Anne Robert

Vervögelt


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ihr an, ihre Schwester in Sydney zu besuchen und für einen längeren Urlaub in Deutschland abzuholen. Kirstin, das ist ihre Schwester, konnte unmöglich allein mit einem Neugeborenen und einem Kleinkind die lange Strecke von Australien bis Deutschland fliegen. Zumindest dachten das Almas Eltern und so entstand der Plan. Sie ermöglichten Alma den Flug und klärten mit ihr alle notwendigen Details noch bevor ich darin eingeweiht wurde.“

      Dr. L.: „Und wie fühlten Sie sich dabei?“

      Robert: „Alma fragte mich, was ich davon hielt, wenn sie nach Sydney fliegen würde, um Kirstin abzuholen. Zu diesem Zeitpunkt war aber alles schon geklärt. Ich fand es zwar eine gute Alternative zu einem Familienurlaub in Australien, aber ich fühlte mich übergangen und für dumm verkauft, vor vollendete Tatsachen gestellt.“

      Dr. L.: „Ich verstehe.“

      Robert: „Es war Almas sehnlichster Wunsch, denn Kirstin war schon vor sechs Jahre ausgewandert und erwartete den längst fälligen Besuch ihrer Schwester. Zwei Kinder später war es einfach an der Zeit, aber unsere momentane Situation erlaubte es uns nicht, in näherer Zukunft als vierköpfige Familie in einen so teuren Urlaub zu gehen. Vier Wochen weg von der Arbeit. Das bedeutet für meine Selbstständigkeit, die erst ein paar Jahre ging und sich noch nicht wirklich in dem Maße trug, wie ich es erhofft hatte, vier Wochen kein Einkommen, aber trotzdem Ausgaben. Erhebliche Ausgaben, denn vier Wochen in Australien würden für unsere Familie rund auf 12.000 Euro kommen. Darüber hatte ich mich schon informiert. Das war zu viel.“

      Dr. L.: „Konnte ihre Partnerin das verstehen?“

      Robert: „Die Situation hat sie eher akzeptiert, als verstanden. Eigentlich hat sie diese, wenn ich genau überlege, auch nicht wirklich akzeptiert. Das Thema war immer unterschwellig da, aber für mich aus eben diesen Gründen kein ernsthaftes Thema.“

      Frau Dr. L. nickte.

      Robert: „Folglich freute ich mich für Alma und schlug ihr vor, sie solle doch wenigsten drei Wochen gehen, anstatt nur hin, Kirstin einpacken und zurück. Ich fand mich sehr großzügig. Ich würde sie gehen lassen, Urlaub machen und mich um die Kinder kümmern. Damals ahnte ich nicht, dass Alma so große Probleme machen würde und wir an den Rand einer Krise geführt würden – nein, sogar mitten hinein – nur weil Alma sich in den Kopf gesetzt hatte, dass ich nicht 10 Tage lang alleine mit den Kindern zu Recht kommen würde.“

      Dr. L.: „Gab es Anlässe dafür, dass man dies annehmen könnte?“

      Robert: „Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich habe die Kinder bereits über Jahre zu gut 50% unter der Woche betreut indem ich aus dem Home Office gearbeitet habe. Zum Teil habe ich sogar an den Wochenenden mit den Kindern alleine etwas unternommen, wenn sich Alma nicht gut fühlte oder eine Pause brauchte.“

      Dr. L.: „Selbstverständlich kommt ein Vater mit seinen Kindern alleine zurecht. Ich verstehe nicht, welche Probleme ihre Partnerin dabei hatte. Vielleicht liegen da in der Vergangenheit unbearbeitete Verletzungen. Wie war denn das Verhältnis zwischen Ihrer Partnerin und deren Vater?“

      Robert: „Der Vater ist heilig. Was Papi sagt, das wird gemacht. Aber als Alma klein war, hat er Karriere gemacht und war nur selten und wenn am Wochenende zuhause. In jedem Fall schätzte ich immer seine Personalkompetenz als Chef.“

      Dr. L.: „Wie sah dann der Kompromiss aus?“

      Robert: „Kompromiss? Die Kinder mussten unbedingt zu ihren Eltern. Sie bestimmte wann, sie bestimmte wo und sie bestimmte wie lange. Sie ging und stellte Bedingungen. Sie ging sogar so weit, dass sie damit drohte, das Flugticket zu stornieren, wenn ich mich nicht ihrem Vorschlag beugen und ihre Bedingungen akzeptieren würde. So war es bereits mit ihren Eltern und ihrer Schwester abgesprochen, noch bevor ich informiert wurde.

      Wie auch immer. Alma war total perplex, dass ich ihr diesen Wunsch ermöglichen wollte. Und trotzdem vollführte sie ein Theater voller schräger Vorstellungen, für deren Verständnis ein Leben nicht ausreicht. Mindestens sechs Wochen bevor Alma ging, begann der Kampf und endete erst mit ihrem Abflug.“

      Dr. L.: „Gehen Sie davon aus, dass es für Ihre Partnerin auch nicht leicht war. Sie hat Probleme, vielleicht mit ihrer Dominanz. Ich müsste noch mehr wissen, um hier eine umfassende Anamnese abgeben zu können.“

      Dezember

      Robert:

      „Pizzaschnitte? Alma hat auch eine Pizzaschnitte gegessen.“

      Sie war auf 180, dort am anderen Ende der Leitung.

      Ich hörte sie laut einatmen. „Ich zünde ihm den Arsch an. Der wird mich mal kennenlernen.“

      „Bitte bleib jetzt cool“, versuchte ich, Anne zu beruhigen. Ich musste meine Gedanken sortieren.

      „Das letzte, was wir jetzt brauchen können ist ein unüberlegter Schnellschuss.“

      Sie atmete tief durch.

      „Überleg‘ doch mal. Wir haben wenig, eigentlich fast nichts, in der Hand. Und wenn wir sie hochgehen lassen wollen, dann richtig, oder?“

      Noch immer keine Widerrede.

      „Wir haben sie weder in flagranti erwischt, noch wurden sie Hand in Hand gesehen. Alles was wir haben sind diese Mails. Und das Wissen daraus, dass sie sich regelmäßig heimlich treffen und essen gehen. Er fährt sie von der Arbeit heim und so wie es aussieht, scheint ein größeres Interesse zu bestehen. ‚Ich möchte mit dir essen gehen, weil ich gerne mit dir zusammen bin und Spaß habe‘. So eine Scheiße.“

      „Ja, aber er betrügt mich doch.“

      „Du weißt das. Ich weiß es. Aber wir haben keine Beweise.“

      Ich überlegte. Anne war in diesem Zustand eine tickende Zeitbombe. Mit ihrer ganzen Emotionalität und ihren klaren Vorstellungen würde sie vermutlich die Sache zum Platzen bringen und die beiden warnen.

      Nein. Ich wollte wissen, was hier wirklich vor sich ging. Betrog mich meine langjährige Partnerin? Alma war sehr geradlinig und ich konnte mich bislang mehr als 150% auf sie verlassen. Mit jemandem etwas anfangen, das würde sie nie tun. Oder irrte ich mich? Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, aber auch verbrennen?

      Jetzt kamen erste Zweifel in mir auf, ohne dass ich diesen Gedanken zulassen wollte. Nutzte sie ihre Arbeitszeit für anderes? Immer wieder war sie länger im Büro, als nötig oder war noch kurz in Stuttgart shoppen, ohne etwas mitzubringen und kam Stunden später nach Hause. Damit brachte sie mich immer mal wieder in Schwierigkeiten, denn wenn sie nicht da war, dann konnte ich keine Termine wahrnehmen. Und die Kinder immer bei Anne parken? Klar war das spaßig für die Kinder, aber auf die Dauer keine Lösung, selbst wenn Anne immer wieder beteuerte, dass es für sie kein Problem darstellte.

      Die Vorstellung wollte noch nicht in meinen Kopf: Solange ich die Kinder versorgte, ging sie mit dem Nachbarn essen!

      „Weißt du, was mich an dem ganzen am meisten stört?“, fragte ich Anne. „Wenn sie sagen würden, dass sie sich zum Essen treffen, dann wäre da nichts dabei, oder? Wieso also heimlich?“

      Anne wurde schroff.

      „Es geht hier nicht darum, ob sie miteinander essen. Lies doch die Mails genauer. Die zwei verarschen uns und das stinkt zum Himmel.“

      „Und genau deshalb sollten wir jetzt nichts unüberlegtes tun“, konterte ich.

      „Robert, ich muss dir was erzählen, was mit gerade einfällt. Du erinnerst dich, als Alma nach Sydney flog, um ihre Schwester zu besuchen?“

      Klar erinnerte ich mich daran. Aber das letzte, das ich wollte, war daran denken zu MÜSSEN.

      „Wenn ich daran denke, könnte ich mich wieder aufregen.“

      „Ich weiß, aber damals hatte ich ein Erlebnis mit Gerhard, das mir jetzt wieder in den Sinn kommt. Als Alma abflog hatten wir einen