Frank Pfeifer

Magic Stoner


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hinter eine Glasscheibe gequetscht worden wäre. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter.

       »Du kannst ja auch nichts dafür, Manfred. Aber du kannst etwas tun, um mich aus dieser Misere zu retten.«

       Manfred legte mir jetzt seinerseits eine Hand auf die Schulter.

       »Das Labor ist sowieso mein liebster Ort. Ich werde sehen, dass ich die Forschungsarbeit vorantreiben kann. Ich verspreche es dir.«

       Nun trank ich meinen Tequila mit einem Ruck. Geräuschblasen trudelten durch die Gegend, die Leute um uns herum hatten aufgequollene Gesichter und bewegten sich, als ob jemand Fremdes an ihren Sehnen zupfen würde. Ich empfand alle Menschen als übermäßig behaart. Überall wackelten dicht behaarte Leute herum. In allen Schattierungen und jeder Löckchenform. Auch ich war behaart wie ein Wolf. Wir alle waren Wölfe. Umtanzten uns misstrauisch. Kontrollierten unsere und die Schritte der anderen. Manchmal war die Welt ein großes waberndes Rätsel.

      8

      Auf der Suche nach Entcodierungsmöglichkeiten für die Symbole des Wolfskultes stieß ich auf ein Weiheritual der Chorezm. Das Orginalmanuskript stammte etwa aus dem Jahr 1260 n. Chr., also vor dem Einfall der Mongolen nach Kleinasien. Die Schrift handelte von gewissen Initationshandlungen von Schamanen der obersten Kriegerkaste der Chorezm. Das Emblem der Schamanen zeigte deutlich das Wolfszeichen des TALI-Kultes. Außerdem gab es Parallelen zwischen diesem Fund und einem Manuskript aus Aleppo aus der Zeit der Eroberungszüge von Timur, zu dem in den Ruinen von Samarkand eine teilweise Übersetzung ins Arabische gefunden worden war. Ich konnte damit zum ersten Mal einige Zeichen des TALI-Kultes deuten und entdeckte das zweite Heilige Tier der Talismanen, das Heilige Rosa Kaninchen, das von den Anhängern des Geheimkultes TANA genannt wurde.

       Die Verbindung des TALI-Kultes mit den Kriegerkasten der Mongolen und Tartaren muss in bestimmten Bereichen sehr eng gewesen sein. Ich fand Spuren, die über die Herrschaftszeit der Goldenen Horde um 1250 und dem Abbasiden-Kalifat in Bagdad bis zum Mogulsultan Abu Said im Jahr 1462 führten. Unter rätselhaften Beteiligung des TALI-Kultes wurde Abu Said von der turkmenischen ›Horde der Weißen Hammel‹ besiegt. Der erste Schah des daraufhin gegründeten Neupersischen Reiches, das bis 1722 existierte, war eindeutig ein hoher Priester von TALI.

       Nachdem Ismail I 1502 in Täbris gekrönt wurde, gründete er sofort die ›Wölfe der Horde der Weißen Hammel‹, der Geheimdienst des Heeres mit der Aufgabe der Gegenspionage und mit Verantwortung für die Ordnung im Heer. Die Symbolik des Wolfskultes war inzwischen bis ins Unkenntliche verzerrt, aber mithilfe des Double-Mind-Programs konnte ich weitere Rückschlüsse auf den TALI-Kult ziehen. TALI rekrutierte seine Soldaten aus einer traditionellen Kaste, die seit der Geburt des Kriegertums diese Aufgabe innehatte. Einmal Spion, immer Spion. Damals schon als TALISMANEN bekannt, führten sie ihre Tradition der Observierungstechnik weiter. Ohne die Hilfe von High-Tech-Augen ermöglichten Drogen ihnen ihren Dienst zu erfüllen.

       Es gelang mir Bruchteile der Zeichentrapeze auf den Labyrinthwänden des Wolfstempels zu entziffern. Anscheinend wurden Mythen und Märchen des Kultes erzählt. Aber ich versuchte, die Rätsel ernster zu nehmen, nicht nur als Ausdruck einer fremden Kultur. Keine Macht hält sich Jahrhunderte, ohne irgendeine Form des Wissens zu praktizieren.

      TANA, das Heilige Rosa Kaninchen, ähnelte ein wenig Ptah, dem altägyptischen Krokodil, obwohl TANA doch recht niedlich aussah, wären da nicht die riesigen Schneidezahnhauer gewesen, die das Plüschtier in die Zeit der Dinosaurier versetzte. Der Widder als altägyptisches Symbol der Zeugungsfähigkeit erinnerte mich an die ›Horde der Weißen Hammel‹, aber hier fehlte eindeutig verwertbares Quellenmaterial, obwohl meine Fantasie mit den wenigen Fakten sofort die Verbindung zu den TALISMANEN schlagen konnte. Dies aber gelang mir mit empirischer Eindeutigkeit mit dem Wissen um den Totengott Anubis, dem Schakal.

       Die Priester des alten Ägyptens trugen bei der Einbalsamierung ihrer heiligen Toten eine Schakalmaske. Die Priester des TALIKultes schmückten sich mit Wolfsmasken während der Menschenopfer. Der Ablauf beider Rituale gliederte sich in beiden Fällen in je drei Teile. Anrufung der Götter, Zurückgabe der Körper in das göttliche Plasma, Einbeziehung der Gemeinde in das Ritual. Ich entdeckte, dass je nach Größe des Opfers die Ägypter die Einbalsamierung mit Binden ausführten, die zweiundfünfzigmal oder in einem Vielfachen davon um den Leichnam gewickelt wurden und zweiundfünfzig Zeichen und Symbole hatte ich im TALI-Kult entdeckt. In der riesigen Tempelhöhle entdeckte ich später Reste von Natron, Asphalt und Zedern, die gleiche Zusammensetzung wie die Tinktur, mit der die ägyptischen Mumien getränkt waren. Im TALI-Tempel selbst konnten wir keine Mumien entdecken, dafür Schmuckstücke aus dem Reich Pharaos Amasis, der ca. 550 v. Chr. Ägypten zur Seemacht erhob, bevor sein Sohn Psammetich III vom Perserkönig Kambysis geschlagen wurde. Alexander der Große gab Ägypten dann den Rest und dies wahrscheinlich wieder mithilfe der TALISMANEN. Wenigstens gab es Geschichten, die beschrieben wie Alexander der Große mithilfe von Anubis und einem Rudel fliegender Wölfe Theben eroberte. Das Schlachtfeld von Issos liegt ebenfalls im Einflussbereich des ursprünglichen TALI-Kultes, dessen Wurzeln ich bisher bei den Tataren glaubte, also im 12. oder 13. Jahrhundert, jetzt spannte sich die Zeit bis in die Hochkultur Ägyptens. Mir wurde schwindelig, was hatte ich entdeckt? Konnte das die Wahrheit sein? Die Wirklichkeit?

       Die Messungen hatten dem Tempel ein Alter von über 3000 Jahren zugeschrieben. Ägypten unterhielt unter Thutmosis III um 1450 v. Chr. diplomatische Beziehungen zu den Wassuganni im Mitanni-Reich. Hier konnte ich letztendlich die frühesten Anzeichen des TALI-Kultes entdecken, der damals innerhalb des Anubiskultes zum ägyptischen Alltag gehörte. In der Regierungszeit von Amenophis IV, unter dem die Verehrung von Aton dem Sonnengott zur Staatsreligion erklärt wurde, wanderten die Priester von TALI in das Mitanni-Reich, in ein Gebiet, das heute zur Türkei gehört. Der Schakal nahm langsam die Züge des Wolfes an. Damit befand sich zwar das religiöse Zentrum des Kultes weit entfernt von seinem Ursprung, der Kult kontrollierte aber weiterhin einen Großteil der ägyptischen Politik. Fast alle Krieger der obersten Hierarchie bekannten sich weiter zum TALI-Kult, wenn sie auch offiziell Aton huldigten. Trotz Todesdrohung und der Gefahr, von Aton zerstört zu werden, standen die TALISMANEN treu zu ihrem Glauben. Die Intensität der Erleuchtung, die hier erreicht wurde, stellte alles andere in den Schatten. Die Krieger standen in totaler Abhängigkeit zu den Inkarnationen ihrer Götter. Ein Grund dafür war sicherlich, dass die Speise TALIS und TANAS halluzinogene Drogen waren. TANA, das Heilige Rosa Kaninchen, war mit in das Mitanni-Reich gekommen und symbolisierte nun das göttliche Königtum, das jetzt nicht mehr allein auf die Staatsgrenzen Ägyptens begrenzt war, sondern sich bis auf Kleinasien ausgedehnt hatte.

       Für über 1500 Jahre versinkt der TALI-Kult dann in Datenarmut und Unwissen. Vielleicht würden Parallelen deutlicher, die ich im Perserreich unter Dareiros I fand, der 518 v. Chr. sein Heer nach Ägypten führte und Elemente des TALI-Kultes in die Lehre Zarathustras integrierte. Es gibt einen Ausspruch von ihm, der dem Treueeid der TALISMANEN ähnlich ist. ›Die Gegner sind Lügner, ich bin die Wahrheit‹. Der Treueeid der TALISMANEN lautete: ›Mord und alles andere‹. Dann tauchten erst wieder in der Geschichtsschreibung des Islam Hinweise auf. Als Omar der Beherrscher der Gläubigen 634 n. Chr. mit dem Aufbau der Militärverwaltung begann, scheinen TALISMANEN wiederum ihre Finger im Spiel gehabt zu haben. Dann finden sich Wolfs- und Kaninchenzeichen in der Dynastie der Abbasiden, in deren Herrschaftsgebiet 1256 die Mongolen einfallen, um 1258 Bagdad zu zerstören. Damit war ich wieder an einen meiner Ausgangspunkte zurückgekehrt.

       Aus der Zeit der Dynastie der Abbasiden stammen auch die ersten europäischen Hinweise auf den TALI-Kult. In Cordoba, aus der Zeit des Kalifats, gibt es Hinweise auf die Verwicklung des Militärs mit Drogengeschäften. Damals wurde Canabis in die Reihen der feindlichen, europäischen Soldaten geschmuggelt, um so die Front zu unterwandern. Zur gleichen Zeit begründet der Kurde Salahad-Din, bekannt als Saladin, die Ajjubiden Dynastie in Ägypten und seit ewigen Zeiten saß damit wieder ein direkter Nachfahre der Priesterkaste des Anubis auf dem ägyptischen Thron. Unter ihm gewinnt die turkmenische Mamelukengarde an Einfluss, die 1260 den Angriff