Stefan G. Rohr

Herr und Untertan


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Äußerlichkeiten der Weiblichkeit, ganz wesentlich als Zeichen für das Wohlgelingen seiner Nachkommenschaft.“

      Katharina Kohlhaase legte nun ihre kleine Stickerei, die sie bisher in den Händen hatte, beiseite, atmete tief durch und inmitten eines hörbaren Seufzers antwortete sie ihrem Mann: „Franz! Das Kind ist siebzehn…!“

      „Übermorgen achtzehn!“, konterte dieser prompt, „und damit im besten heiratsfähigen Alter.“

      „Heiratsfähig hin oder her“, erwiderte nun die Mutter, „darum geht es doch gar nicht, Franz-Joseph. Sie ist doch noch ein Kind, ganz auch das unsre. Und kindlich, spielend ihr Gemüt. Und auch ihr Körper, der ohne Zweifel noch im Wachstum steht, Du aber Füllen reklamierst, die erst mit der Zeit gedeihen. Ein Fohlen ist kein lahmer Zosse und Dein Vergleich ganz liederlich. Denn auch ein Schmetterling ward stets erst eine Raupe.“

      Kohlhaase lief rot an. Doch bevor er explodieren konnte, klopfte es kurz an der Türe und das Dienstmädchen kam herein. Sie stellte auf einem kleinen Silbertablett die mittlere Karaffe mit dem goldgelben Sherry nebst zwei Gläsern auf den Tisch und schickte sich an, diese zu füllen. Doch der Herr schüttelte den Kopf und machte eine ablehnende Geste. Er würde nun selbst einschenken, und das Mädchen könne sich entfernen.

      Als sie wieder alleine waren, schenkte er wortlos die Gläser halbvoll und trank, ohne seine Gattin eines Blickes zu würdigen, den sanften Sherry auf einmal herunter. Dann wischte er sich seine Bartenden mit dem Handrücken sauber und räusperte sich. Das war das Zeichen, dass er sich den Vorrang für die Fortführung dieser Unterredung zusprach.

      „Werte Gattin“, eröffnete er gediegen. „Wenn´s Dir beliebt, so will ich einen anderen Vergleich nun nutzen. Nur um Gemüter nicht zu sehr zu regen, doch auch die Deutlichkeit nicht missen lässt. So frag Dich selbst, ganz objektiv, ob Du als Gatte nicht beim Bettgang unter dem Laken lieber eine pralle Frucht als eine krumme Bohne finden möchtest?“, und er schnalzte noch kurz mit der Zunge, denn der Sherry hatte ein süßliches Aroma in seinem Gaumen hinterlassen.

      Die Dame des Hauses hatte keinen Zweifel daran, dass diese Richtung ihrer Unterredung weder zweckmäßig noch förderlich verlaufen würde. Und so entschied sie sich, zum Wesentlichen zurückzukehren und weitere Details zu erfahren. Kohlhaase war zufrieden. So war es Recht, denn seine immer einmal wieder zur Aufmüpfigkeit neigende Ehefrau hatte sich unter seinen strengen Blicken eines Besseren besonnen und g´rad kleinbeigegeben.

      „Dr. Krottenkamp dringt auf eine baldige Vermählung“, gab er nun zu wissen.

      Katharina Kohlhaase begann süffisant zu lächeln: „Nun, dass ist sein Begehr“, und sie sah nun ihrem Gatten ernst in die Augen. „Jetzt sag mir, was Dich so hastig drängt, dem seinen so willfährig zu entsprechen?“

      Der Kaufmann Franz-Joseph Kohlhaase war nun an die sechzig Jahre auf dieser Welt, von denen er über fünfundvierzig in einem Handelskontor verbracht hatte und es zu einem nicht unbeträchtlich erscheinenden Vermögen gebracht hatte. Und im Handel, mit Seinesgleichen, nicht selten auch mit basargewohnten Osmanen, knauserigen Schotten, Undurchsichtigen aus dem Reich der Mitte oder den ewig Schacherden aus der Synagoge, war er aus vielen Verhandlungen nun geschult sein Antlitz bei Bedarf weder erröten noch in Fahlheit verfallen zu lassen, denn wer zuerst zuckte, hatte stets verloren. So würde er sich von seiner Holden, seinem Weib und der Mutter seines Töchterleins, nun wahrlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

      „Es sei allein aus Deinem Stand als Dame dieses Hauses Dir nun doch nicht anzulasten, die g´rad gestellte Frage als wesentlich zu wähnen. Es spricht die ganz bekannte Unkenntnis der alten Regel aller guten Zünfte aus Dir, den Sack dann zuzumachen, sobald er denn gebunden werden kann. Und ratsam ist´s, dass ein Schuster bei seinen Leisten bleibt, ganz so, wie ich es niemals wagte, Dir mit Anweisung oder Besserwisserei Dein Stickwerk zu erklären“, und nun griff er die Karaffe und goss sich erneut ein Gläschen ein, diesmal bis knapp zum Rand gefüllt.

      Die Mutter nahm wieder Ihre Stickerei zur Hand und begann behutsam die Nadel zu führen. „Das Zählen von Pfefferkörnen in einem Scheffel ist schon einem Lehrburschen wenig Hürde. Ein Stickwerk zur erschaffen, mit einem Dutzend Fäden schöner Farben, setzte die Fähigkeit des Zählens zum einen, dann aber auch zum anderen die Beherrschung des Gesamten voraus. So sei nur zuversichtlich, lieber Gatte, dass es mich nicht überfordern sollte, Deiner Scheffelkunst verständig folgen zu können.“ Sie machte eine kleine Pause, dann fuhr sie fort und erhob ihre Stimme in einer kaum merklichen, dann aber doch für das Ohr des langjährigen Ehemannes unüberhörbaren Nuance: „Es würde uns beiden sicher weniger Last bereiten, wenn Du mir nun Dein fulminantes Geschäft in Gänze eröffnetest.“ Dann lächelte sie ihrem Gegenüber freundlich ins Gesicht: „Soll ich nach dem Mädchen läuten, damit sie Dir eine weitere Karaffe bringt?“

      Da war sie wieder, die unsägliche Ironie und auch deutliche Revolte, von der auch Kohlhaase andernorts Gehör erhielt. Weibsbilder, die sich entgegenzustellen versuchten, sich mit spitzen Frechheiten einmischten und dabei den eignen Stand in der gesellschaftlichen Ordnung marodierten. Und wieder einmal schoss es ihm bitter durch den Kopf, wie sehr er sich doch voreilig hat hinreißen lassen, die fulminante Mitgift des alten Sonnenberg nicht als Blendwerk hinterfragt zu haben. Denn gab es doch mehr als nur ein Zeichen, dass dieser Fuchs wohl ebenso dem Herrn im Himmel dankte, als dessen Zutun, nebst der Mitgift, sein Töchterlein zum Traualtar befahl. Und dem Pfaffen mag es obendrauf gefallen haben, denn sein Klingelbeutel ward an diesem Tage dicker, als es die hohen Feste zweier Jahre in einem erbracht hätten.

      Doch fühlte nun Kohlhaase auch just identisch, so gab es doch einen Unterschied, und dieser war dann gleich ganz erheblich. So glaubte er seinen Ohren nicht trauen zu können, als ihm der brautwerbende Krottenkamp bekundete, die üblich Mitgift nicht einzufordern, die Sitte sogar umzukehr´n gedachte. Ganz im Privaten, ohne Aufsehen, den Brautvater derart zu erfreuen, statt berappen zu müssen, selbst ein stattlich Sümmchen einzuheimsen. Und damit dieses nicht zur Tuschelei geneigte, er dieses als Kredit vergäbe, der nie zurückzufordern war. Ein Zuschuss, der nie öffentlich zu reklamieren wäre, der sodann das Erbe im Stillen mehren sollte, und so die ausgeschlagene Mitgift zu späterer Zeit, wenn Gott es dann für geboten hielt, in angemessener Weise ausgleichen würd. Und mit dem Geschick des Herrn Kaufmannes wäre damit auch ein guter Zins wahrscheinlich.

      Franz-Joseph Kohlhaase rieb sich, während er dem Antrag des Mediziners lauschte, ganz wohlempfindend den Bauch über seiner seidenen Weste. Jeder Taler, den er nicht auszugeben hatte, zählte doppelt. Nun aber, so wie der Vorschlag auf dem Tische lag, enthielt das Geschäft dazu noch mehr als eine Dopplung. Zum eingesparten Taler kamen fünf hinzu, was dann nach seiner Rechnung der Einnahme eines Siebenfachen ergäbe. Für einen lahmen Gaul, ganz fulminant! Und er wäre doch zu verjagen gewesen, ein solches Angebot zu verzögern, um es im häuslichen Reigen mit seiner Angetrauten zu erörtern, die es aus Grundsätzlichkeit heraus womöglich dann gleich ausgeschlagen hätte, ganz eben gleich, wie es sich nun andeutete.

      Das Siebenfache aber war allein nicht nur eine verlockende Kalkulation. So gingen die Geschäfte seit einiger Zeit doch eher schleppend. Die wirren Jahre, in denen Krieg und Unruh seinen Handel doch stets so wohltuend befeuert haben, waren vorbei. Mit dem Abzug des Pulverdampfes schwand auch ein großer Teil der schönen Geschäfte, in denen der befähigte Kaufmann sich mit besten Preisen verständigen konnte, ohne sich dabei dem Verdacht der Wucherei aussetzen zu müssen. So kaufte er noch manches Gut mit gerad´ noch üblich hohen Werten, der spät´re Absatz dann von Mal zu Mal noch nicht einmal den Einkauf mehr egalisieren konnte. Das Risiko des Handels war dem alten Schacherer nicht unbekannt, hier und dort auch mit Verlust zu leben, war Teil der Profession und somit nicht zu beklagen. So zählte beim Schließen der Bücher stets die Summe unterm Strich und damit gleich der Lehrsatz, dass Handel zwar vom Geben und Nehmen lebte, der Kaufmann am End´ des Tages nur beim Nehmen sich im Vorteil finden müsst.

      Nun aber schien der Teufel schon viel zu lange große Freud´ daran zu haben, den Lehrsatz umzukehren und dem umtriebigen Kaufmann mehr Taler aus der Tasche zu ziehen, als dieser im Stande war im Sack zu deponieren. Und wäre dieser Umstand leichtsinnig im Kontor besprochen, die Konkurrenz gar alarmiert, dann wäre Kohlhaase den ehrenwerten