Tonda Knorr

Totenwache


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      Tonda Knorr

      Totenwache

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1

       Kapitel 2 - Ein Jahr später

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18 - Drei Monate später

       Kapitel 19

       Impressum neobooks

      Kapitel 1

      Dumpfe Basstöne dröhnen zu nachtschlafender Zeit durch die Dunkelheit. Die Straße ist eine der zahlreichen unscheinbaren Nebenstraßen, abseits der schillernden Berliner Flaniermeilen. Kreuz und quer parken die Autos, rechts und links der Straße, und man hat das Gefühl, die Straßenverkehrsordnung wurde hier außer Kraft gesetzt. Die Gegend gehört nicht zu den Vorzeigeadressen Berlins. Arbeitslosigkeit, soziale Armut und Verbrechen sind hier an der Tagesordnung. Das Iron Fist, eine abgehalfterte Diskothek, sollte schon längst geschlossen werden, aber ein aufs andere Mal haben es windige Anwälte geschafft, die Schließung zu verhindern oder aufzuschieben. Eingaben von Anwohnern, besorgten Eltern oder die Beanstandungen der zuständigen Ordnungsämter, nichts hat ausgereicht, um diesen Ort zu resozialisieren. Das Iron Fist ist Treffpunkt von Zuhältern, Nutten, Verbrechern, Geldschiebern, Drogendealern und Rockern. All die Leute, denen man nachts nicht auf der Straße begegnen will. Nichtsdestotrotz ist der Laden Woche für Woche gerammelt voll. Prostituierte und Drogenabhängige jeden Alters geben sich hier die versiffte Klinke in die Hand. Die tägliche Präsenz der Polizei, ob in zivil oder in Uniform, wird ignoriert, ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Stadtverordnete, die sich das Problem vor Ort anschauen sollten, wurden hier noch nie gesehen. Heute sollte sich daran etwas ändern. Zumindest ein wenig.

      Es ist ein lauer Frühsommerabend. In zwei Zivilwagen warten sechs Polizisten auf den lang vorbereiteten Zugriff. Maasji Haagedorn, Kopf einer großflächig strukturierten Organisation und Drahtzieher diverser Verbrechen, will hier und heute den großen Deal abwickeln und sich dann nach Holland absetzen.

      Es ist Mai, und wir schreiben das Jahr 2005. Es soll Sarahs großer Tag werden. Sarah Fender ist Hauptkommissarin, fünfunddreißig Jahre alt, bildhübsch und seit fünfzehn Jahren im Polizeidienst. Ihre Liste von Verhaftungen und Verdiensten füllt Seiten. Seit Jahren ist sie hinter Haagedorn her. Immer wieder konnte er ihr und ihren Kollegen entwischen, aber heute schien alles zu klappen. Ein Informant konnte sich nur durch diesen Tipp einer ihn erwartenden härteren Bestrafung entziehen. Nach und nach hatte die Hauptkommissarin das Netz um Haagedorn enger gezogen, und heute sollte die ewige Jagd endlich ein Ende haben. Nachdem sie den Tipp bekommen hatte, fragte sie sich Tag für Tag, ob das eine Falle sein könnte. Für Haagedorn stand aber zu viel auf dem Spiel. Seit sich Europa immer mehr in Richtung Osten erweitert, haben Menschenhandel, Prostitution und Geldwäsche Hochkonjunktur. Auch an diesem Tag sollte eine siebenstellige Summe im Austausch gegen harte Drogen den Besitzer wechseln. Sarah schaute konzentriert die Straße entlang. Ihre Angst war unbegründet. Er war da. Haagedorn war da. Sein dunkelgrüner Hummer stand vor der Tür. Eine hässliche, schwarze Spinne zierte in Miniaturausgabe nicht nur Haagedorns linke Wange, sondern auch Fahrer- und Beifahrertür. Geschmacklos auffällig, wie Sarah fand. Das Einzige, was fehlte, war das SEK und das BKA. Sarah schienen die Diskussionen um die Zuständigkeit endlos und unsinnig. Man einigte sich auf ein gemeinsames Vorgehen, und jetzt, als es soweit war, waren weder das SEK noch das BKA zur Stelle. Sie und ihre Kollegen sollten eigentlich auch nicht da sein. Das ist Sache der Sonderkommandos, wurde ihr gesagt, aber sie ließ sich aus dem Fall nicht ausschließen, und wie man sieht, hatten sich ihre Befürchtungen bewahrheitet. Keiner war rechtzeitig hier. Immer wieder wanderte der Blick der Hauptkommissarin von ihrer Uhr auf die Eingangstür des Iron Fist. Fast zwanzig Minuten war Haagedorn jetzt schon da drin, und von den Einsatzkommandos immer noch keine Spur. Jeden Augenblick konnte er mit seinen Leuten rauskommen, einen prallgefüllten Koffer voller Geldscheine in der Hand, um dann ein für alle Male aus Deutschland zu verschwinden. Die Ware war schon drin. Es wäre genau der richtige Zeitpunkt für den Zugriff gewesen. Das Geld, die Drogen und einen der meist gesuchten Drogendealer, alles wie auf dem Silbertablett serviert. Sarah wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger. Haagedorn konnte nur durch die Vordertür rauskommen. Sie wusste, dass der Laden unter anderem geschlossen werden sollte, weil ein zweiter Ausgang fehlte. Unvorstellbar für eine Diskothek, aber diesmal kam ihr das zugute. Sie zuckte jedes Mal zusammen, wenn hinter den fetten Einlassern die Tür aufging. Und genauso erleichtert war sie, wenn stets nur eine betrunkene Nutte mit einem nicht weniger betrunkenen zwielichtigen Typen raustorkelte, um sich in einem dunklen Treppenaufgang ein paar Meter weiter einem Straßenfick hinzugeben.

      „Wann kommen die bloß? Wir können nicht mehr lange warten“, fragte Sarah ungeduldig.

      „Wir warten. Wir können da nicht mit sechs Mann reingehen. Die machen uns alle.“

      Büttner hielt sich an die Vorschriften. Genervt blickte Sarah in die teilnahmslosen Augen ihres Kollegen.

      Schon klar, dachte sie sich. Du Pfeife sitzt dir lieber den Arsch breit, als eine eigene Entscheidung zu treffen.

      Büttner und sie konnten sich nicht besonders gut leiden. Sie hatten beide gleichzeitig die Ausbildung begonnen. Er war in ihrem Alter und wurde die letzten Jahre öfter mal übergangen, als es darum ging, befördert zu werden. Er war ein Kerl wie ein Baum. Oft schon hatte Sarah sich darüber amüsiert, wie er sich mühsam hinter das Lenkrad zwängte. Auch die anderen Kollegen gehörten nicht zu ihrem Freundeskreis. Eine junge Polizistin, die nicht nur gut aussah, sondern auch noch erfolgreicher