zurück nennen?“, bestimmt Ron mit einem breiten Lächeln plötzlich in die Runde hinein und lehnt sich zurück, dabei legt er seinen Arm auf die Rücklehne von Blondchen, dreht sich zu ihr, grinst auch sie an und seine Zunge wandert über seine Lippen.
Mein Herz rast, mein Becken bebt und meine Aufregung steigt völlig unkontrolliert hoch. „Wäre das möglich Mrs Miller, hätten Sie da Zahlen?“, hilft mir Zlatko ins Gespräch. Ich halte kurz inne, dann nehme ich eine aufrechte Sitzposition ein und beginne: „Nun selbstverständlich kann ich das.“ Ich lächle in die Runde, dabei lege ich meine Beine umhüllt von engen schwarzen Jeans elegant übereinander und spiele mit meinen violetten Stilettos, von Buffalo, indem ich hin und her wippe. Nicht zu übersehen, denke ich mir und besinne mich auf die Einschulung unseres Technikers Peter, der mir vor geraumer Zeit jedes kleinste Detail bereitwillig solange erklärte, bis ich es tatsächlich verstanden habe.
Gekonnt schildere ich jetzt gestückt mit technischen Feinheiten den Ablauf. An Hand der Unterlagen, die jeder der Teilnehmer vor sich hat, erläutere ich noch Quotienten und anschließend technische Analysen, wende mich zuletzt an Ron mit meinem bezauberndsten Lächeln, das ich für solche Fälle fleißig heimlich vor meinem Bürospiegel geübt habe und trällere: „Wenn Sie das eine oder andere jetzt so nicht gleich verstanden haben, dann können wir das gerne zu einem anderen Zeitpunkt in kleiner Runde tiefgreifend erörtern, Ron.“ So, das hab ich mir nicht nehmen lassen, die übrigen Herren starren ein wenig verlegen über den Tisch.
Schmunzeln macht sich in der Runde breit. Ja, das ist mir gelungen, ich bin zufrieden. Sergej applaudiert neben mir und fällt ein: „Mrs Miller, alle Achtung, das war ausgezeichnet. Das Verfahren ist genial, das habe ich verstanden! Ich schätze du auch, Ron? Die Dame an meiner Seite ist nicht zu unterschätzen, nicht wahr, Ron?“ Er scheint als einziger wirklich mitbekommen zu haben, was hier eigentlich gespielt wird.
Ron sieht herüber und sein Blick fällt tief in mich hinein, seine Zunge streift wieder über seine Lippen und ich starre ihn bewusst an. Er soll den Blick zuerst abbrechen lassen. Das tut er nicht, er richtet sich auf stützt seine beiden Ellenbogen vor sich auf den Tisch, lässt seinen Kopf auf seinen verschränkten Händen ruhen und spricht ganz ruhig, „Mrs Miller, eine letzte Frage habe ich noch, Sommers-Hall errechnet einen WACC von 7,9, ist das nicht unrealistisch?“ Ron gefällt mir wieder. Ich kenne meine Unterlagen, ich weiß, wovon er spricht und wir sind in der tiefsten Gaswirtschaft und der Wirtschaftlichkeit eines Projektes. „Das ist eine Annahme basierend auf Wirtschaftsfaktoren die mit Jänner diesen Jahres erhoben wurden, diese Tabellen passen sich an Werte an, die die Wirtschaft vorgibt. Ob hier Ihre Bezeichnung unrealistisch angebracht ist, müssen wir alle hier im Raum fragen, denn wie realistisch sind Wirtschaftsfaktoren?“ Ich wende nun meine Augen bewusst nicht von Ron ab und spiele mit meinen Stilettos: Kreise zeichnen. Blondchen, Nicole, macht sich jetzt wichtig und fragt mit piepsiger Stimme: „Brauchst du die Wirtschaftsfaktoren auch Ron?“ Kurzes zurückhaltendes Gelächter trifft nun ins Schwarze. Ron senkt seinen Blick und greift mit beiden Händen in seine ergrauten Wellen, dann taucht er darunter hervor und schenkt mir ein Lächeln. Das Spiel ging eindeutig an mich.
Jetzt triumphiere ich. Sergej lehnt sich zu mir und flüstert mir ein Kompliment ins Ohr, das ich nicht einmal registriere, ich genieße viel mehr, dass Ron das mitbekommt und es ihm überhaupt nicht passt, was hier herüben bei mir abgeht.
Beim Mittagessen mit Sergej erfahre ich vieles über Ron. Glaubt man den Geschichten von Sergej, so ist Ron ein kaltblütiges, kläffendes, frauenvernichtendes Ungetüm ohne jeden Skrupel. Es scheint fast so, dass Ron für jedes Projekt, das er kennenlernen will, eine neue Assistentin bemüht. Demnach folgere ich: Für Sommers-Hall scheint das also Nicole zu sein. Wonach er wohl seine Assistentinnen aussucht? Grüble ich kurz darauf, während mir Sergej weiter tiefen Einblick in diese ferne Welt gibt. „Heute hat Ron eine herbe Enttäuschung einstecken müssen“, drückt sich Sergej für seine Verhältnisse sehr eloquent aus. „Sein Mädchen, Nicole, hat ihm die Show ruiniert. Aber einen Busen hat die.“ Nach diesem sprachlichen Lichtblick hat sich Sergej treffend in seinem Stil deplatziert. In Gedanken frage ich mich, ob hinter Nicole nicht doch mehr steckt, als es für mich nach außen den Anschein macht.
Der Nachmittag bringt Langeweile, denn es geht mehr um politischen Kram den Osten betreffend, ich flüchte mich vorzeitig in mein Hotelzimmer, um eine Stunde auch mal nur für mich zu haben, das brauche ich.
Ein Telefonat mit meinen Kindern erfrischt mich. Die Testergebnisse in der Schule stimmen mich zufrieden, immerhin habe ich fleißig mit beiden gelernt. Ich bin stolz auf meine Jungs und nachdem ich jetzt weiß, dass es ihnen gut geht, nehme ich die Gelegenheit wahr!
Es bleibt mir noch Zeit die hausinterne Wellnessanlage zu testen, ein Saunagang wäre jetzt das Ideale für mich…
„Mmmmh…“, gebe ich von mir, es ist herrlich, 85Grad genau richtig für mich. Alleine, einfach nur ich, perfekt. Meine Gedanken streifen durch den Dunst gepaart mit einem Aromastoff, der in mir Erinnerungen an die Südsee weckt.
Lange ist es her, ich war frisch verliebt – nein, ehrlich gesagt voll verknallt – in John, er war mein Hero. Er war anders als alle anderen Männer, die ich kannte. Er war aufregend, geheimnisvoll und so athletisch mit seinem Wassersportfanatismus. Ich war damals viel zu jung, doch den musste ich haben…
Es ist heiß und grinsend hebe ich mein Gesicht, lass meinen Kopf dann im Nacken verweilen und träume weiter.
John ist Windsurfer und fährt Motorboot, auch heute noch. Damals wollte ich das auch alles können, an seiner Seite mit eben anders sein. Im Sturm haben wir uns erobert, uns gezähmt. Gemeinsam haben wir viel erlebt, viel hab ich von ihm gelernt. So wie er später von mir.
Mit meinem Handtuch tupfe ich mir die Stirn ab und schwelge weiter: Mein Leben war nie ein ruhiger, langer Fluss, immer habe ich eine Stromschnelle nach der anderen förmlich angezogen und letztlich genommen. Manchmal war es hart, oft war es härter. Dennoch habe ich mich entwickelt, bin zu einer Frau geworden, die ich immer sein wollte.
Und heute ist dieser einzigartige Reiz, den John in mir immer wieder auslöste, verschwommen, einfach verdeckt. Beide haben wir unsere Lust am Anderssein und am Sport nicht verloren, nur der Reiz am Gemeinsamen scheint mir ein wenig abhanden gekommen? John ist immer noch verdammt gut gebaut – ein Lächeln kann ich mir nicht verkneifen. Er ist der Vater meiner Kinder, das wird er immer sein. Gewiss liebe ich ihn und werde ihn immer lieben.
Seitdem jedoch feststeht, dass er die Anstellung im Labor wieder verlieren wird, ist es in mir mehr als je zuvor unruhig geworden. Mit der Schließung des Labors aus wirtschaftlichen Gründen, wie es so schön heißt, wird John so schnell nicht wieder Arbeit finden, das haben wir in den letzten Monaten im Bewerbungsmarathon erlebt. So wie früher, als John jahrelang keinen geeigneten Posten fand, werde ich alleine für das familiäre Einkommen verantwortlich sein.
Gerade damit oder dadurch ist mir meine Unzufriedenheit erst wirklich bewusst geworden. Grübelnd über unser Tief streife ich mir wieder mit meinem Handtuch über das Gesicht. Oder ist es mein Tief?
Angie, womit bist du unzufrieden? Mit meiner Ehe? Mit meiner Beziehung zu John? Mit mir? Fragen, mir kommen nur Fragen, aber es gesellt sich keine einzige Antwort dazu. Mir ist zu heiß, ich ergebe mich und verlasse die Sauna.
„Grrrrrrrrr…“, ich lösche meine Fragen mit eiskaltem Wasser, zuerst die Beine, dann meinen Oberkörper. Es prickelt. Meine Brüste werden straff und ich wage es und tauche mit dem Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Ein Gefühl von eiskalter Erregung und Entzücken. Einfach nur ich. Vielleicht ein kleiner Nebensatz in einer der Antworten? Komme ich manchmal zu kurz?
In meiner Sorge um die Kinder vergesse ich auf mich? Ist es das? Es sollte John an nichts fehlen, im Büro will ich immer, dass alles passt und jeder soll zufrieden sein – und ich? Bin ich zufrieden? Zufrieden wie es mir geht? Doch es kommt keine Antwort – wieder nur eine Frage nach der anderen!
Frisch geduscht und eingeölt – duftend nach Rosen – begebe ich mich zurück in mein Zimmer, um mich für den heutigen Abend in Schale zu werfen. Ich will umwerfend aussehen, Blondchen mag knackig sein und Busen haben, hat sie auch Scharm wie