Günther Dümler

Mords-Krach


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anders gesprochen, noch dazu wird die Aussprache oftmals von den äußeren Umständen nachhaltig beeinflusst. So drückt sich auch ein passionierter Dialektsprecher gelegentlich verständlicher aus, wenn er es mit vermeintlich gebildeten Menschen oder Personen zu tun hat, bei denen er nur geringe Kenntnisse seines eigenen Idioms voraussetzt. Bei Peter Kleinlein kann man das gut beobachten, wenn er mit „Norddeutschen“ oder mit Bürgern ausländischer Herkunft spricht. Bei Simon Bräunlein hängt die Tiefe seiner Dialektsprache oftmals vom Grad seiner Erregung ab, je ärgerlicher er ist, umso fränkischer wird er und umso weniger legt er Wert auf Verständlichkeit.

      Wie man sehr schnell erkennen kann ist das Fränkische eine sehr weiche Sprache. Damit entspricht sie ganz der Seele der Einheimischen, die sich oft durch einen schier undurchdringlichen Mantel auszeichnet, der aber nur dazu dient, einen unendlich gutmütigen, samtweichen Kern zu schützen. Ein K kommt als G daher, man unterscheidet zwischen einem harten und einem weichen B, wobei das harte eigentlich ein P wäre. Ebenso hält er es mit den Buchstaben T und D. Den Namen Theodor schreibt man also mit einem harddn D.

      Den „ou“-Laut im Wort Bou darf man sich übrigens sehr ähnlich dem englischen „ow“ in „I know“ vorstellen. Für viele Laute gibt es gar keine tauglichen Buchstaben. Als Beispiel mögen die berühmten „3 im Weckla“ dienen. Ein echter Franke würde es wohl am ehesten als „3 im Weggler oder Weggläh“ aussprechen. Daher gibt es auch in diesem Buch keine einheitliche Schreibweise für manche Begriffe. Vieles hängt eben auch von dem jeweiligen Sprecher ab.

      Mehr zur Aussprache muss man eigentlich nicht wissen, denn die Rödnbacher gehören allesamt zu der überwiegenden Gruppe der Franken, die beim Balanceakt zwischen dem urwüchsigen Dialekt und dem Hochdeutschen einen Mittelweg bevorzugen. Sie sprechen also mehr oder weniger ein fernsehtaugliches Fränkisch, vergleichbar mit dem Ohnsorg-Platt, dem Millowitsch-Köllsch und dem Komödienstadl-Bayrisch. Es bleibt ihnen schon gar nichts anderes übrig, wenn sie von Außenstehenden verstanden werden wollen.

Peter Kleinlein Rödnbacher, Hobbydetektiv und Dekorateur
Marga Kleinlein seine Ehefrau, ein wahrer Engel, nicht nur an Weihnachten
Simon Bräunlein Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst
Gisela Bräunlein Seine Ehefrau, das Gehirn des Familienbetriebes
Patrick Bräunlein Sohn der beiden, Lehrling
Lothar Schwarm Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung
Maria Leimer Besitzerin eines Kosmetik- und Nagelstudios und Lebensgefährtin von Lothar
Willibald Stiegler Dorfpfarrer, gutmütig, aber nicht dumm
Erwin Schindler Kriminalhauptkommissar
Heinz Havranek Kriminalobermeister
Thomas Heyder Zahnarzt, jähzornig und uneinsichtig
Sigrun Heyder Seine Frau
Jan Heyder Der vermisste Sohn der beiden
Ella Schwarzer Nachbarin der Familie Heyder und gute Beobachterin
Sabra al-RahmaniSabra=die glückliche, Freundin von Jan und Tochter von Yusuf und Marjam
Yusuf und Marjam al-Rahmani Eltern von Sabra, syrisch-christliches Flüchtlingspaar
Barbara Reinwald Gemeindereferentin
Helfried Sommer Waldläufer, das grüne Gewissen von Röthenbach
Hildegard Sommer Schwägerin und Erzfeindin von Helfried
Felix Wittmann Freund von Jan Heyder
Erna Wittmann Beistzerin eines Tante-Emma-Ladens und Oma von Felix
Gottfried Seidl Redakteur der Kirchenzeitung
Markus „Marek“ Powolny „Geschäftsmann“ aus Eger
Gerhard Popp Ein einsamer Wolf

      Reiss ab vom Himmel Tor und Tür,

      reiss ab, wo Schloss und Riegel für!

      (aus ‚Oh Heiland reiß die Himmel auf!“)

      Eigentlich hätte er sich keine ungünstigere Jahreszeit für sein Vorhaben aussuchen können. Bald würde draußen Schnee liegen, es war kalt, zwar noch nicht so sehr wie zur selben Zeit in den letzten Jahren, aber ohne einen warmen Wintermantel und feste Stiefel würde er erbärmlich frieren. Es würde nicht einfach werden. Natürlich nicht. Das hatte er auch nicht erwartet.

      Aber einfach war es für ihn schon seit fast drei Jahren nicht mehr, seit man ihn hierher gebracht und ihn von der Außenwelt abgetrennt, auf wenigen Quadratmetern wie ein gefährliches Tier in einem Zwinger hielt, sorgsam abgeschottet von jeglicher Form der Freiheit. Er bekam zu Essen und zu Trinken, hatte sogar einen kleinen Fernsehapparat für die schwierigen Momente, in denen die Einsamkeit zu groß wurde, aber er hatte keine Möglichkeit, seinen Neigungen nachzugehen, die Natur zu genießen, mit Freunden einen unterhaltsamen Abend zu verbringen, nichts von alledem, was sein Leben einst so lebenswert gemacht hatte. Einst! Es war gerade mal ein paar Jahre her und fühlte sich doch wie eine Ewigkeit an. Er war gänzlich in der Hand einer fremden Macht, die jeden seiner Schritte bestimmen konnte, von deren Wohlwollen selbst die winzigste Verbesserung seines Daseins abhing. Er war auf der Stufe des einsamen Wolfs im Nürnberger Tiergarten angelangt, den er einst fasziniert und betroffen zugleich beobachtet hatte, wie der schier endlos in seinem Käfig von links nach rechts und wieder zurück schnürte, immer auf dem gleichen schmalen, ausgetretenen Pfad, vorbei an den gaffenden Besuchern, den Blick gebrochen nach unten gerichtet, stundenlang. Immer die gleiche Schleife, eine flache Acht nach der anderen. Seiner wahren Natur beraubt. So wie er in diesem Augenblick.

      Er musste hier raus. Musste wieder freie Luft atmen, seinen Tagesablauf selbst bestimmen, ins Leben zurückkehren. Er hatte sich einen perfekten Plan zurechtgelegt. In zahllosen langen Nächten durchkalkuliert, bis ins kleineste Detail durchdacht, alle Unwägbarkeiten durchgespielt und sich für jede mögliche Überraschung die geeignete Reaktion eingeprägt, unverrückbar eingebrannt. Es würde funktionieren. Es musste! Er musste nur noch etwas warten können bis die Umstände seinem Vorhaben entgegen kamen. Geduld! Eine Eigenschaft, die noch nie zu seinen Stärken gehört hatte. Aber er konnte es sich nicht aussuchen, er musste die Gelegenheit nutzen, wenn sie sich ihm bot. Bis dahin hieß es, aufmerksam sein und warten, auf die Chance lauern.

      Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen,

      wie glänzt er festlich lieb und mild

      (Deutsches Weihnachtslied, 1871)

      Die Sonne scheint mild, viel zu mild für Mitte November. Nur wenige winzige Wölkchen störten den Eindruck eines sonst makellos blauen Himmels. Die Temperaturen sind für die Jahreszeit viel zu