Kai Kistenbruegger

Die Akte Plato


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Foto zeigte ein flaches, steingraues Gerät, in das eine flache, schwarz glänzende Fläche eingelassen war; vermutlich handelte es sich dabei um einen Bildschirm. Allerdings waren nirgends Knöpfe oder eine Tastatur zu erkennen. „Ich finde, das Gerät sieht eher wie ein Fernseher aus.“ Er überlegte. Langsam dämmerte es ihm, worauf Black hinauswollte. „Aber wenn es tatsächlich ein Computer sein sollte, wie Sie sagen, sollte es eine Festplatte besitzen. Ein Datenträger zur Speicherung von Informationen, die sich theoretisch auslesen lassen müssten!“

      „Richtig!“ Black wirkte zufrieden, dass Jan von selbst auf die Idee gekommen war. „Wir konnten tatsächlich einen Teil des Gerätes als Speichervorrichtung identifizieren. Sie ist sogar ähnlich strukturiert wie unsere Laufwerke und speichert wie unsere Festplatten Daten in einem Binärsystem.“

      Susanna mischte sich ein. Ihr Lächeln verriet, wie oft sie unter solchen Diskussionen bereits hatte leiden müssen. „Ich bin mir nicht sicher, aber wenn Professor Seibling so viel von Computern versteht wie ich, sollten Sie das vielleicht näher erklären.“

      Sie zwinkerte Jan zu. Jan bedachte sie im Gegenzug mit einem dankbaren Blick. Im Moment fühlte er sich ohnehin von allen Seiten überrannt und wollte nicht auch noch mit seinem Unwissen im Bereich der Informationstechnologie glänzen. Tatsächlich hegte er eher feindselige Gefühle gegenüber Computern, denn er verstand weder, wie sie funktionierten, noch taten sie in den in der Regel die Dinge, die er von ihnen erwartete.

      Black nickte und malte demonstrativ eine 0 und eine 1 auf das Blatt Papier vor ihm, als beabsichtigte er, für Jan mit rudimentärem Grundschulwissen anzufangen. „Wie Sie sicherlich wissen, rechnen unsere Computer binär. Alle Informationen werden in Zeichenfolgen von Nullen und Einsen verarbeitet und abgespeichert. Sie tippen zum Beispiel ein ‚A’ in ihre Tastatur ein und der Computer interpretiert den Tastendruck in der Form einer Zahlenfolge von acht Einsen und Nullen. Warum ein Zeichen genau acht Stellen hat, dazu komme ich noch. Jedenfalls rechnen nicht nur unsere Computer binär, vielmehr ist das Binärsystem in unserem Universum universell und ebenfalls fundamentaler Bestandteil unseres Lebens.“

      „An und Aus, zwei Hände, zwei Füße, wahr und falsch. Der Mensch wird ständig mit binären Situationen konfrontiert“, fügte Morden hinzu.

      „So weit die Theorie“, erläuterte Black, „Jeder, der sich mit Informationen und der Frage beschäftigt, wie diese Informationen weitergegeben werden können, wird zwangsläufig auf die Mathematik und damit auf das Binärsystem zurückgreifen. Die Mathematik ist die elementarste Sprache überhaupt. Sie erklärt mit den Mitteln der Logik die Grundregeln der Welt auf einfachste Art und Weise.“

      „Pioneer 10, eine der wenigen irdischen Sonden, die unser Sonnensystem verlassen haben, trägt eine Plakette, auf der die Menschheit sich verewigt hat, falls die Sonde eines fernen Tages auf intelligentes Leben stoßen sollte. Und auf dieser Plakette sind einige Informationen binär kodiert“, unterbrach Morden. „Sie sehen also, die binäre Sprache ist eine universelle Sprache der Kommunikation.“

      Black nickte. „Allerdings hilft uns dieses Wissen bei unserem Problem nicht weiter. Wir haben ein Speichermedium, auf dem in endlosen Folgen Einsen und Nullen gespeichert sind. Wir wissen allerdings nicht, wo wir die Grenzen ziehen sollen, um aus den verteilten Zeichen Informationen zu extrahieren. Bei unseren heutigen Computern wurde relativ willkürlich die Zahl Acht als Grenze gesetzt, wie ich vorhin bereits erwähnt habe. Eine Folge von acht Nullen und Einsen entspricht einem Zeichen in unserem Alphabet, entsprechend einer Übersetzungstabelle, die jedem Computer dieser Welt bekannt ist. Leider können wir nicht nachvollziehen, ob die Konstrukteure dieses Gerätes die Grenze ähnlich gesetzt haben.“ Er deutete mit seinem Zeigefinger auf das Bild vor Jan.

      „Hinzu kommt, dass wir das Alphabet dahinter nicht kennen. Wäre das Alphabet bekannt, könnten wir nach Mustern suchen. In unserem Alphabet ist das ‚E’ zum Beispiel der Buchstabe, der am häufigsten auftritt. Bei einer unbekannten Schrift, die einen deutschen oder englischen Text verschlüsselt, können wir zum Beispiel nach mehrfach auftretenden Mustern suchen, um auf die Zeichenfolge zu schließen, die das ‚E’ repräsentiert.“

      „Heutige Algorithmen zur Codierung und Decodierung von Texten arbeiten auf ähnliche Art und Weise“, ergänzte Patterson. „Falls bekannt ist, mit welchem Thema sich die verschlüsselte Nachricht beschäftigt, können unsere Computer nach verschlüsselten Stichwörtern suchen, wie zum Beispiel nach Orten oder Personen, und auf dieser Basis Schritt für Schritt eine Übersetzungstabelle anfertigen.“

      „Ohne dieses Wissen fehlt uns allerdings die Grundlage, die Festplatte zu entschlüsseln“, Black schüttelte den Kopf. „Wir kennen weder die Übersetzungstabelle, noch das Alphabet, das sich hinter den Zeichenkolonnen auf der Festplatte verbirgt. Alles, was wir tun können, ist raten. Allerdings waren wir bislang nicht sonderlich erfolgreich.“ Er lächelte schwach in dem Versuch, seine Enttäuschung herunterzuspielen.

      „Aber das Gerät selbst müsste die Festplatte doch auslesen können“, mutmaßte Jan. „Schließlich können auch unsere Notebooks die Daten auf ihren Festplatten lesen, ohne dass wir sie vorher mühevoll übersetzen müssten.“

      Black quittierte seine Bemerkung mit einem weiteren, anerkennenden Nicken. „Das haben wir ebenfalls versucht, allerdings ist die Zeit auf dem Mond nicht spurlos an der Technik vorüber gegangen. Zur Erinnerung, unsere letzte Schätzung geht von mindestens 8.000 Jahren aus, in denen das Gerät der Hintergrundstrahlung des Weltraums ausgesetzt war. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob die Daten tatsächlich noch intakt sind. Und selbst wenn, wir waren bisher nicht in der Lage, die Energiequelle zu rekonstruieren. Mit unseren eigenen Systemen scheint sie nicht kompatibel zu sein. Das Problem ist so simpel, stellt uns aber vor unüberwindbare Hürden: Uns fehlt die Energie, um das Gerät zum Laufen zu bringen.“

      „Unsere Bemühungen waren allerdings nicht völlig umsonst.“ Patterson fing an, ruhelos im Raum hin und her zu laufen. Sein Blick war abwesend, als spräche er lediglich mit sich selbst, gedanklich in einer Zeit, die seit Jahren Vergangenheit war. „Etwas hat uns in die Hände gespielt, was wir aus eigener Erfahrung kennen, von unseren eigenen Computern, Ende der 80er Jahre. Der Fortschritt der Computer zu dieser Zeit war rasant, ihre Leistungsfähigkeit verdoppelte sich nahezu jedes Jahr, neue Technologien wurden im Jahreszyklus auf den Markt geworfen.“

      Er stoppte seinen unruhigen Lauf und blickte Jan durchdringend an.

      „Allerdings waren der frühen Computertechnologie natürliche Grenzen gesetzt. Ein Schwachpunkt war die Röhrentechnologie der Monitore. Zeigten die Monitore zu lange das gleiche Bild, brannte es sich in die Beschichtung des Bildschirms ein. Der Bildschirm zeigte in dem Fall dauerhaft ein schwaches Negativ des zuletzt angezeigten Bildes.“

      „Aus diesem Grund wurde der Bildschirmschoner entwickelt. Es war ein einfacher Trick, diesen unerwünschten Nebeneffekt zu umgehen. Blieb ein Bildschirm zu lange unbewegt, schaltete sich der Bildschirmschoner ein. Das Bild blieb auf diese Weise in Bewegung und ein Einbrennen in die Bildschirmbeschichtung wurde vermieden“, vollendete Black.

      „Und etwas ähnliches haben Sie auch bei unserem unbekannten Gerät gefunden!“, vermutete Jan.

      „Richtig. Nachdem wir das Gerät in seine Bestandteile zerlegt hatten, entdeckten wir einen Bildabdruck, sobald der Bildschirm von hinten durchleuchtet wurde. Zwar handelt es sich nicht um Röhrentechnologie, wie bei unseren alten Monitoren, aber vermutlich war das Gerät sehr lange in Betrieb, bevor ihm der Saft ausging. Auf jeden Fall genügend Zeit, um uns das Geheimnis zu verraten, welches Bild es zuletzt dargestellt hat.“ Sichtlich angetan von der eigenen Leistung rief Patterson ein weiteres Foto auf seinem Notebook auf. „Das haben wir gefunden.“

      Das schwarz-weiße Bild war unscharf, wie ein verwackeltes Foto aus einer antiquierten Kamera. Im Grunde war es nichts anderes als ein wirres Zusammenspiel von weißen, grauen und dunklen Flecken, aber dennoch war klar zu erkennen, was es zeigte. Eine Art Landkarte. Jan atmete tief ein. „Ein Landkarte!“, rief er aus. „Wo ist das?“

      „Die iberische Halbinsel,“ bestätigte Black. „Der Küstenverlauf entspricht in etwa dem Meeresspiegel, den wir nach heutigem Wissensstand vor etwa 10.000 bis 12.000 Jahren