Rita Renate Schönig

NOTH GOTTES


Скачать книгу

hör‘. Sachdienliche Hinweise nimmt die örtliche Polizeidienststelle gerne entgegen. Ja, von wem denn? Von den Toten? Oder solle wir, die Angehörigen, uns nachts auf dem Friedhof rumtreibe und dene Kerle des Handwerk lege?“

      Nachdenklich presste Helene die Lippen zusammen und Herbert warf ihr einen mehr als skeptischen Blick zu.

      „Wenn ich denke, was du grad denkst, dann denk net mal dran. Ich sag nur Nicole et cetera pp. Also, schlag dir des Mal ganz schnell aus em Kopp.“

      Helene zuckte nur mit den Schultern und ihre Kopfbewegung diente erst recht nicht dazu diesen Gedanken aus ihrem Gehirn zu katapultieren. Nach wie vor war sie davon überzeugt, dass sie beide letztlich zur Lösung der Mordfälle vor zwei Jahren beigetragen hatten. Daran hatte Nicoles Gardinenpredigt – sie hätten massiv die Ermittlungen der Kriminalpolizei behindert – auch nichts geändert. Wenn Herbert diesen gewissenlosen Anwalt nicht Schachmatt gesetzt und ihm das Tagebuch hätte entwenden können wer weiß, ob die Wahrheit jemals ans Licht gekommen wäre.

      Zweifellos wäre es besser gewesen, das Beweismittel sofort an Nicole Wegener, die leitende Kriminalhauptkommissarin, auszuhändigen und sich, genauso wie Sepp, Schorsch und Gundel enormen Ärger erspart. Hätte, hätte. – Schnee von gestern.

      „DAS war ja wohl etwas ganz etwas anderes. Hierbei“, Helene klopfte energisch, ebenfalls mit ihrem Zeigefinger auf die Zeitung, „geht es um Zivilcourage und wahrscheinlich nur wieder um ein paar Jugendliche, die keinen Respekt vor der Totenruhe haben…“

      „…und womöglich unter Alkoholeinfluss und Drogen stehe“, vollendete Herbert ihren Satz. „Ergo – Kriminelle.“

      „Ach was.“ Angekratzt wedelte Helene mit der Hand. „Die werden nur kriminell, wenn sie so weiter machen.“

      „Und du willst des verhindern, indem du dene nachts auf em Friedhof auflauerst?“

      „Warum nicht? Wir können uns eine oder auch zwei Nächte um die Ohren schlagen. Wir haben die Zeit!“ Und du die Ausrüstung, fügte sie in Gedanken hinzu.

      „Hm. Die ewige Dankbarkeit der Bursche ist dir gewiss, wenn se wegen dir in de Knast komme.“

      „Wehret den Anfängen“, beharrte Helene stur. „Außerdem bekämen die Randalierer womöglich nur eine Strafe auf Bewährung, wenn sie sich vorher noch nichts haben zuschulden kommen lassen. Und wenn die Burschen unter achtzehn Jahre sind, dann drohen ihnen bestenfalls einige Sozialstunden.“

      „Na, du musst es ja wisse. Bei dir wohnt ja auch eine gewisse Nicole Wegener, ihres Zeichens Kriminalbeamtin“, brummte Herbert.

      „Na, was ist jetzt?“ Helene stützte ihre Hände auf den Tisch. Sie fixierte ihren Lebensgefährten mit ihren großen blauen Augen und die Haut um ihre Nase kräuselte sich. Ein unverkennbares Zeichen, dass es ihr Ernst war.

      „Und, wie stellst du dir des vor?“, fragte Herbert scheinbar gleichgültig. Er schielte über seine Lesebrille hinweg. Gleichwohl spürte auch er dieses Kribbeln im Bauch, ähnlich wie damals, als er und Helene aus dem Offenbacher Polizeipräsidium entwischt waren, um diesen kriminellen Rechtsanwalt an der Flucht zu hindern.

      „Du willst tatsächlich nachts hinter einem Grabstein sitze und auf die Kerle lauern?“, erkundigte er sich nochmals.

      „Ja“, nickte Helene. „Aber mit Kameras, von wegen der visuellen Beweise.“

      „Und wie soll des funktioniern? Du weißt, dass der Friedhof drei Eingänge hat. Wir sind nur zu zweit. Die könnte da reinkomme, wo wir uns net grad unseren Allerwertesten plattsitze.“

      „Ich sag nur, mobile Erfassung, genau wie das die Polizei bei den Verkehrskontrollen macht“, tönte Helene aufgekratzt. „Du bist doch unser Technikgenie und kennst dich mit dem ganzen elektronischen Kram aus. Lass dir etwas einfallen. Bestimmt hast du was Passendes in deiner James-Bond-Agenten-Schatzkammer, oder?“

      „Schon“, grinste Herbert. „Trotzdem sind wir noch immer nur zu zweit. Es sei denn du hast en Liebhaber im Schrank versteckt?“

      „Liebhaber? Wie kommst du jetzt ausgerechnet auf so eine Idee?“ Helene schmunzelte. „Bist du etwa eifersüchtig?“

      „Und ob.“

      Helene stand auf und packte die übergebliebenen Brötchen vom Frühstück in eine Tüte. Dann ging sie um den Tisch herum und drückte Herbert einen Kuss auf den Mund. „Döspaddel.“

      „Hm, du schmeckst nach Himbeermarmelade.“ Er fuhr mit der Zunge über seine Lippen und kicherte. „Wenn uns jetzt jemand sehen könnt. Ich komm mir manchmal vor, wie en Teenager.“

      „Und das in unserem Alter. Schande über uns.“ Helene lachte.

      „Heißt es nicht, auch die Herbstsonne kann noch wärmen?“ Herbert drückte ihr ebenso einen Schmatzer auf die Backe.

      „Obwohl mir anfangs schon e bissje die Muffe ginge. Net wegen dir und schon gar net wegen den anderen Drei, dem Sepp, dem Schorsch oder der Gundel. Die war und is mir schon dreimal egal. Ehrlich gesagt ging mir die Flatter wegen Nicole. Hätt net gedacht, dass des Mädche so cool is, wie mer heut so sagt.“

      „Ja, sie ist schon ein prima Deern.“ Helene seufzte: „Deshalb habe ich auch ein richtig schlechtes Gewissen. Wir haben uns und sie ist noch immer alleine.“

      „Meinst du sie fühlt sich ausgeschlosse?“

      Helene zuckte mit den Schultern. „Wenn, dann lässt sie es sich nicht anmerken. Früher schaute sie zuerst bei mir rein; naja eigentlich war ich es, die in der Tür stand, wenn sie nach Hause kam. Jetzt ist sie immer ganz schnell in ihrer Wohnung verschwunden, wenn sie wirklich mal vor elf heimkommt.“

      „Ja, vielleicht sollte wir uns wirklich mehr um des Kind kümmern. Wir könnte mal wieder schön zusamme esse, was meinst de?“

      „Ich denke gerade an unseren gemeinsamen Urlaub in diesem tibetischen Schulungszentrum“, sagte Helene versonnen, „kurz nachdem die Morde aufgeklärt waren. Wir drei zusammen - wie eine kleine Familie.“

      „Ja.“ Herbert lächelte. „Es waren die schönsten zwei Wochen, in meinem Leben, bis dahin. Und ich hab jede Minute genossen.“

      „Das glaube ich dir auf Anhieb. Besonders, als Nicole und ich, nach unserem ersten Trainingstag, morgens in den Speisesaal schlichen ... wegen dem Muskelkater. Ich kam kaum aus meinem Bett. Nicole ging es ähnlich. Obwohl sie, schon aus beruflichen Gründen, einmal in der Woche ins Fitness Studio geht. Und du“, Helene boxte leicht auf Herberts Oberarm, „du hast nur gegrinst.“

      „Au! Ich glaub, Nicole hätt mich am liebste in de Schwitzkaste genomme, wenn se gekonnt hätt. Ihr Blick am Frühstücksbüfett war jedenfalls alles andere als freundlich. Dafür hatte sie en mächtigen Appetit. Was die sich auf den Frühstücksteller gelade hat, hätt locker für e vierköppisch Familie gereicht. Vielleicht war’s auch einfach nur Wut.“ Herbert lachte herzhaft, bei der Erinnerung. „Aber nach der Massage ging es euch doch wieder besser, oder? Und die nächsten Tage hat’s euch doch auch gefalle?“

      Helene nickte. „Gott sei Dank.“

      „Und du kannst dich jetzt wenigstens verteidige, wenn dir so ein Hallodri an die Einkaufstasche will. Ich bin ja net immer an deiner Seite.“

      „Apropos. An meiner Seite. Jetzt mal Butter bei die Fische. Ich schlage vor, dass wir die Sache so schnell wie möglich hinter uns bringen, damit unsere Lieben wieder in Frieden ruhen können.“

      „Wir sind nur zu z w e i h e i t!“, erinnerte Herbert erneut.

      „Mit der Gundel wären wir zu dritt.“

      „Das ist jetzt nicht dein Ernst? In der Nacht auf em Friedhof rumzuhocke ist schon net besonders verlockend, aber zusammen mit der Gundel ist mehr als grauslich.“

      „Ja, ich weiß, sie ist manchmal e lüt figgelinsch. Aber sag ihr das bloß nicht.“