Günther Dümler

Mords-Schuss


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richdich lousgleechd, dee hosd bis aufn Bargbladds naus nu schäggern hörn.“

      Und dann passierte es im Bruchteil von Sekunden. Walter wollte, dass der Loni auf der Stelle umkehrt, um die Margit zu holen. Der aber lachte nur wie verrückt und fuhr einfach weiter.

      „Etz lass hald deiner glann Schwester aa amal a Freid, dee hodds voll drauf, äih, so wäi dee ausschaud schbilld dee scho lang nimmer blouß mit ihrer Barbiebubbm.“

      Vielleicht wäre es auch dann noch gut gegangen, hätte er, Walter, daraufhin nicht ins Lenkrad gegriffen um den Freund zum Umkehren zu zwingen. Sie hatten so sehr miteinander zu tun und der erhöhte Alkoholpegel tat sein Übriges, so dass sie den Aufprall erst bemerkten, als das kleine Mädchen bereits vom Kotflügel erfasst und weggeschleudert worden war. Für die sechsjährige Sabrina Wimmer kam jede Hilfe zu spät.

      So war das damals gewesen. Sie hatten nicht einmal angehalten. Der Loni hatte den Wagen zunächst daheim in der Scheune versteckt und ihn erst zwei Tage später, im Schutz der Dunkelheit zu einem befreundeten Mechaniker in einen über fünfzig Kilometer weit entfernten Ort gebracht. Den hilfreichen Freund kannte er noch aus seiner Bundeswehrzeit. Damals hatten die zwei das ein oder andere Mal gewaltig über die Stränge geschlagen und da beide über eine außerordentliche Portion Bauernschläue verfügten und schon immer den Mund halten konnten, waren sie trotzdem immer wieder ungeschoren davon gekommen. Natürlich hatte er auch ihm nichts von den tödlichen Unfallfolgen erzählt. Das wäre dem alten Kameraden vielleicht dann doch zu heikel gewesen. Angeblich hatte der Loni die Delle schon auf dem Parkplatz des Vereinsheims beim Ausparken in den Wagen gefahren. Eine nichtsnutzige Birke stand ihm im Weg. Dass er nicht mehr nüchtern war, gab er bereitwillig zu. Das war kein Problem. Im Gegenteil. Es hatte dem alten Kumpel nur ein anerkennendes Lachen entlockt. Ohne dieses Eingeständnis wäre es auch schwer zu verstehen gewesen, warum er den Mercedes nicht zuhause im Dorf reparieren lassen konnte. Um sein Alibi wasserdicht zu machen hatte er tags drauf in aller Frühe sogar mit seinem Traktor den unschuldigen Baum gerammt, so dass auch der misstrauischste Zeitgenosse seiner Version Glauben schenken musste.

      Vier Tage nach dem Unfall war das Auto wieder da und von einem Schaden war nichts mehr zu sehen. Selbst seiner Sandra hatte Walter nichts von dem Unfall erzählt. Die Hedwig aber, die musste etwas mitgekriegt haben, denn das Auto stand zwei Tage zerbeult in der Wolf’schen Scheune. Sie hatte aber nie auch nur ein Wort darüber verloren.

      Und nun war da dieser anonyme Anrufer, der offensichtlich alles wusste. Nach all den Jahren! Walter Grillenberger zitterten die Knie, als er sein Fahrrad am Waldrand an einen Baumstamm lehnte und das ganz sicher nicht wegen der ungewohnten körperlichen Anstrengung.

      Die Marga war wieder einmal voll in ihrem Element. Vor ihr lagen aufgeschlagen nahezu ein Dutzend Kochbücher, sowie ihr grüner Leitzordner mit den Spezialrezepten, die sie im Laufe der Zeit gesammelt, mit Freundinnen getauscht, manchmal auch modifiziert und allesamt erfolgreich ausprobiert hatte. Ungeprüfte wurden erst gar nicht in diese exklusive Auswahl aufgenommen. Die Rezepte waren allesamt fehlerfrei abgetippt, ausgedruckt und fein säuberlich abgeheftet, teilweise auch versehen mit handschriftlichen Anmerkungen darüber, was sie selbst anders machte als es der ausgedruckte Standard vorsah. Sie konnte sich immer noch nicht entscheiden, was sie ihren Gästen vorsetzen sollte, die morgen zu Peters Geburtstag erwartet wurden.

      An den Gästen war an sich nichts Außergewöhnliches, es würden die gleichen Verdächtigen sein wie immer. Es handelte sich nicht um einen so genannten Runden, sondern um Peters vierundsechzigsten Geburtstag. Da würden nur die Bräunleins und die Schwarms kommen, wobei der Begriff die Schwarms eigentlich etwas irreführend ist, da es sich immer noch um Lothar Schwarm und seine neue Lebensgefährtin Maria Leimer handelt, die er im vergangenen Frühjahr während der aufregenden Ägyptenreise kennen- und lieben gelernt hatte. Dass sie aber bald auch ganz offiziell und vor dem Gesetz „die Schwarms“ sein würden, daran arbeitet die Maria äußerst beharrlich hin und wer die Beiden kennt, der weiß, dass die Erfolgsmeldung nur noch eine Frage der Zeit sein kann. Lothar ist sicher nicht ernstlich abgeneigt, noch einmal zu heiraten, aber andererseits ist er halt leider auch ein ewiger Zauderer. Dafür hatte man Maria allerseits als resolute Dame mit original oberpfälzer Durchsetzungsfähigkeit kennen gelernt. Das wird schon.

      „Horch Beder, woss maansd, mir könndn doch als Vorschbeis woss mit Bilze machen, Steinbilzkarbaddscho, hobbi do grod in der Hand. Dess hommer doch damals ghabd, wie die Heidi äs erschd Mal ihrn Markus midbrachd hodd, wassd ers nu. Neihoggn hädd mer si kenner, su goud war dess.“

      Und scherzhaft fügte sie hinzu.

      „Sie hodd immer widder gsachd, den Markus hädds gar nimmer lousbrachd, a wenn sie ihn gar nimmer gwolld hädd, der wärerer scho bliebn, ner blouß weecher mein Carpaccio.“

      Peter lachte. Die Marga war immer wieder für einen lustigen Spruch gut. Aber er fand ihre Idee gut.

      „Und hinderher an schäiner safdichen Zwieblrosdbradn, wall für den Simon brauch mer scho woss mit an ordndlichn Drumm Fleisch“, stimmte er Marga zu.

      „Du, etz iss äs Wedder ideal, nach dem langer Regn und derer Wärm heid, dou gibbds bestimmd Bilze ohne Ende und ich wass schließli ja wo die sichersdn Blätz sinn. Wassd woss, ich geh etz glei nu in die Bfiffer. Es is ja nu lang nedd dunkl und dann wern mer scho bald wissn, obs woss wärd mit unsern Staabilzkarpaddscho.“

      Er brauchte nicht lange, um sich für den Wald herzurichten. Ein paar feste Schuhe, denn der Boden war sicher noch nicht ganz abgetrocknet und der Weidenkorb stand sowieso im Flur. Wenige Minuten später hatte er seinen Helm auf und radelte davon.

      Gleich hinter dem Garten der Kleinleins beginnt ein Feldweg, der geradewegs in den nahen Wald führt, in Peters Wald. Als Kind hatte er tatsächlich geglaubt der Wald würde seinen Eltern gehören, denn sie hatten nur immer davon gesprochen, dass sie in „ihren Wald“ gehen würden. Dabei meinten sie nur, dass sie an einen Ort gehen würden, wo sie sich daheim fühlten, so wie andere eben in ihren Verein oder in ihr Wirtshaus gingen.

      Vorbei an abgeernteten Feldern erreichte er endlich den Waldrand, wo er sein Fahrrad an einen Baum lehnte. Er brauchte nicht abzuschließen, in Röthenbach wurde nichts gestohlen. Das mag etwas unverständlich klingen, denn in den vergangenen drei Jahren hatte es zwar ebenso viele Morde gegeben, aber tatsächlich keinen einzigen Diebstahl. Unweit von der Stelle, an der er den Wald betrat parkte ein silbergrauer VW Golf mit Nürnberger Nummer auf dem schmalen Streifen Gras, das sich an den Wald anschloss. Eine deutliche, wenn auch kleine Delle verunzierte den linken vorderen Kotflügel. Anscheinend hatte der Fahrer einen von Farnen überwucherten Baumstumpf übersehen. Peter ärgerte sich ein wenig. Jetzt kamen die Städter anscheinend schon unter der Woche aufs Land, um den Einheimischen auch noch die besten Pilze weg zu schnappen. Daher empfand er fast ein bisschen Schadenfreude darüber, dass dem vermeintlichen Konkurrenten dieses Missgeschick passiert war. Hoffentlich hatte der Eindringling seine Plätze noch nicht gefunden, die natürlich genauso wenig seine Plätze im Sinne von Eigentum waren wie der ganze Wald. Die Fundstellen waren deshalb seine, weil ihre genaue Lage Peters sorgsam gehütetes Geheimnis war, das er außer seiner Marga niemandem verraten würde, nicht einmal unter der grausamsten Folter. Jedenfalls nicht gleich.

      Er war kaum ein paar Meter gegangen, über den flachen Graben hinüber, der sonst immer ein guter Platz für Pfifferlinge war, heute aber keinen Erfolg versprach. Da sah er ein weiteres Fahrrad stehen, angelehnt an ein dünnes Fichtenstämmchen, geradeso wie seines. Na das konnte ja heiter werden, noch einer, der ihm seine Ausbeute streitig machen wollte.

      Jetzt hatte er es aber endgültig eilig, zu seinem aussichtsreichsten Platz zu kommen. Er brauchte nicht lange zu gehen bis er die kleine Lichtung erreichte, in deren unmittelbarer Nähe eine seiner geheimen Fundstellen lag. Dabei hatte er trotzdem immer den Blick fest auf den Boden gerichtet, scannte praktisch konsequent den Untergrund nach allem ab, was irgendwie auch nur entfernt nach Pilz aussah. Meist waren es aber nur Rindenstücke oder abgebrochene Aststücke, die eine ähnliche Form aufwiesen. Ab und zu zeigte sich auch ein giftiger Fliegenpilz. Er hatte bisher nichts andres erwartet, noch war er nicht ganz an seinem Ziel angekommen.