Schlaf fiel.
Kapitel 2
Nach drei Stunden erwachte Firah und sah sich suchend nach Klaso um. Der Schlafplatz neben im war leer und da er auch nebenan keine Stimmen hörte, stand er auf und ging langsamen Schrittes zum anderen Raum hinüber. Dort angekommen sah er alle mit langen Gesichtern um den Tisch sitzen. An der Frontseite saß jemand, den er noch nicht kannte.
"Das muss Kramas sein, von dem Momag sprach", dachte er. Der Fremde sah trotz seiner sitzenden Position imposant aus. Sein schulterlanges, schwarzes Haar war zu einem Zopf zusammengebunden, seine Haut war schneeweiß und auf der linken Seite fehlte die Ohrmuschel. Er hatte einen kleinen Oberlippenbart und war schlicht gekleidet, mit einer braunen Lederhose, die ihm bis zu den Knien reichte, und einem ärmellosen Hemd mit einigen Löchern. Im selben Moment als Firah an den steinernen Tisch treten wollte, erblickte ihn der Fremde, der sich sofort erhob und auf ihm zukam.
"Du musst Firah sein?" begrüßte er ihn. "Ich bin Kramas aus Siron. Komm setz dich zu uns, wir haben dir Neuigkeiten zu berichten."
Nachdem Firah ihm die Hand gegeben hatte, setzten sie sich zu den anderen an den Tisch.
"Ich hoffe, du hast ausgeschlafen", fragte ihn Klaso. "Kramas hat uns etwas mitgeteilt, was nicht sehr erfreulich ist. Die Grauen haben vor zwei Stunden unser Versteck entdeckt, wo wir vorhin noch waren. Sie haben Grimbo, Nomis und drei andere von uns gefangen genommen. Kramas konnte ihnen gerade noch entwischen. Daraufhin haben die Grauen die Streifen nochmals verstärkt. Sie vermuten anscheinend, dass hier unten jemand eingedrungen ist und denjenigen wollen sie mit allen Mitteln fangen. In der letzten Stunde haben wir leidenschaftlich diskutiert, ob wir dir weiter helfen sollen oder nicht. Vielleicht ist es jetzt zu gefährlich um das Gold zu suchen."
"Und zu welchem Entschluss seit ihr gekommen?" unterbrach ihn Firah.
"Dazu kommen wir gleich", fuhr Klaso fort. "Aber zuerst wollen wir wissen, bist du wirklich fest entschlossen bis zum bitteren Ende, dass heißt, eventuell Gefangennahme oder Tod, zu gehen?" Firah brauchte nicht lange um zu antworten. "Ich habe nun schon so viele Bewohner unserer Nachbarländer kennen gelernt, denen von Kasmir und seinen Handlangern übel mitgespielt wurde, das ich nur noch einmal wiederholen kann, was ich vor meinem Schlaf gesagt habe. Ich möchte alles mir mögliche tun, um wieder für Friede in unseren Ländern zu sorgen. Auch wenn ich mich hier unten nicht auskenne und ihr mir nicht helfen solltet, werde ich versuchen das Gold zu finden, um den rechtmäßigen Herrscher auf den Thron zu helfen." In seinen Worten erkannte Firah sich nicht wieder. Es kam ihm fast so vor, als wenn ihm irgend jemand diese Worte in den Mund gelegt hatte, aber ganz tief in seinem Herzen, wollte er genau das tun, was er gerade von sich gegeben hatte. Gerade fragte er sich, ob es vielleicht die ominöse Stimme gewesen war, da standen alle Sechs auf und gesellten sich um Firah herum, der während seiner Worte aufgestanden war. Rifek klopfte ihm auf die Schulter.
"Ich habe dich nicht für so entschlossen gehalten", sagte er dann. "Aber ich glaube, du hast bei uns die letzten Zweifel beseitigt, die vor allem Momag und ich noch hatten. Nun lasst uns wieder hinsetzen, denn wir haben schon einen Plan gemacht, wie ihr weiter vorgehen könntet. Was nicht heißen soll, dass nur Klaso dir hilft. Auch wir werden natürlich tun was wir können."
Nachdem sie sich alle auf die kleinen Steine gesetzt hatten, holte Kramas ein Stück Leder hervor und breitete es auf den vor ihnen liegenden Stein aus. Firah lag eine Frage auf der Zunge, hielt sich aber zurück und sagte nichts.
"Da wir alle schon einmal im Gefangenenlager waren, haben wir während du schliefst eine Art Plan aufgezeichnet", erklärte Kramas. "Er zeigt, wo das Lager ist und welche Wege wir bereits kennen."
"Aber ihr sagtet vorhin, die Grauen würden mehr aufpassen als noch vor vier Stunden", wand Firah ein.
"Ja, das stimmt", erwiderte Ophra. "Sie hängen sogar wieder Fackeln in die Gänge, wo seit langer Zeit keine mehr waren. Deshalb wird es für euch auch noch schwieriger. Wir kennen zwar einige Nischen und kleine Ecken, wo man sich vor Verfolgern verstecken kann, aber eine hundertprozentige Sicherheit garantieren sie nicht."
Firah sah sich nun den Plan etwas genauer an und die anderen erklärten ihm alles, was darauf beschrieben war. Klaso kannte ihn nur zu genüge, da er von allen schon am längsten auf der Flucht war.
"Wann brechen wir auf?" fragte Firah voller Tatendrang. "Sobald ihr euch nochmals gestärkt habt, da keiner von unsweiß, wann ihr das nächste Mal die Möglichkeit habt, etwas zu essen. Wenn ihr dann losgeht, werden wir versuchen die Grauen abzulenken. Auch auf die Gefahr hin, das sie uns fassen. Sollte es euch aber dadurch gelingen das Ziel zu erreichen, hätte es sich gelohnt. So, nun esst noch ein wenig und dann beginnt mit der Mission "Hoffnung". In drei Stunden werden alle noch freien Gefährten von euch wissen und wenn möglich, euch helfen." Und nachdem Bengas das gesagt hatte, stand er auf, holte ihnen Essen und Trinken. Beide aßen sich satt und von dem Rest steckte jeder sich noch etwas in die Taschen, dann begaben sie sich in Richtung des Ausganges durch den sie gekommen waren. Die Verabschiedung fiel kurz aber herzlich aus, den Beiden wurde noch Glück bei ihrem Vorhaben gewünscht und dann kletterte Klaso in den Gang, dicht gefolgt von Firah. Hinter ihnen wurde es schnell wieder dunkel, da die Öffnung von den Zurückgebliebenen sofort wieder verschlossen wurde.
"Sie müssen den Gang vor uns auch schon mit Fackeln bestückt haben", flüsterte Klaso über die Schulter und als Firah vorsichtig an ihm vorbei schaute, sah auch er den Lichtschein vor ihnen.
"Ich hatte gehofft, sie wären hier noch nicht gewesen, doch so müssen wir gleich von Beginn an übervorsichtig sein. Nur flüstern und dann auch nur, wenn es unbedingt nötig ist." Firah stimmte zu und sie krochen weiter zum Ende des Ganges, wo Klaso den Stein entfernte. Sie lauschten und kletterten dann auf den Weg hinaus, wendeten sich nach links und gingen ihrem angestrebten Ziel entgegen. Schon bald kamen sie an eine Abzweigung und machten kurz halt.
"Ab hier werden wir noch langsamer gehen", wisperte Klaso in Firahs Richtung. "Nach ungefähr fünfhundert Yekas kommen wir beim Lager der Gefangenen heraus. Bis dahin kenne ich nur zwei Möglichkeiten, wo wir uns im Notfall verstecken können. Ich hoffe, wir treffen nicht schon vorher auf die Grauen." Sie gingen bis zur nächsten Biegung, dort hörten sie Stimmen, die sich aber weder entfernten noch auf sie zu kamen. Klaso wagte nicht zu sprechen und er zeigte nur rechts von ihnen auf die Wand. Dort erspähte Firah eine schmale Spalte und nacheinander quetschten sie sich hinein. Für einen Dritten wäre hier drinnen kein Platz gewesen, so eng war es dort. Vom Gang drang nur wenig Licht hinein und sie konnten sich nur schemenhaft erkennen.
"Wir haben unser erstes Ziel erreicht", gab Klaso leise, sehr leise von sich. "Jetzt warten wir, bis einer von den anderen die Grauen von uns ablenken. So haben wir es jedenfalls besprochen, als du geschlafen hast."
"Die riskieren alle ihr Leben für meine Sache", dachte Firah. "Ich hätte nie gedacht, hier unten solche Freunde zu finden."
"Sie machen es nicht nur für dich, sondern auch für sich und ihre Heimatländer", unterbrach ihn ein weiteres Mal die Stimme. "Sie sehen in dir ihre einzige und letzte Hoffnung, endlich wieder Frieden zu finden."
Er sinnierte noch über das eben vernommene, als er glaubte Momags Stimme zu hören. Im selben Augenblick drang von der anderen Seite eine hektische Betriebsamkeit und ein wildes Durcheinandergeschrei zu ihnen herüber. Schon bald hörten sie Schritte auf sie zukommen, die sich als die von fünf Grauen herausstellten, als sie bei ihnen vorbei liefen. Firah versuchte die Gestalten zu definieren, konnte aber nur einen Mong und einen Krop erkennen, die restlichen sah er kaum. Schnell wurde es wieder ruhiger, sie traten wieder in den Gang hinaus und schauten in beide Richtungen. Dann gingen sie weiter ihren Weg. Als sie an einem Gange vorbei kamen, vernahmen sie daraus Stimmen, sogleich beschleunigte Klaso seinen Schritt. Nach hundert Metern bogen sie rechts in einen weiteren Gang, wo alle zehn Meter eine Fackel hing. Dadurch wurde der Gang so hell erleuchtet, wie bisher noch keiner in denen sie gegangen waren. Klaso drängte zur Eile, denn plötzlich vernahmen sie von vorne und von hinten Stimmen. Sie verbargen sich hinter dem nächsten Vorsprung,