Frank Pfeifer

Magic Stoner


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       Eine Woche später eröffnete ein Untersuchungsausschuss des Hamburger Senats den Fall Herr K. K war es gelungen, eine Abhöraktion zu belegen, nicht in Köln, sondern in Berlin, in einer der vermuteten konspirativen Wohnungen. Aber weder die Abhöraktion in Köln, noch die in Berlin, konnte restlos aufgeklärt werden. Der INTERNATIONALE POLIZIST verteilte Genehmigungen von Aussageverweigerungen für seine Kollegen. Zwar gab es schriftlich fixierte Dienstanweisungen aber wie immer keine Verantwortlichen. Letztendlich, nach monatelanger Arbeit des Untersuchungsausschusses, musste ein V-Mann seinen Job wechseln. Vom Staatsdienst in die Wirtschaft mit den Weisungen des INTERNATIONALEN POLIZISTEN in der Tasche. Einmal Spion, immer Spion.

       Nana klappte den Laptop zu und schaute mich an.

       »Die verdrehen die Wirklichkeit so, wie es ihnen passt.«

       »Wenn wir das machen würden, wären wir Lügner oder Wahnsinnige.«

       Nanas Bericht hatte mich wirklich aufgeregt. Während sie erzählte, hatte ich besorgt das Anti-Virus-Programm gestartet aber nichts Außergewöhnliches entdeckt. Aber ein gehacktes Mikrofon konnte überall sein. Überall! Ich kratzte mich am Kopf. Vielleicht hatte ich ein Wunder der Mikroelektronik ja im Haar? Ich schloss die Augen, atmete tief durch und schrie.

       »Scheiße.«

       Das half ein wenig. Nana guckte ironisch und grinste.

       »Reg dich doch nicht immer so auf. Hier, nimm Vital-Kopfexplosion, die Chemie der Beruhigung.«

       Und sie saß da wie eine Puppe, blinkerte mit den Augen, lächelte und hielt die imaginäre Pillendose in die Luft.

       »Nana, bitte«, schluchzte ich. Die Welt war wieder ungerecht und hart. Da half nur noch eins. Ein FUCKING-BIER-INTERNATIONAL. Ich stürmte zum Kühlschrank, fischte eine Dose heraus und trank mit gierigen, verzweifelten Schlucken.

       »Ok, Baby«, knurrte ich Nana jetzt an, »erzähl mir ruh i g mehr davon, ich bin ein Wolf, ich kann das alles fressen, ich habe sogar Hunger, gib mir mehr von dieser irren Speise.«

       »Oh ja! Ich erzähle dir noch eine Story. Hör zu. Es gibt die beiden Supercomputer NADIS und INPOL. NADIS vom INTERNATIONALER POLIZIST, INPOL von EUROPOL. Im Zug der Zusammenführung beider Datenbanken war eine Standleitung zwischen beiden Computern vorgesehen. Geplant wurde direkt in der europäischen Zentrale des INTERNATIONALEN POLIZISTEN. Eines Tages hatte ein Mitarbeiter vergessen, sich aus dem Planungsprogramm auszuloggen. Für jeden, der sich mit dem Programm auskannte, waren anscheinend hochgeheime Informationen zugänglich. Das Türschloss verzeichnete nach Dienstschluss noch einmal das Öffnen des Raumes mit dem wissenden Terminal. Die Putzkolonne hatte ihre Arbeit getan. Das Büro der Versuchung wurde von einer Türkin geputzt. Obwohl es höchst unwahrscheinlich war, dass die Frau auch nur einen blassen Schimmer von der Bedienung des Programms hatte, wurde sie fortan observiert. Die Schnüffelhunde des INTERNATIONALEN POLIZISTEN entdeckten Kontakte eines Sohnes zur KURDENMILIZ. Daraufhin aktivierte der INTERNATIONALE POLIZIST seine Spezialisten im Nahen Osten. Einige Wochen später verschwand dieser Sohn, als er Verwandte in der Türkei besuchte.

       Davor hatte er einem befreundeten Journalisten gegenüber den Verdacht geäußert, observiert zu werden. Jetzt stand dieser Journalist aber selbst auf einer Liste des INTERNATIONALEN POLIZISTEN und bekam es nach dem unergründlichen Verschwinden des Freundes verstärkt mit der Angst zu tun. Er wollte sich in China absetzen, erhielt aber zuvor einige Informationen, die ihm Hoffnung machten, den Verbleib seines Freundes aufzuklären. Kurze Zeit später tauchte der Sympathisant der KURDENMILIZ wieder auf. Tot! Gefoltert und verstümmelt. Der Journalist hatte aber inzwischen Daten in den Händen, die man als Tötungsauftrag lesen konnte, von einem leitenden Beamten des INTERNATIONALEN POLIZISTEN unterzeichnet. Der Fall flog auf, einige Beamte wechselten die Positionen. Der Journalist sitzt inzwischen in einer Psychiatrie. Er gilt als gemeingefährlich und hat Kontaktsperre.«

       »Und die Mutter des Toten? »

       »Ist entlassen worden.«

       »Und die Computer?«

       »Leben fröhlich und planen mit neuem Login-Code eifrig vor sich hin.«

       »So schließt sich der Kreis.«

       »Auch die in der Türkei verwendeten obligatorischen Leichentücher des INTERNATIONALEN POLIZISTEN für die in Notwehr gefolterten Verbrecher stammen aus westlichen Webereien.«

       »Weiter, weiter!«

       »Die Schminke, die den Toten das Antlitz der Friedfertigkeit geben soll, stammt aus Südamerika.«

       »Seltsam.«

       »Der Vorstand der Kosmetikfirma stammt natürlich aus Europa.«

       »Da ist es wieder.«

       »Sie sind überall.«

       Mein FUCKING-BIER-INTERNATIONAL war alle. Ich brauchte jetzt unbedingt eine Stärkung. Oh Gott, gib mir bewusstseinsverändernde Drogen, dachte ich. Ich verkrafte die Realität sonst nicht. Ich rannte zum Kühlschrank, riss die Tür auf, da stand allein im Zentrum des sonst leeren Kühlschranks eine letzte Dose FUCKING-BIER-NTERNATIONAL. Die Dose leuchtete. Sie hatte eine intensive hellblaue Aura. Auf dem Weißblech blinkte ein grünes Auge. Ich erschrak. Ich erschrak sogar ziemlich. Ich schepperte die Tür wieder zu, sprang zwei Meter zurück und stieß mir dabei den Kopf an einem Regalbrett. Dann öffnete ich den Kühlschrank vorsichtig noch einmal. Beinahe hätte ich wieder die Tür zugeknallt. Aber ich beherrschte mich. Die Dose war immer noch da. Sie schwebte im Zentrum des Kühlschranks und leuchtete nun etwas blasser. Das smaragdgrüne Auge hatte keine Pupille. Aber das Auge duftete. Es duftete unverkennbar nach FUCKING-BIER-INTERNATIONAL. Langsam bewegte ich meine Hand nach vorne, es veränderte sich nichts. Dann kniff ich die Augen zu und schnappte mir die Dose. Als ich wieder die Augen öffnete, lag eine ganz normale FUCKING-BIER-INTERNATIONAL-Dose in meiner Hand. Alles schien normal. Verwirrt ging ich zu Nana zurück.

       »Ich glaube, ich habe genug von den Storys. Ich bekomme schon Visionen. Ich glaube, ich werde verrückt. Am Ende landen wir in der Psychiatrie. Die Dose hier schwebte eben leuchtend im Kühlschrank und hatte ein smaragdgrünes Auge. Prost!«

       Ich trank. Nana kicherte.

       »Oh, ich kenne das!«

       »Was? Das mit der Bierdose?«

       »Bei mir sind es grinsende Joghurts.«

       »Was?«

       »Grinsende Joghurts! Ich gehe an den Kühlschrank und es schweben ein paar Joghurtbecher herum und leuchten. Und sie grinsen. Frag mich nicht wie. Sie grinsen eben.«

       »Grinsende Joghurts?«

       »Grinsende Joghurts!«

       »Wow! Leuchtende Bierdosen und grinsende Joghurts. Sag, dass das nicht wahr ist. Ich drehe hier noch durch.«

       »Nimm es einfach als neue Erfahrung.«

       »Neue Erfahrung?«

       »Warum nicht?«

       »Vielleicht saufe ich einfach zu viel?«

       »Und ich lese zu viel?«

       »Ach, so einfach ist das alles zu erklären?«

       »Nur Stresserscheinungen.«

       »Schade, dass wir es tatsächlich sehen.«