Günther Dümler

Mords-Fasching


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was machen wir jetzt wirklich mit der Anzeige?“, wollte der jüngere Kollege wissen.

      „Nix, mir wardn ab, ob sich draus woss Kongreedes ergibd. Dann könner mer immer noch handln. Vorleifich iss dess doch bloß alles a saudumms Gekritzl von irgnd ann Schbinner. Mir sollerdn uns läiber aweng schiggn, dass mer die Geschwindichkeidsüberwachungsanlaach vorner am Ordseingang hindern Milchhäusler aufschdelln, sonsd steichd uns der Chef gscheid aufs Dach. Es gibbd schließlich nu andere Bollizeiaufgabn und dess hodd etz amal Brioridäd eins.“

      Simon und Gisela, die ihr Anliegen in guten Händen wussten, begannen sich langsam wieder zu beruhigen. Die Beamten hatten wohl Recht. Was war denn schon tatsächlich geschehen, außer dass ein spinnerter Uhu wirre Androhungen von göttlicher Rache und flammenden Schwertern unter die Leute brachte. Von dem heutigen Fund würden sie niemand erzählen, schon allein aus Rücksicht auf die sensiblen Antennen der Kundschaft. Wer weiß, was sich in deren Köpfen zusammenbrauen würde, wenn sie erst einmal von der Beschuldigung erführen. Da hatte ihr Freund Peter schon Recht, wenn er meinte, dass sich so etwas für das Geschäft als sehr abträglich erweisen könnte. Einen schlechten Ruf hat man schließlich schneller als man bis drei zählen kann. Doch all diese Überlegungen waren müßig, wie sich bald herausstellen sollte.

      In völliger Unkenntnis dessen, was bald auf sie zukommen würde, schloss Gisela pünktlich um 10 Uhr zum zweiten Mal an diesem Tag die gläserne Ladentüre auf. Es dauerte auch nicht lange bis die ersten Kundinnen eintrafen. Schnitzel, Schaschlik, Wurst, unter anderem Bräunleins 1A preisgekrönte Bratwurst, waren unter der Woche gewöhnlich eher gefragt als die üppigen Braten und Schäuferle, die am Wochenende über den Ladentisch gingen. So weit war alles normal. Auffällig war nur, dass schon seit Freitag keines der sogenannten Hundsweiber mehr hier war, um die, unter normalen Umständen unverzichtbaren Wiener Würstchen für ihre Lieblinge einzukaufen. Deshalb fragte Gisela ihre aktuelle Kundin, von der sie wusste, dass sie mit der Frau Zängerlein, einer der Röthenbacher Hundeliebhaberinnen befreundet war, ob sie denn etwas wisse. Ob die Dame denn vielleicht krank wäre.

      Die Kundin zögerte ein wenig mit der Antwort. Ein bisschen zu lange, als dass alles in Ordnung sein konnte. Man konnte ihr von der Nasenspitze ablesen, dass sie über mehr Informationen verfügte als sie bereit war mit Gisela zu teilen. Es schien ihr peinlich zu sein, was sie da so bemüht zurückhielt. Doch schließlich gab sie ihrem Herzen einen Stoß und beugte sich, obwohl sie die einzige Kundin im Laden war und niemand sie belauschen konnte, verschwörerisch zu Gisela über die Theke, um ihr heimlich zuzuflüstern.

      „Von mir homms ses abber nedd.“

      „Ganz beschdimmd nedd. Könner ser sich drauf verlassn. Ich saach nix weider“, versicherte ihr Gisela im Flüsterton beziehungsweise in der Lautstärke, die sie mit diesem Begriff verband. Mit anderen Worten, sie hatte ihrer ansonsten raumfüllenden Trompete wenigstens einen kleinen Schalldämpfer aufgesetzt.

      „Also, es iss aso. Die Schmittn hodd behaubded, dass ihr Hund mit anner Worschd vergifded wordn wär. Und dass sie seid Jahr und Dooch ihre Wiener immer blous vom Bräunlein kaufd. Immer, ausnahmslos. Und etz wärs aso, dass sei Leben blouß nu an an seidner Fadn hängd, also denn Hund seins, nedd dess von ihrn Moh. Sie wär sich ganz sicher, weil ihr Baldur außer an zweifelsfreier Dosenfudder aus wissnschafdlich kondrollierder Ferdichung wie gsachd nix anders gräichd, als die Wienerler von ihner. Der Dierarzt hodd nern a Schbritzn gebn zur Schdärkung, abber verschbrechn konner nix, hodder gsachd.“

      Gisela zog vernehmlich und scharf die Luft ein. Ihre Nüstern blähten sich gefährlich auf.

      „Und dess hodds nadürlich alle ihre Freundinner erzähld. Dou brauchi mi ja nedd wundern, wenn etz kanne mehr kummd, die Beggn Gredl, die Schmiddn sowieso nedd, die alde Zängerlein und so weider und so weider. Und dann wassi aa scho, woss des mid denne Zeddl …“

      An dieser Stelle brach Gisela ihren von Wort zu Wort lauter werdenden Gedankengang schlagartig ab. Das ging erstmal niemand im Ort etwas an. Da musste sie sich selbst eine Strategie überlegen.

      „Welche Zeddl, Frau Bräunlein?“, wollte die interessierte Kundin trotzdem wissen. Doch weitere Auskünfte gab es erst einmal nicht mehr.

      „Ach nix, ich hobb dou nu an Einkaufszeddl von ihr liegn, denn brauchi ja etz erschd amal nedd ferdichmachn. Naja, kommer nix machen, wenn sich die Leit so an lödsinn eibildn.“

      Die Trompetenstöße hatten wieder beträchtlich an Lautstärke zugenommen, bis sie schließlich mit ihren biblischen Vorbildern, die einst immerhin die massiven Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht hatten, in aussichtsreiche Konkurrenz traten.

      „Ich konn ihner versichern, dass mir letzde Wochn über fuchzg Boar Wienerler verkaufd homm und von kann iss irgnd a Reklamation kummer, von kann aanzichn nedd! Dess wär ja nu schänner! Dess Word Reklamation kenner mir bloß vom Hörnsagen!“

      Die angesichts der scharfen Entgegnung nahezu auf ihre halbe Größe geschrumpfte Kundin konnte nur noch eingeschüchtert flüstern: „Also wie gsachd, von mir homm ses nedd, gell Frau Bräunlein.“ Und schon war sie aus dem Laden verschwunden. Sogar das Zahlen hatte sie komplett vergessen.

      „Na sauber!“ Nun hatte Gisela auch keinen Zweifel mehr an der Idendität des Schreibers der beiden anonymen Drohungen. Die Frau Schmitt. Diese elende Matz! Wer hätte das gedacht. Aber mit ihren Viechern sind diese unbefriedigten Weiber ja dicker als mit ihrer eigenen Sippschaft. „Unser Arco frisst andauernd unsere Wiener und der iss gsünder wäi der stärkste Ox“, murmelte sie zornig vor sich hin. „No ward, wenn dess der Simon erfährd!“

      Erfuhr er aber nicht, denn vorläufig hatte Gisela noch viel zu sehr mit sich selbst und der Ausarbeitung einer Gegenstrategie zu tun und dabei wäre Simon mit seiner direkten, unbedarften Art nur hinderlich gewesen. Für raffinierte Aktionspläne ist Simon ohnehin entschieden zu einfach strukturiert. Er würde schon noch rechtzeitig genug von seiner Verteidigungsministerin über den zweifellos ausgeklügelten, mit allerlei durchdachten Details versehenen Schlachtplan in Kenntnis gesetzt werden. Simons persönlicher, regelmäßiger Schlachtplan hingegen war sehr viel einfacher gestaltet und erforderte weit weniger Raffinesse. Der sah drei Besuche pro Woche im regionalen Schlachthof vor, sowie die tägliche Zubereitung frischer Wurst und bratfertiger Fleischportionen in seiner hauseigenen Werkstatt. Punkt! Und genau dort hielt sich Simon derzeit auf, unbeleckt von etwaigen Rachegelüsten und Vergeltungsplänen seiner Gisela. Die Wucht, mit der er das scharfe Beil niedersausen ließ, war auschließlich der Härte der Schweineknochen geschuldet und von keinerlei zornigen Gedanken an eine üble Verleumderin geleitet.

      Das änderte sich jedoch schlagartig, als ihm seine Gisela nach dem Abendessen, den Appetit hatte sie ihm nun doch nicht verderben wollen, die ganze Geschichte erzählte, die sie am Nachmittag im Laden erfahren hatte.

      „Mei Worschd? Giffdich? Ich glaab ich schbinn!“

      Und dabei hatte ihn die Ungeheuerlichkeit bisher lediglich an seinen peripheren Gefühlsschichten getroffen. Je mehr die Erkenntnis und die damit verbunden Schlussfolgerungen aber tiefer und tiefer in sein Bewusstsein vordrangen, umso mehr machte sich ein heiliger Zorn in ihm breit.

      „Horch amol, dee schbinnd doch! Ich hobb mei Lebbdaach noch kann Menschn woss dou, abber bei derer Gifdschbritzn, dou machi villeichd etz doch amal a Ausnahm. Wenni mid derer Misdgurgn ferdich bin, dann brauchds kann Doggder mehr. Dee werri ….“

      „Etz hör ner widder auf, Simon. Wenn dich anner hörerd, der könnd ja gladd maaner, du willsd daadsächlich jemand umbringer!“

      Gisela tat ihr Bestes, um ihren erbosten Gemahl etwas einzubremsen und wieder einigermaßen auf Normaltemperatur zu bringen.

      „Ich mach der nu a schäins kalds Fläschler Bier auf und über dee Sach red mer schbäder amal in aller Ruhe. Mir fälld scho woss ei, wie mer derer Schwerrdgoschn die Gröbsdn runder denner, dou brauchsd ers nedd glei derschlagn. Morgn machi an Blaan, wäi mer dess under gesiddede Leit widder ausn Weech schaffn. Abber etzertla rouhsd di erschd amal aus und beruichsd dich widder.“

      Simon stimmte mit einem unwilligen Raunzer zu.

      Wer