Peter Urban

Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe


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die französischen Tempelritter, gegen Jacques de Molay und Godefroi de Charnay dauerte sieben endlos lange Jahre und dabei wurden unter der Folter ganz merkwürdige Geständnisse zutage gefördert und noch seltsamere Beschuldigungen erhoben. Man warf ihnen vor, sie hätten einen Teufel namens Baphomet verehrt, Kinder gemordet, Frauen zur Abtreibung gezwungen und untereinander geschlechtliche Beziehungen wider die Natur unterhalten. Im Jahre 1312 wurde der Orden vom Papst aufgelöst, ohne dass je auf seine Schuld oder Unschuld erkannt worden war und im März 1314 wurde schließlich auf der Ile aux Juifs zu Paris der Scheiterhaufen für den ehemaligen Großmeister des Ordens und den ehemaligen Großpräzeptor der Normandie entzündet.

      Mit dem Tod von Jacques de Molay und Godefroi de Charnay traten die Ritter im weißen Mantel mit dem Tatzenkreuz endgültig von der Bühne der Geschichte ab, während der andere Orden –Santiago- endlich die ihnen sieben Jahre zuvor anvertraute Truhe mit den Schriftrollen und Manuskripten aus dem Tempel von Paris öffnete.

      Was Arnoldo de Villanova und die damaligen Mitglieder der geheimen Bruderschaft fanden, erschütterte sie alle zutiefst: Jacques de Molay hatte in seinem Testament ausführlich die Gründe für den Untergang seines Ordens beschrieben – Opfer des besessenen Eifers eines verblendeten und wahnsinnigen Königs, dem sie nicht nur unglaubliche Geldsummen geliehen hatten, sondern dem sie einmal, in einer Stunde der Not in ihrem Pariser Ordenshaus auch unvorsichtig Zuflucht vor einem aufständischen Pariser Mob gewährt hatten; Opfer ihrer eigenen Überheblichkeit und Ungebärdigkeit, Opfer ihres unglaublichen Reichtums und ihrer grenzenlosen Macht, die weder vor Königen, noch vor Päpsten haltmachte und vor allem...Opfer eines unglaublichen Fundes, den neun Ritter unter den sogenannten ‚Ställen Salomons’ auf dem Tempelberg von Jerusalem gemacht hatten, weil Fulko von Anjou, Graf der Champagne und Vater von Geoffroi Plantagenet im Jahre 1104 eine Reise ins Heilige Land unternahm und von dieser seinen Verwandten André de Montbard, Hugues de Payns und Bernard de Clairvaux ausführlich berichtete.

      Als die Ordensherren von Santiago die uralte Schriftrolle öffneten, gefror ihnen beinahe das Blut in den Adern.

      „Marantha. Fluch, über jeden, der diese Schrift aufschlägt und der nicht ein aus dem Stamme Judah ist. Fluch jedem, der nicht Priester oder Gelehrter und der diese Schrift in Händen hält. Er soll vernichtet und ausgelöscht werden. So wie Korah, Dathan und Airam soll er vernichtet werden oder im Feuer verbrennen. Ich bin Abraham Eleazar der Jude, ein Fürst, Priester und Leviter, Astrologe und Philosoph. Ich entstamme dem ältesten Geschlecht, denn meine Wurzeln gehen zurück auf Abraham, auf Isaac und auf Jakob. Meine Brüder, die ihr durch den Zorn des Großen Gottes in alle Winde zerstreut leben müsst, in Unterdrückung und Sklaverei: Ich wünsche Euch im Namen des Messias, der bald kommen wird und im Namen des großen Propheten Elias, der all seine Brüder auf diese Ankunft vorbereitet hat Erfolg und Glück. Deni, Adonai, Bocitto, Ochysche 60 F. Darum erwartet geduldig das Kommen des Helden. Ich bin Abraham Eleazar und dies ist die größte und höchste der uralten Weisheiten, die unser Stammvater Abraham einst in der babylonischen Gefangenschaft als ein Schüler des wahren Meisters, des Dreifach Großen, des Unsterblichen unter den Menschen - Thoth – gelernt hat. Dies ist die erste und größte Weisheit, nämlich die Weisheit von der Erschaffung des Steines in dem sich das Leben und der Tod zur Unsterblichkeit verbinden...und in diesem Stein liegt nicht nur das größte Geheimnis der Welt des Göttlichen, sondern auch unermesslicher Reichtum und grenzenlose Macht. Mit diesem Stein werdet ihr den Messias unsterblich, reich und mächtig machen, so wie einst Samuel der Weise den David in höchster Not unsterblich machte, damit er den Stamm Judah einen und retten konnte, um ihn aus Unterdrückung und Sklaverei zu höchster Macht zu führen. Dies ist das Gebot des Stammvaters Abraham, den Thoth lehrte, was einst Noah seinen Sohn Ham lehrte und Ham seinen Sohn Mizraim und Mizraim seinen Sohn Naphtuhim und dieser wieder lehrte seinen Sohn Ahmar,der Kom lehrte, der mit Serket, der Tochter des silbernen Mondlichts den Thoth selbst zeugte.“

      Sie entzifferte langsam die klare, präzise Handschrift in aramäischer Sprache.....dann fanden sie den kleinen, silbernen Zylinder, in dem sich in tausend winzige, perlweiß glänzende Splitter zerschlagen der Lapis befand, den offensichtlich der erste Großmeister des Ordens zusammen mit seinem Neffen Bernard de Clairvaux geschaffen hatte.

      Doch die Abschrift und Übersetzung der uralten Schriftrolle in die lateinische Sprache, die Bernard der Einfachheit halber für seine drei Vettern angefertigt hatte und die von Jacques de Molay in seinem schrecklichen Testament so detailliert beschrieben worden war, war verschwunden...genauso, wie der junge Tempelritter, der sich sieben Jahre zuvor König Diniz von Portugal und Arnoldo de Villanova anvertraut hatte.

      Dies waren nun die Nachfolger der Nachfolger jener geheimnisvollen Ordensherren, die hinter den unbezwingbaren Mauern ihrer Festung von Roncal die Truhe von Jacques de Molay geöffnet hatten und die der Herzog Ambrosius Arzhur de Cornouailles zusammenrief, um über den Diebstahl von Saint Jacques de la Boucherie und seine Folgen zu beratschlagen.

      Während Sidonius langsam anfing zu begreifen, was für ein sonderbares Zauberbuch der gütige und unscheinbare Meister Flamel wirklich mit in sein Grab genommen hatte, lebte er weiter in seinem schönen Gästezimmer des Palas und genoss den Zugang zur Sammlung alter Handschriften seines Herren Ambrosius Arzhur. Er speiste mit dem Herzog, Maeliennyd, den Drouiz und Guy de Chaulliac an der herzoglichen Tafel und nachdem sie ihre anfängliche Scheu und Zurückhaltung überwunden hatten, setzten die Weisen des Hofes von Concarneau sich sogar oft mit ihm zusammen und diskutierten. Natürlich war seine kleine Wissenschaft, die er sich in drei kurzen Jahren bei den Benediktinern und am Collegium Sorbonianum angeeignet hatte nichts im Vergleich zu ihrer Gelehrsamkeit, doch sie kannten alle die Geschichte, wie Marzhin, St.Columba die Hand gereicht und Sidonius’ Orden einen Platz in Cornouailles und in Breizh angeboten hatte. Sie erkannten schnell, dass der junge Mann unter seiner schwarzen Kutte immer noch Szenec, der Sohn von Meister Juizig dem Fischer war und Ambrosius Arzhur ohne je zu wanken und über die Grenzen der Religion hinweg die Treue hielt.

      Manchmal tauschte der Benediktiner sein Ordensgewand gegen praktischere Kleidung und ritt mit der Herzogin und ihren Damen auf die Falkenjagd. Maeliennyd Glyn Dwyr war ihm gewogen, seit Sévran seinen Vater am Morgen nach der Vision von Azincourt gebeten hatte, den jungen Szenec und dessen Mutter seinem persönlichen Schutz zu unterstellen. Sie erinnerte sich gerne daran zurück, wie eng ihr Jüngster und der Sohn des Fischers befreundet gewesen waren und natürlich auch an die unbefangenen Spiele der Kinder, die sie oft heimlich und amüsiert beobachtet hatte.

      Während Ambrosius Arzhur seinen Hof für den Winter von Concarneau nach Rusquec und in den Uhel Koad verlegte, waren endlich die gelehrtesten Mitglieder des Ordens von Santiago eingetroffen, oder hatten zumindest einen designierten Stellvertreter mit Handlungsvollmacht geschickt. Sidonius war tief beeindruckt, als man ihm diese außergewöhnliche Gruppe vorstellte, die über das höchste Wissen der Welt wachte. Anstelle des jungen Herzogs von Mailand, Philipo Maria Visconti war seine Schwester Valentina gekommen, die Gemahlin des ermordeten Herzogs von Orleans und eine außergewöhnlich gelehrte Frau, für die weder die Magie, noch die Wissenschaften der Natur Geheimnisse bargen. Den Herrscher von Savoyen vertrat eine andere erstaunliche Frau; Christine de Pisan, die Schriftstellerin und Astronomin. Sie lebte und arbeitete zwar schon seit vielen Jahren in Paris, weil ihr Vater seinerzeit als Astronom an den Hof von König Charles V. von Frankreich berufen worden war, doch sie hatte ihre italienischen Wurzeln nie vergessen. Yolande d’Aragón, die künftige Schwiegermutter des Dauphin Charles de Ponthieu, war selbst die kurze Strecke aus Angers an den Ufern der Loire nach Rusquec in Cornouailles gereist. Auch Professor Pawel W?odkowic, der hochgelehrte Rektor der Universität von Krakau, der auf dem Konzil von Konstanz im Jahr 1415 vehement die Interessen Polens gegen die Ritter des Deutschen Ordens verteidigt und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen verlangt hatte, hatte trotz seines fortgeschrittenen Alters den langen Weg aus dem Osten auf sich genommen. Er war gemeinsam mit dem geheimnisvollen Christian Rosenkreutz und Johannes Nyder, einem schweigsamen, finster wirkenden Dominikaner eingetroffen.

      Der weiteste und gefährlichste Weg war jedoch von einem Mann zurückgelegt worden, dessen Gesicht deutlich die Zeichen des Islams trugen; Yussef Aben Zeragh, Prinz der Benij Serai. Er kam aus Cordoba im maurischen Teil Spaniens - Al Andalus - und er hatte alleine reiten müssen, um die Aufmerksamkeit seiner christlichen, spanischen