persönlich, ich weiß nur von meiner Tochter, dass sie drei Kinder haben«, antwortete Decker.
»Moment mal, hast du gerade drei Kinder gsagt?«
»Ja, warum?«, fragte Decker. »Weil wir nur zwei Kinderleichen gefunden haben.«
»Habt‘s alles durchsucht?« Hans nickte. »Dann fehlt uns ein Kind.«
Decker schob Hans an.
»Auf geht‘s, schaun wir zwei nochmals gezielt nach. Das würde mir noch abgehn, dass uns ein Kind abhandenkommt!«
Beide gingen alle Räumlichkeiten durch. Sie suchten in den ausgebrannten Schränken sowie in und unter den Betten. Sie stiegen die verkohlte Dachlukensteige hoch, die direkt unter das Dach führte. Zuletzt gingen sie die verbrannte Holztreppe in den Keller hinunter, um nachzusehen.
»Da unten haben wir schon alles durchsucht, das könnt‘s euch ersparen!«, rief Klaus in den Keller hinunter.
Hans und Günter Decker kamen die Kellertreppe wieder hoch.
»Das fehlt uns jetzt noch. Wo mag das Kind sein? Hoffentlich finden wir es«, sagte Günter. »Glaubst, dass es weggelaufen ist?«, fragte Hans.
»Ich könnte es mir gut vorstellen, das Kind hat bestimmt einen Schock und ist in Panik weggelaufen, das würde auch das offene Fenster erklären. Dann haben wir ein Problem, wir müssen das Kind suchen und haben zu wenig Leute.« Klaus nickte.
»Ich bin dabei«, gab Klaus spontan von sich.
»Ein paar Männer von unserer Feuerwehr helfen sicherlich mit. Wir müssen uns aber vorher erst frisch machen und umziehen, dann kannst du mit uns rechnen«, gab Hans von sich.
»Wenn sie in den Wald gelaufen ist, dann dauert die Suche länger. Stellt euch schon mal drauf ein«, sagte Decker, während ihn Hans nachdenklich ansah.
»Wenn‘s zum Burger Moos ist, dann finden wir die Kleine womöglich überhaupt nicht mehr«, setzte Hans noch eines drauf.
»Mensch mal den Teufel ned an die Wand«, sagte Decker erschrocken.
»Hast recht. Ich geh dann und sag den anderen Bescheid. Bis in einer Stunde, treffen wir uns hier mit den anderen wieder, dann gehen wir von hier aus gemeinsam in den Wald.«
»Okay, ich fahr dann auch heim und zieh mir was anderes an, also bis hernach. Treffen wir uns vor unseren Häusern?«
»Ja …, Günter wir fahrn aber mit meinem Wagen und fahrn dann beim Klaus vorbei, der fährt nämlich bei uns mit, okay?«
Klaus und Günter nickten.
Günter stieg in seinen Wagen, während Hans und Klaus noch einige ihrer Kollegen für die Suche anheuerten, die vorzeitig den Brandplatz verlassen durften.
3
Eva kauerte immer noch neben den Sträuchern im Wald. Ihre blonden langen Haare hingen ihr in nassen Strähnen ins Gesicht. Leblos und leise vor sich hin weinend saß das kleine zierliche Mädchen im Moos und sah ängstlich um sich. Der Regen und der Sturm hatten sich beruhigt. Die nassen Kleider klebten ihr am Leib und Eva zitterte.
Die Kälte drang durch die nassen Kleider noch schneller an ihren Körper. Langsam kam in sie wieder Leben. Durch das Reiben ihrer Arme und ihrer Beine versuchte sie, ihren Körper zu erwärmen. Eva stand langsam auf, um sich zu orientieren. Sie hielt nach allen Richtungen Ausschau, ob sie sich erinnern würde, woher sie gekommen war. So sehr sie auch überlegte, sie hatte keinerlei Erinnerung. Das Mädchen bibberte am ganzen Körper.
Immer wieder kam ihr der Anblick ihrer blutüberströmten Familie in Erinnerung, sie wurde das geistige Bild einfach nicht los. Noch hatte sie den verbrannten Geruch in der Nase. Erinnerungsfetzen holten sie immer wieder ein. Sie hörte den Schrei ihres Vaters und die darauffolgenden Schüsse. Sie hatte noch das Knistern des Feuers und den beißenden Qualm, der ihr in den Augen brannte, lebhaft im Gedächtnis. Wo sie sich jetzt befand und wie es weiter gehen sollte, wusste sie augenblicklich nicht. Sie wusste nur, dass es kalt war und sie sich nach trockener Kleidung sehnte. Sie ging einfach drauflos, weiter durch den Mischwald, um endlich zu einem Haus zu kommen.
Inzwischen war es nur noch leicht windig. Ein paar Waldvögel zwitscherten und die herunterfallenden Tropfen von den Blättern waren zu hören. Langsam spürte sie Erschöpfung in ihr hochkommen, als sich der Wald lichtete und sie in weiter Ferne ein Haus sah. Sie ging das Ziel vor Augen drauf los. Als sie sich einer Lichtung näherte, breitete sich vor ihr das Burger-Moos aus. Sie vernahm leises Gurgeln vom Moor und das Quaken einiger Frösche. Eva sah nur noch das Haus in der Ferne, zu dem sie unbedingt wollte, um endlich aus ihren nassen Kleidern zu kommen. Sie zog ihre Schuhe aus und stieg in den sumpfigen Boden. Bei jedem ihrer Schritte schmatzte der weiche schwammige Untergrund. Eva fühlte sich unwohl dabei, stapfte dennoch tapfer weiter. Mit den Schuhen in der Hand tastete sich Eva vorsichtig mit ihren Füßen weiter – ins Moor hinein. Das Haus in der Ferne als Ziel vor den Augen. Immer wieder musste sie ihre eingeschlagene Richtung korrigieren, weil sie in diesem Gebiet zu versinken drohte. Mühsam kam sie vorwärts und ihre Nerven lagen von dem bereits Erlebten und der Angst vor dem Ertrinken im Moor blank. Einmal war sie dem Ziel näher, dann widerum musste sie ihren Weg korrigieren und das Ziel rückte wieder in weite Ferne.
Immer wieder sprangen kleinere Frösche vor ihren Schritten zur Seite. Eva erschrak einmal so heftig, dass ihr ein Schuh in den schwarzen schlammigen Untergrund fiel und versank. Sie bekam panische Angst und wollte zurück. Sie bereute es, diesen Weg genommen zu haben. Eva drehte um und ging zurück, aber bereits nach wenigen Schritten steckte sie bis zu den Knien im Moor. Ihr Blick vorwärts ließ sie zusätzlich erschrecken. Sie war umgeben von Moor und Schilf. Mit Entsetzen musste sie feststellen, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als die Richtung zu dem noch weit entfernten Haus beizubehalten.
4
Sepp Müller saß noch eine Weile in seinem Auto vor seinem Haus, bevor er ausstieg. Er überlegte, wie viele Kinder der Bruder seiner Frau hatte. Es war schon sehr lang her, als sie sich zuletzt gesehen hatten. Bei der Beerdigung seiner Schwiegereltern, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, sahen sie sich. Nach der Verlesung des Testament‘s hatten sie sich dann allerdings nicht mehr gesehen.
Seine Frau Elke erbte nur einen kleinen Bruchteil vom gesamten Vermögen. Den Hauptanteil bekam ihr Bruder Hannes, weil sich Elke mit ihren Eltern seinetwegen zerstritten hatte. Elke sollte ihren langjährigen verlobten Hain heiraten. Hain war der Wunschschwiegersohn ihrer Eltern. Ihre Tochter hatte sich damals aber für ihren geliebten Sepp entschieden und folgte ihm nach Bayern. Elkes Eltern rächten sich dafür, indem ihre Tochter nur den Pflichtanteil ihres Vermögens nach ihrem Ableben bekommen sollte.
Bei der Beerdigung damals, waren Hannes und seine Frau Barbara mit ihren zwei Kindern anwesend. Sepp war sich nicht mehr sicher, ob Barbara später noch ein Kind bekam. Ihr Bruder Hannes erbte den Hauptteil und ging ein Jahr später mit seiner Frau und den Kindern ebenfalls nach Bayern.
Sepp wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er stieg aus dem Wagen und öffnete die Motorhaube, hantierte an einem Kabel im Motorraum und machte sich dabei die Hände schmutzig. Sepp warf einen kurzen Blick zum Küchenfenster seines Hauses. Schmunzelnd stellte er fest, dass seine Frau wie von ihm erwartend, hinter der Gardine stand und zu ihm hinaus blickte.
»Ich kenn doch meine Elke, neugierig wie eh und je«, gab er süffisant von sich. Sepp schloss die Motorhaube und ging ins Haus. Elke stand bereits im Korridor.
»Sag mal, wo hast du dich denn bei dem Gewitter herumgetrieben und was ist mit dem Auto?«
»Ich habe mir im Gasthof zur Post ein Bier gekauft. Bei dem Wetter ist ganz schön was abgegangen, Mensch da war was los. Beim Auto war nur eine Kleinigkeit locker und das Klappern, ging mir auf die Nerven.«
»Aha …, und hast du es festmachen können?«
»Klar …, du kennst mich doch.« Elkes Blick wanderte zu