Kirsten Klein

Marder ahoi! Eine mörderische Kreuzfahrt


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bejaht. Endlich hat er mal etwas mit dem Kater gemeinsam. Der fährt sogleich fort: „Allerdings ist sie kein gewöhnlicher Hund, was man ihr sofort ansieht. Gewöhnliche Hunde tragen bekanntlich keine diamantbesetzten Halsbänder. Auch ansonsten hebt sie sich recht angenehm von ihren Artgenossen ab. Sie war schon zweimal mit uns unterwegs und hat mir einiges über sich erzählt. Ihre Ahnengalerie in ihrer Villa reicht unglaublich weit zurück. Schon ihre Urururururururururururgroßmutter stand einem der berühmtesten Fotografen Modell.“

      „Aha“, hakt Mistie besorgt ein. „Aber – ihr seid doch nicht etwa befreundet.“

      Heftig schüttelt Captain Nemo den Kopf. „So weit muss es nun auch wieder nicht gehen. Nein, nein, wir respektieren uns gegenseitig – wie es Leuten unseres Standes eben gebührt.“ Mistie unterdrückt einen Seufzer. Dass dieser Kater einfach keinen Satz von sich geben kann, ohne aufzuschneiden – und noch immer bezweifelt, dass er wirklich im Speisesaal war. „Nun sag mir noch, wie Ladys Dosenöffnerin heißt“, verlangt er. Dosenöffnerin? Damit kann der Marder nichts anfangen, doch Captain Nemo hat ein Einsehen und will ihm auf die Sprünge helfen. „Ich weiß“, beginnt er, „Hunde haben eigentlich nur Frauchen und Herrchen. So was würden wir Katzen uns selbstverständlich nie anschaffen. Lady jedoch hat eine Dosenöffnerin, noch eine Gemeinsamkeit zwischen ihr und mir.“

      Allmählich ahnt Mistie, was der Kater meinen könnte, und überlegt fieberhaft. War dort denn nicht noch ein Name gefallen? „Sophia!“

      Sein 'hochwohlgeborenes' englisches Gegenüber beeilt sich, eine gönnerhafte Miene aufzusetzen. „Hat zwar ein bisschen lange gedauert, aber von einem deiner Art darf man halt nicht viel erwarten. Für einen Marder hast du sicher ein ziemlich helles Köpfchen“, fährt er besänftigend fort, als Mistie eine beleidigte Miene aufsetzt. „Ganz nebenbei – nicht dass ich dir zu nahe treten möchte mit meiner Fragerei, aber man macht halt so seine Erfahrungen. Ich musste schon zu viele Betrüger und Hochstapler entlarven.“

      Das sagt der Richtige, amüsiert sich Mistie klammheimlich.

      „Mit dieser Sophia hat Lady eine gute Wahl getroffen“, meint Captain Nemo. „Ist ja heutzutage nicht leicht, zuverlässiges Personal zu finden. Diesmal kamen sie übrigens verspätet an Bord. Das Schiff hat extra auf sie gewartet!“

      Mistie hält besser seine Schnauze. Auf ihn hat nämlich noch nie jemand gewartet. Von klein auf musste er stets aufpassen, dass er bei den Ausflügen mit Mama hinterher kam. Vielleicht muss man „Lady vom Adlerhorst“ heißen, um solche Extrawürste zu bekommen, überlegt er.

      Apropos Würste und dergleichen – das ist ein heikles Thema. Mit Auskünften scheint Captain Nemo ja großzügig zu sein, aber wenn's um die Verpflegung geht... Wie fängt Mistie es am besten an, auch diesbezüglich Tipps zu bekommen?

      „Dieser komische Typ war allerdings auf der vorigen Reise nicht dabei.“

      „Was?“, horcht Mistie auf, hat nicht auf Captain Nemos Worte geachtet.

      „Na, diesmal sind sie doch zu dritt“, hilft der ihm auf die Sprünge.

      „Ach so, ja“, fällt es Mistie wieder ein. „Da hat einer darüber gelästert, dass Lady nicht von Sophias Schoß runter wollte. Das muss wohl der gewesen sein, den du meinst.“

      Der Kater verzieht sein Gesicht. „Ich weiß nicht, kann den nicht riechen. Zwischen ihm und mir stimmt – wie die Zweibeiner zu sagen pflegen –, die Chemie nicht.“

      Mistie muss sich eingestehen, dass Captain Nemo sich wirklich sehr gewählt ausdrückt. So einen Kater hat er bisher noch nicht kennengelernt. Hat er überhaupt schon einen näher kennengelernt?

      „Da fällt mir ein“, will Captain Nemo plötzlich wissen, „wie bist du eigentlich zum Schiff gekommen?“

      „In meinem Benz.“ Mistie überlegt kurz. Ja, so muss es gewesen sein.

      „Du hast einen Benz – Mercedes Benz?“ Eine Spur von Ehrfurcht schwingt in Captain Nemos Worten mit. Aber auch dazu fällt ihm natürlich was ein. „Ich hörte mal von einem deiner Art, der einen Rover gehabt haben soll. Ein anderer Marder hätte ihm den für drei Rattenzahlungen überlassen, sieben Ratten pro Monat.“

      „Aha“, meint Mistie. „Dafür würde ich meinen Benz nicht hergeben. Übrigens besitze ich auch leckeren Speck. Wenn du mich begleitest, geb' ich dir einen Bissen davon ab.“

      Captain Nemo willigt sofort ein. Mistie verschweigt ihm, dass dieses Angebot nicht ganz uneigennützig ist. So lernt er nämlich das Schiff besser kennen. Höflicherweise lässt er ihm unterwegs den Vortritt und prägt sich jedes noch so winzige Detail genau ein. Marder müssen sich schließlich ihre Unabhängigkeit bewahren.

      Zunächst hoppeln sie eine Treppe hoch, die auch mit diesem „Kunstrasen“ bewachsen ist, und treten durch eine Tür ins Freie. Mistie kommt manches bekannt vor – wieder dieser lange Gang mit hellem Boden, außen gesäumt von dem Geländer mit Netz unten und Rettungsringen darüber.

      Nach einer Weile muss er jedoch feststellen, dass es ein anderer ist, dass es viele solcher Gänge gibt. Captain Nemo scheint sie alle auseinanderzuhalten. Kunststück, sagt sich Mistie, er ist ja hier geboren. Leider zieht er die Aufmerksamkeit von Menschen auf sich. Weil er sehr groß ist, kann Mistie sich aber gut hinter ihm verbergen, und die meisten Zweibeiner scheinen sich derzeit anderswo aufzuhalten.

      Eine zumindest vorläufige Lösung für sein heikles Problem fällt ihm zum Glück auch ein. „Für eine kleine Gefälligkeit kriegst du sogar die Hälfte meines Specks.“

      Captain Nemo wendet sich zu ihm um und Mistie bemerkt, dass er fast mehr Wasser im Maul hat als das Meer fassen kann. Seine Augen leuchten. Erst hier an Deck bemerkt der Marder, dass sie die Farbe des Himmels besitzen.

      „Schieß los, was kann ich für dich tun?“

      Unwillkürlich zuckt Mistie zusammen. Vom Schießen will er nämlich nichts hören. „Weißt du“, beginnt er alsbald, „eigentlich würde ich meine Mahlzeiten lieber mit dir einnehmen, als unter den vielen Menschen im Speisesaal.“

      Captain Nemo leckt sich mit seiner rosa Zunge über die Barthaare. Das beruhigt Mistie. Er dachte schon, die wäre auch blau.

      „Okay Kumpel“, stimmt der Kater freudig zu. „Ich hab dich – ehrlich gesagt –, schon für einen Snob gehalten.“

      Mistie juckt das Zwerchfell. Selbsterkenntnis ist für Captain Nemo wahrhaftig ein Fremdwort.

      Das Lachen bleibt Mistie allerdings im Hals stecken, denn, wie aus dem Erd-, beziehungsweise Schiffsboden gewachsen, tauchen Kinder auf, springen und hüpfen direkt auf sie zu. Bei denen wird Misties Taktik nicht funktionieren. Die sehen immer mehr als die Erwachsenen, schauen ganz anders hin. Und wenn auch denen nicht geglaubt wird, so mag Mistie trotzdem nicht von ihnen entdeckt werden. Er beschließt, sich zu verbergen, bis die Gefahr vorüber ist. Das muss er dem Kater sagen und ihn für alle Fälle fragen, wann und wo sie ihre gemeinsamen Speisen einnehmen. Bah, jetzt ertappt er sich dabei, dass er schon so geschwollen denkt, wie der redet. „Nemo, he Nemo – Captain Nemo!, hör' mal...“ Alles vergebens, der palavert wieder in einem Fort vor sich hin, hat die Kinder natürlich auch schon bemerkt. Nur, dass der sich sogar darüber freut, sich bestimmt den Pelz durchkneten lassen will.

      „Guck mal, was für eine schöne Katze!“, ruft auch schon eins dieser Plagegeister. Mistie reicht's, er verdrückt sich. Nicht mal davon kriegt Captain Nemo was mit.

      Im Schutz einer Einbuchtung der Innenwand, beobachtet der Marder, wie er einem der drei Kinder seinen dicken Kopf in die Hand drückt, sich bewundern und genüsslich hinter den Ohren kraulen lässt.

      Mistie überläuft ein Schaudern. Wie lange wird man sich wohl putzen müssen, bis man den Menschengeruch wieder los ist?Dabei fällt ihm ein, dass das ja für den Kater keine Rolle spielt. So, wie der sich aufführt, scheint es sehr angenehm zu sein. Bevor Mistie noch beginnt, ihn darum zu beneiden, wendet er sich ab und trippelt ein Stückchen weiter, immer schön an der Einbuchtung entlang.

      Wie