Günther Dümler

Mords-Schuss


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was nach einigen vergeblichen Anläufen auch gelang.

      „Ich schlag vor, wir machen etz erschd amal Schluss.“

      Buhrufe und Pfiffe waren die Folge. Doch der Wirt ließ sich nicht beirren.

      „Ihr gehd hamm und ruhd euch a bissler aus, hulld eiere Madla ab, während ich für heid ohmd a würdiche Meisderschafdsfeier vorbereid. Ich hobb scho wohlweißlich an Alleinunderhalder bsorchd, der kummd heid ohmd und dann könnd er danzn und feiern, su lang wie er wolld! Abber etzerdla brauchi den Raum, damit mer alles herrichdn könner!“

      Es dauerte, bis sich die Vernunft durchsetzte, denn nie ist ein Sieg so schön, wie in den ersten Stunden und es gibt keine Garantie, dass später die Stimmung wieder so prächtig wird. Das weiß man als Sportler. Aber es half nichts. Man sah ein, dass der Wirt seine Vorbereitungszeit brauchte.

      Walter suchte den Raum nach seiner Sporttasche ab, die anscheinend mittlerweile ein Witzbold anderweitig versteckt hatte. Sein Blick glitt noch immer suchend umher, als er seine jüngere Schwester aufs Heftigste beäugt von den lüsternen Blicken seiner Vereinskameraden auf dem Tisch sitzen sah. Er hatte zwar schon erheblich getrunken, doch der Beschützerinstinkt für die inzwischen gar nicht mehr so kleine Margit war jederzeit latent vorhanden. Er ging leicht schwankend auf die Gruppe zu und baute sich vor den Kameraden zu voller Größe auf.

      „Dass mer dou fei nix vuurkummd! Des is mei glanne Schwesder, dee is für eich Saubärn dabuh. Iss des glar?“ und als nicht alle sofort auf ihn hören wollten, fügte er mit bedrohlich erhobener Stimme hinzu „Ob des glar is, hobbi gfraachd!“

      Allgemeines Nicken. Und zu Margit gewandt fügte er hinzu:

      „Ich hol etz den Ralf her, der soll dich hamm bringer, wall ich hobb ka Zeid, ich muss midn Loni nu schnell wo hiefahrn. Mir müssn schließli unsere bessern Hälfdn auf die Masderfeier heid abnd vorbereidn.“

      Er schwankte schon erheblich, hatte sich aber doch so weit unter Kontrolle, dass er den Freund seiner Schwester ausfindig machen, von seiner Märchenstunde losreißen und auf seine Aufgabe einschwören konnte.

      „Horch amal zou Ralfi, du gäihsd etz auf der Schdell mit der Margit hamm. Dee hodd scho mehrer als wäi genuch. Du häddsd besser aufbassn solln, du Doldi, anschdadd die großn Schbrüch zu reißn. Wemmer a Freindi hodd, na hodd mer aa aweng a Verandwordung, verstäihsd mi?“

      Er blickte so ernst drein, wie es seine ausgelassene Stimmung und der Alkoholpegel gerade noch zuließen und gab dem Jüngeren unmissverständlich zu verstehen, was jetzt von ihm erwartet wurde.

      „Konni mi auf dich verlassn, Ralf? Hey, horchsd du mir übberhabbds zou? Du kümmersd di soford um mei Schwesderla, is des glar?“

      „Nadürli Walder, gor ka Fraaach nedd. Ich brings glei hamm, verschbrochn.“

      „Des willi a hoffn, sunsd kräigsd ers mit mir zum dou!“ war Walters Antwort, bevor er schwankenden Schrittes zusammen mit Loni das Lokal verließ.

      „So, ich geh jetz dann, die Hedi is wahrscheinlich wie immer pünktlich, besonders wo der Loni scheinbar jetzt doch nicht mitkommt, auf den sie sonst immer wartn muss, weil der hint und vorn nicht fertig wird. Da muss ich mich schon a bissla beeilen.“

      Und beiläufig fügte Sandra hinzu:

      „Die oberen Fenster kannst ruhig gekippt lassn, wenn du nachher noch fortgehst, wo jetzt endlich wieder einmal die Sonne scheint!“

      „Is rechd Schatz, ich geh wahrscheinlich höchstens a bissla naus in Gardn und richd widder alles aweng auf, was der bläide Dauerregn umgschmissn hodd. Vielleichd fahri aa nochher a bissler Fahrrad, schießli hodd mer ….“

      Den Rest hörte Sandra Grillenberger schon nicht mehr. Sie hatte bereits die Haustür hinter sich zugeschlagen und war zu ihrem Treffen mit der Hedwig Wolf in den Goldenen Adler, dem einzigen und besten Wirtshaus am Platz, aufgebrochen.

      Walter dachte gar nicht daran, in den Garten zu gehen. Er hatte etwas völlig Andres vor, etwas, von dem seine Frau nichts wissen musste. Fahrrad fahren würde er, das war nicht gelogen, aber bestimmt nicht weil er nach der langen Regenzeit endlich wieder die warme und freundlich scheinende Sonne genießen wollte. Gott sei Dank hatte Sandra nicht darauf bestanden, dass er zu ihrem monatlichen Treffen mit den Wolfs mitging. Der Loni war schließlich auch nicht dabei, was sollte er dann mit den beiden Frauen. So konnten sie doch auch über Themen reden, in die sie ihre Männer sowieso nicht einweihen würden. Das hatte die Sandra dann auch irgendwann geschluckt. Es ging alles viel leichter, als er es sich vorgestellt hatte.

      Er schob sein Tourenfahrrad aus dem Schuppen, öffnete die Gartentür und schwang sich in den Sattel. Jetzt, wo er darüber nachdachte, befielen ihn ernsthafte Zweifel, ob es richtig war, sich auf ein heimliches Treffen einzulassen. Nur aufgrund eines anonymen Anrufes, bei dem der Mann am anderen Ende seinen Namen verschwiegen und mit verstellter Stimme gesprochen hatte. Wie durch einen blechernen Trichter hatte sie geklungen. Aber der unbekannte Anrufer wusste alles, wirklich alles, bis ins kleinste Detail. Er musste unbedingt herausfinden, was da vor sich ging. Er konnte es sich nicht leisten, dass nach so vielen Jahren des Schweigens die ganze Geschichte doch noch ans Tageslicht kam. Er war schließlich Beamter und eine Indiskretion in dieser Sache konnte ihn nicht nur seine Pension sondern auch die Zukunft seiner Familie kosten.

      Bis zum vereinbarten Treffpunkt war es nicht weit, höchstens vier bis fünf Kilometer hatte er von seinem Einfamilienhaus am Ortsrand von Röthenbach aus zu fahren. Es gab kaum Steigungen, so dass er flott vorankam. Kräftig trat er in die Pedale. Er hatte keinen Blick für die reizvolle Landschaft. Ständig gingen ihm die damaligen Ereignisse immer wieder durch den Kopf. Es war wahrscheinlich der schönste Tag in seinem jungen Leben gewesen, nicht einmal die Hochzeit, ein Jahr später mit seiner Sandra, konnte da mithalten. Nicht, dass er seine Sandra nicht aufrichtig lieben würde, aber es verblasste einfach alles gegen dieses tolle Erlebnis, den Aufstieg in allerletzter Minute geschafft zu haben. Und er war maßgeblich daran beteiligt. Nie würde er dieses unbeschreibliche Glücksgefühl vergessen, wie er dem gegnerischen Spieler den Ball abgeluchst und diesen schier unglaublichen Traumpass nach vorne gespielt hatte, von dem noch ganze Fußballgenerationen der Röthenbacher Eintracht erzählen würden, genau in den Lauf von seinem Freund Loni, der kurz und bündig zum 2:1-Siegtor abschloss. Es war ein Tor, wie es einfach nur der Loni erzielen konnte, trocken und humorlos zugeschlagen, ohne eine Spur von Nervenflattern. Aber so war der Loni halt, auch außerhalb des Fußballplatzes. Wenn sich ihm eine Chance bot, dann schlug er eiskalt zu.

      Sie hatten den Sieg gleich nach dem Spiel ausgiebig begossen, solange bis der Wirt sie alle nach Hause geschickt hatte, um seinerseits eine große Aufstiegsfeier vorzubereiten. Am Abend sollten sie alle wiederkommen, mit ihren Frauen und Freundinnen, ausgelassen wollten sie tanzen und so richtig die Sau rauslassen. Das wohlverdiente Freibier würde in Strömen fließen.

      Doch dann kam alles anders. Hätte er nur die Margit, seine jüngere Schwester gleich mit nach Hause genommen, dann wäre das alles nicht passiert. Aber er hatte sich auf Ralf, deren Freund und Mitspieler in der Meistermannschaft verlassen und der elende Mistkerl hatte versagt.

      Sie waren mit Lonis altem Diesel unterwegs, er und der Wolfn Loni. Ihre Sportsachen wollten sie heimbringen, sich ein bisschen hinlegen und dann seine damalige Freundin Sandra und Lonis junge Ehefrau Hedwig abholen und es anschließend im Vereinsheim so richtig krachen lassen. Stattdessen krachte es auf der Heimfahrt. Nur noch einen einzigen winzigen Kilometer, dann wären sie auf dem Wolfhof und in Sicherheit gewesen. Sie hatten in dem alten Mercedes aus vollem Hals gesungen und gelacht. „Mendocino! Mendocino. Ich fahre jeden Tag nach Mendocino!“ Und sie hätten es sicher auch trotz des bereits reichlich geflossenen Alkohols geschafft, wenn nicht der Loni urplötzlich davon angefangen hätte, dass die Margit heute ganz sicher auch auf ihre Kosten kommen würde. Erst hatte er den Loni nicht verstanden, denn die war bei Ralf doch gut aufgehoben und dass die beiden heute noch, wie Loni es nannte, auf ihre Kosten kommen würden, daran hatte er nichts auszusetzen gehabt. Doch dann geriet die Sache völlig außer Kontrolle.

      „Wieso