Eva wurde erneut daran erinnert, dass sie sich nicht einmal bemerkbar machen konnte, falls auf dem Knüppelsteg jemand auftauchte. Sie überlegte angespannt, wie sie sich bemerkbar machen könnte. Sie war schon fast am Aufgeben, als ihr die Idee kam, dass sie durch das Abknicken eines Astes auf sich aufmerksam machen könnte. Erleichterung stieg in ihr auf, dass eine Rettung für sie nicht mehr hoffnungslos bleiben würde. Sie hoffte, dass derjenige der nach ihr suchte, nicht nur Ausschau nach ihr halten würde, sondern ganz bestimmt auch auf Geräusche achten wird.
Plötzlich sah Eva in der Ferne ein Licht auftauchen. Dieses Licht näherte sich und wurde immer größer. Es schien der Lichtkegel einer Taschenlampe zu sein. Mittlerweile war es dunkel geworden und sie wusste, dass sie auf sich aufmerksam machen musste, wenn die Person nah genug war. Hoffnung kam in ihr auf, wie sie das Licht immer näher kommen sah. Als das Licht der Lampe nah genug war, knickte Eva drei kleine Äste hintereinander, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Lichtkegel der Lampe leuchtete sofort über das Moor, langsam aber stetig wurde das Moor damit abgetastet. Plötzlich erfasste sie der volle Strahl des Lichts. Eva winkte mit ihrer freien Hand und hörte mit Erleichterung eine Männerstimme, die ihr zurief.
In der Zwischenzeit verließ Günter das Haus und ging zum Auto, als im Nachbarhaus die Tür geöffnet wurde und Hans herauskam. »He …, Günter wohin geht‘s?«
»Mich lässt der Gedanke ned los, dass die Eva draußen umherirrt.«
»Da geht‘s dir wie mir, fahrn wir mit deinem Wagen?«
»Klar …, hast du a Taschenlampe dabei?«, fragte Günter.
»Nein, aber einen Helm mit einer Lampe drauf«, sagte er näherkommend und hielt ihn Günter entgegen.
»Ich hole nur noch meine Gummistiefel aus der Garage.« Bevor er in seine Garage ging, drückte er Günter noch zusätzlich einen Umhängebeutel in die Hand. Günter sah hinein. »Aha, einen Tee für uns.«
»Nein, der ist eigentlich für die Kleine gedacht, aber einen Schluck kannst du schon haben.« Günter setzte sich ins Auto und wartete auf Hans. Kurz darauf fuhren sie los zum Burger Moos.
Hanna Bauer ging nach dem Abendessen noch mit ihrem Dackel Burli spazieren. Ihr Spaziergang dauerte diesmal länger als üblich, schließlich traf sie unterwegs auf einige Spaziergänger, die auch mit ihren Hunden unterwegs waren. Sie musste natürlich alle über das Geschehen ausführlich informieren. Als sie endlich wieder daheim vor ihrem Haus ankam, traf sie noch auf Klaus, der ebenfalls wieder nach der Kleinen suchen wollte.
»Hallo Klaus, habt‘s den Brand schnell löschen können und ist die Familie wohlauf?«
»Weder das eine noch das andere. Das Haus ist abgebrannt, die Familie ist tot, bis auf die kleine Eva – die ist verschwunden.«
»Mein Gott, das ist ja furchtbar! Das Kind ist jetzt eine Weise und zittert womöglich vor Angst irgendwo da draußen unter freien Himmel! Schrecklich, schrecklich!«
»Ich mach mich sowieso wieder auf den Weg, mir hat‘s koa ruh lassen.«
»Du bist halt ein Mensch mit Herz, vielleicht geht ja noch jemand mit?«
»Ich wollte eh beim Hans vorbeigehen, vielleicht geht‘s dem gleich wie mir?«
»Wenn ihr die Eva habt‘s, dann bringt sie zu mir, denn mich kennt das Kind. Bringt sie nicht zum Hannes seiner Schwester der Elke, denn die wartet nur darauf ans Geld zu kommen und daran kommt sie ja jetzt leichter.«
»Das versteh ich jetzt ned, die Elke Müller ist dem Hansen seine Schwester, und wenn sie jetzt die kleine kriegt, dann kommt sie an der ihr Erbe ran. Stimmt das so?«
»Genau und ich sag dir noch eins, die Kleine befindet sich in Lebensgefahr. Sie können das Erbe nicht antreten, sondern den größten Teil des Geldes nur Verwalten. Erst wenn die Eva achtzehn Jahre alt ist und das dauert denen bestimmt zu lang! Denen zwei steht nämlich das Wasser bis zum Hals, weil sich der Sepp verspekuliert hat und auf dem Haus klebt schon der Kuckuck. Angeblich läuft die Zahlfrist in drei Monaten ab, dann müssen sie raus, wenn‘s ned zahlen können. Da kommt so ein Erbe ganz recht, dazu müssen sie die Kleine aber verschwinden lassen? Habt‘s im Moor schon gsucht, das wär zum Verschwinden nämlich Ideal.«
»Geh, Hanna jetzt übertreibst du aber ein bisserl! Schaust du zu viele Krimis an?«
»Glaub mir Klaus, ihr müsst aufpassen auf die Eva.«
Ein Auto näherte sich den beiden und Hanna zwickte ihre Augen zusammen, um noch besser zu sehen.
»Schau kommt da ned der Wagen von dem Detektiv?« Hans sah zu dem kommenden Auto.
»Ja, das könnte Decker sein.« Als der Wagen näher kam, sah er den Hans als Beifahrer und winkte ihnen zu. Günter hielt neben Klaus an.
»Wo willst du hin?«, fragte Günter, der das Fenster geöffnet hatte.
»Ich wollte nochmals raus die Kleine suchen, das hat mir nämlich keine Ruhe gelassen.«
»Dann steig ein, wir wollen auch nach ihr suchen.« Klaus stieg ins Auto und Hanna hob den Daumen.
»Viel Glück, das ihr sie findet und Klaus du weißt Bescheid, gell. Vergiss meine Worte nicht!«
»Okay, Hanna servus!«
»Was hat‘s dir denn so wichtiges gsagt?«, fragte Hans. Klaus erzählte während der Fahrt, was ihm Hanna Bauer erzählt hatte.
»Also das Gras hört‘s ja schon wachsen, aber was Wahres, könnt schon dran sein. Ich hab auch schon von seinen Schulden gehört und da wär so eine Erbschaft für ihn nicht schlecht«, sagte Hans.
»Dann müssen wir als Erstes zum Moorlehrpfad, denn dort hat der Sepp allein nach der Kleinen gsucht«, stellte Günter fest.
»Glaubst, dass der Sepp die Eva gfunden und im Moor versenkt hat?«, fragte Klaus.
»Dann müsste er sie aber getötet haben, denn sonst kann man im Moor ja nicht tödlich versinken, oder?«, erklärte Klaus leicht verunsichert.
»Ich glaub ned, aber was ist - wenn doch, oder wenn sie irgendwo im Moor steckt und nimmer raus kommt, vergesst nicht, dass die Eva klein ist «, sagte Hans beunruhigt.
»Du hast recht, wenn ich dran denk, wie weit ich eingesunken bin, in so einem Moorloch verschwindet die Kleine«, sagte Günter und lenkte den Wagen zum Burger Moos. Während der Fahrt malten sich Klaus und Hans die schlimmsten Dinge aus, bis es Decker zu viel wurde.
»Stopp! Jetzt reicht‘s. Hört mit euren Horrorgeschichten auf!«
»Wieso … das könnte, doch sein, nichts ist unmöglich.« Günter schüttelte den Kopf. »Ihr seit‘s wie Waschweiber!«
»Halt bleib stehn, da ist der Parkplatz!, rief Klaus.« Beinahe wäre Günter am Parkplatz vorbeigefahren. »Das kommt nur von eurem Gerede, da wird man ganz deppert.«
»Da brauchst jetzt ned uns die Schuld geben, du hast wahrscheinlich gepennt«, gab Klaus prompt zurück. Günter holte tief Luft und wollte gerade loslegen.
»Konzentriert‘s euch lieber auf das Bevorstehende, ehe ihr euch hier verzettelt‘s!«, unterbrach Hans die aufkommende Debatte.
Günter lenkte den Wagen auf den Parkplatz - zum Forst am See -.
Unweit des Parkplatzes fing bereits der Knüppeldamm an, auf den sie sogleich zusteuerten.
»Hans du gehst voraus, du hast die stärkste Lampe«, sagte Günter.
»Hast schiss?«, gab Hans als Antwort.
»So ein Schmarrn, von was soll ich schiss haben?«
»Vor den Moorleichen und dessen Geister.« Günter lachte laut auf, »Garantiert werd ich davor Angst haben!« Von Günter‘s Lachen wurden ein paar Vögel die im Sumpf übernachteten aufgeschreckt und flatterten auf. Günter erschrak dermaßen, dass er einen kurzen Aufschrei von sich gab. »Huch! …, bin ich jetzt erschrocken.«
»Hast