einsam, dann wäre da jemand an seiner Seite.

      Mehr wünschte er sich nicht.

      Aber er traf sie nicht – einzig Weiber, die ihn ausnützten, betrogen und abartig über ihn herzogen. Und nun war er längst jenseits der Dreißig und kämpfte nach wie vor gegen diese verfluchte immerwährende Einsamkeit!

      Ich liebe euch. Mit diesem Gedanken verließ er die Ruhestätte und begab sich zurück zu seinem verhassten Ford.

      In seiner Wohnung absolvierte er sein alltägliches Fitnessprogramm. Womöglich nahm es ihm nicht seine negativen Gedanken, dafür fühlte er sich körperlich ein wenig leichter, freier – schwerelos.

      Schweißnass stellte er sich unter eine kalte Dusche. Normalerweise verabscheute er dies, da ihm kaltes Wasser schier Schmerzen bereitete. Lediglich kurz nach dem Training hielt er es aus – oder im Hochsommer, wenn seine kleine Dachgeschosswohnung größere Ähnlichkeit mit einem eingeschalteten Backofen annahm, anstatt mit einem menschlichen Obdach.

      Alsbald sein Körper abgekühlt war, drehe er das Wasser heiß. Der Schüttelfrost verschwand, die Spannungen lösten sich auf – und sein Geist begann zu fliegen, machte sich auf in unerforschte wie altbekannte Höhen, in die schmerzlich vermisste Geborgenheit bringenden Gefilde.

      Die Erinnerungen an seine Großeltern hatten dort ihren Platz, ebenso die der rothaarigen Frau.

      Normalerweise versuchte er, seine Gedankenspiele über Letztgenannte so nüchtern wie möglich zu halten. Heute fühlte sich seine Sehnsucht jedoch dermaßen schlimm an, wie in den ganzen einsamen und katastrophalen Jahren zusammengerechnet. Er konnte und wollte sich nicht zurückhalten. Nicht mehr. Wie sehr wünschte er sich, diese Frau nochmals wiederzusehen und über alles zu sprechen.

      Wenn er ihr seine ganze Geschichte erzählte, würde sie es verstehen? Könnten sie dann womöglich doch Freunde werden?

      …

      Nein, Freunde nicht. Viel mehr wollte er. So verdammt viel mehr. Aber nicht aufgrund ihres hübschen Äußeren. Es lag an ihrer anziehenden Ausstrahlung.

      Er begehrte sie – mit einer jeden Faser. Manchmal wollte er am liebsten nach ihr schreien. Sein gesamter Körper schien sich ihr entgegenstrecken, sie ausfüllen, sie spüren, sie lieben zu wollen.

      Ihre wunderschönen Augen.

      Wie gern er sie ansehen mochte, wenn sie völlige Erregung zeigten – und diese Erregung durch ihn entstünde.

      Äußerst zögerlich legte er die Finger um seine Männlichkeit und stützte den rechten Unterarm an der verfliesten kalten Wand ab.

      Und er sah sie – diese wunderschöne, rothaarige Frau. Ein bodenlanges Seidenkleid … ein bis zu ihren Hüften reichender Schlitz, durch welchen ihr nackter Schenkel hervorblitzte … keine Unterwäsche … ein unsteter Blick ihrerseits … glänzendes, über ihren Rücken fallendes, offenes Haar …

      Seine über ihre Haut gleitenden Hände … in die elegante Öffnung des Kleids, weiter zwischen ihre Beine wandernd … zarte Seufzer der Lust aus ihrer Kehle … schmerzhaftes Verlangen seinerseits …

      Unsicherheit und Verlorenheit in ihrem perfekten Angesicht, wenn sie sich vor ihm entkleiden würde … zierliche, langsam über ihre fragilen Arme gleitende Träger … schimmernder Stoff, welcher fließend über ihren weichen Körper zu Boden fiel … ihre festen Brüste und deren empfindliche Erhöhungen hart nach oben gereckt, nach seinen fähigen Fingern gierend, beschienen alleine vom gedeckten Licht der hereinscheinenden Wohnzimmerbeleuchtung … ein Schattenspiel der Begierde, ein Kunstwerk vollendet durch ihren betörenden Leib.

      Wie schnell würde sie feucht werden, wenn er ihre Oberschenkel und ihren Hintern knetete?

      Behutsam rieb er über seine wachsende Erregung.

      Er fühlte beinahe, wie er sich in sie stieß, hörte nahezu ihr erregendes Wimmern und Stöhnen …

      Zärtlich würde er seine Finger in ihren Haaren vergraben, ihre süßen Lippen küssen, bis sie beide keine Luft mehr bekamen. Wieder und wieder würde er zärtlichst zustoßen. Wieder und wieder. Und sie würde zuerst kommen, dafür