Shey Koon

Mellow Tior


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nur ein paar.“, ermutige Mellow seine Freundin.

      Minja setzte sich auf die Couch, packte reichlich Schokolade auf dem kreisrunden Tisch und probierte das scharfe Werkzeug sofort an den fingerdicken Holzruten aus. Sie schälte behutsam die Rinde vom Holz, naschte nebenher von der Süßigkeit, während Mellow in der verzierten Truhe herumwühlte. Er zog freudestrahlend eine Tüte hervor, die bis oben hin mit bunten Federn aufgefüllt war.

      „Die habe ich vor etlicher Zeit im Park gesammelt. Wenn wir sie hinten an den Stöcken ankleben, dann fliegen sie besser. Wie in den Indianerfilmen. Du weißt schon.“

      Stolz zeigte er eine lange grünglänzende Feder seines quakenden Freundes, denn er regelmäßig am Entenweiher besuchte.

      „Die habe ich von BigBlu. Ein zutrauliches Kerlchen.“

      Außerdem überreichte er Minja einen starkhaftenden Kleber und entnahm zwei Bögen, womit sie emsig das Zielen auf die Blechdosen geübt hatten. Die alten Pfeile waren dadurch ziemlich verschließen und taugten nur noch für die Müllhalde. Sein Plan war es, seinen Brief unbedingt am kommenden Wochenende in die Wolken zu schießen. Es gab also keine Zeit zu verlieren und so waren beide eifrig bis in den späten Abend mit dem Anfertigen der Pfeile beschäftigt. Erst als sie die Federn allesamt verklebt hatten, bewunderten sie ihr Ergebnis und begaben sich zufrieden auf den Nachhauseweg.

      „Wo kommt ihr so spät noch her?“, fragte Aurilia wie gewohnt nach.

      Mellow sprang aufgedreht durch die Türe, rannte ungestüm auf

      seine Großmutter zu und drückte ihr einen dicken Schmatz auf die Wange. Er blickte verstohlen zu Minja.

      „Großmutter Auri, du bist noch wach?“, fragte er gespielt nach. Sie nickte knapp und zwinkerte Minja zu, ganz so, als ob sie genauestens Bescheid wusste. Doch sie konnte nichts wissen. Mellow und Minja hatten sich gegenseitig ein geheiligtes Versprechen gegeben, dass sie Niemanden, aber auch wirklich Niemanden, ganz ohne Ausnahme, von ihrem eingerichteten Keller erzählen würden.

      „Ihr habt wohl schon zu Abend gegessen.“, stellte Aurilia amüsiert fest und wischte die Schokoreste mit einem Tuch aus Mellows grinsenden Gesicht. Mellow packte Minjas Hand und verschwand mit ihr ohne Umschweife in sein Zimmer.

      „Siehst du, sie hegt keinen Verdacht. Wir sind für das Wochenende bestens vorbereitet.“, überzeugte Mellow seine Freundin, bevor sie zu Bett gingen und erschöpft einschliefen.

      Mitten in der Nacht wachte Mellow auf, begutachtete in gewohnter Weise den Himmel, der jedoch frei von Sternschnuppen blieb. Abermals las er seinen Brief Zeile um Zeile durch, obwohl er ihn mittlerweile bis zum letzten Buchstaben auswendig vorsagen konnte. Zuversichtlich schlüpfte er wieder unter die Bettdecke, doch er bekam kein Auge zu.

      Bis zum besagten Wochenende vergingen etliche Tage, die sich die beiden mit kleineren Streifzüge durch ihr Dorf Nuckelon, zeitweiligen Besuche im Zoogeschäft, oder dem nahegelegenen Wald vertrieben. Außerdem ließen sie sich von Aurilia mit allerlei Köstlichkeiten verwöhnen und gingen Mellows Lieblingsbeschäftigung nach, dem stundenlangen Wolkengucken. Seit der Zeit, als er noch ein Baby war, richtete er seinen Blick in den Himmel, zu den Wolken und zu den Sternen. Die Freunde lagen im Gras und erschufen in ihren Gedanken zauberhafte Fantasiegebilde, übertrumpften sich damit gegenseitig. Mellow verspürte dabei stets das untrügliche Gefühl, dass es nicht nur Einbildungen waren, die er mit spielerischen Worten von sich gab. Nein, ganz im Gegenteil. Er war sich ziemlich sicher, dass die Wolken vielmehr waren, als nur Wolken.

      Als es endlich soweit war, packten sie ihre Bögen und die hölzernen Pfeile in die Rucksäcke. Den Brief, den Mellow wie einen Schatz hütete, verstaute er in seiner Brusttasche.

      „Minja, trödle nicht! Ich will los. Bis du endlich soweit bist,

      ist es wahrscheinlich dunkelste Nacht.“, drängelte Mellow.

      „Ja, ja. Keine Hektik. Wir kommen schon rechtzeitig an.“, erwiderte Minja und verdrehte ihre braunen Augen.

      „Wo ist denn die Limonade? Ohne die brauchen wir überhaupt nicht los. Ah ja, hier ist sie. Nicht dass wir das Wichtigste vergessen.“

      Sie verstaute die Dosen in den Rucksack und richtete ihr Haar. Verspätet begaben sie sich auf den langen Weg durch den Wald, zu den weiter gelegenen Bergen. Zum Abschießen der Pfeile benötigte Mellow die höchste Stelle. Das Wetter war hervorragend, und so stimmten sie auf den langen Wanderweg ein trällerndes Lied ein, das sie aus ihrem Schulunterricht kannten. » Das Wandern ist des Müllers Lust. «

      Damit erschien ihnen die Mühe des anstrengenden Marsches wesentlich geringer, und während sie eine Rast einlegten, naschten sie leckere Schokopralinen und spülten mit süßer Limonade hinterher. Rund um den Berggipfel versammelte sich ein weißes Wolkenfeld. Hoch oben am Gipfel übten die Zwei nochmals das Zielen an einer der leeren Limonadendosen. Mellow pfiff frohen Mutes. Im Tal hatte es wunderbar geklappt, aber jetzt ging es darum, eine Wolke zu erreichen. Minja fieberte mit, denn was ihr bester Freund für sein Vorhaben dringend benötigte, war eine große Portion Glück. Um zu sehen, wie weit die Pfeile flogen, schoss Mellow zwei Pfeile, einen nach dem anderen, in den Himmel. Als er sich gewiss war, dass er sein Ziel traf, umwickelte er den Brief mit einer reißfesten Schnur am Stecken, spannte den Bogen mit aller Kraft, zielte und schnalzte los. Der Pfeil surrte geradewegs auf die auserwählte Wolke zu. Mellow kribbelte das Freudenfeuer im Magen. Doch oh je, plötzlich schlug ein leuchtend grüner Blitz auf dem Pfeil ein und verschwand mit dem Brief ins Nirgendwo.

      Mellow erschrak fürchterlich, traute seinen Augen kaum.

      „Mein Brief. Was war das? Minja hast du das gesehen? Das war ein froschgrüner Blitz. Woher kam der?“

      „Mellow, du spinnst! Welcher Blitz? Der Pfeil ist abgestürzt. Die Wolke war zu weit entfernt. Du träumst. Ein grüner Blitz. Tsss, das war einer deiner blöden Sinnestäuschungen, glaube mir.“

      Mellow nickte zähneknirschend, denn er war sich ziemlich sicher, diesen sonderbaren Blitz gesehen zu haben, wollte aber nicht als Idiot vor seiner Freundin dastehen. Deswegen beließ er es dabei und blieb dennoch ratlos.

      „Minja, der Brief ist weg. War keine gute Idee. Was wir jetzt brauchen, ist ein besserer Einfall. Einer, der auch funktioniert.“

      Minja legte den Arm um ihren besten Freund. Mit hängenden Köpfen und den Bögen in den Händen trotteten sie nach Hause.

      „Ich werde nochmals einen Brief verfassen und bis dahin fällt mir bestimmt etwas ein.“

      Ein paar Tage später wurde Mellow, nach dem Misserfolg in den Bergen, von Minja in seiner weiträumigen Garage besucht.

      „Was bastelst du denn da?“, erkundigte sich Minja neugierig.

      Mellow war gerade mit dem Schraubenzieher zugange, ein bunter

      Lackstift klemmte hinter seinem Ohr, er blickte kurz hoch, begrüßte Minja knapp und schraubte konzentriert weiter. Sie schritt um Mellow herum, atmete den scheußlichen Benzingestank ein, der in der Luft lag, und beobachtete erstaunt woran Mellow gerade mit vollem Eifer schraubte.

      „Um Himmels Willen. Was hast du denn damit vor? Das ist doch einer deiner Raketen.“

      Nach einem irritierten Blick stotterte sie ihre Bedenken los.

      „Du wirst doch nicht etwa …, nein, das wirst du nicht …, nicht dieses Ding in die Luft schießen wollen?“, japste sie aufgeregt.

      Mellow nahm seinen Kopf hoch, versuchte mit einem Hundeblick so unschuldig wie nur irgend möglich drein zu schauen.

      „Ich habe meinen Brief fertig und der muss irgendwie da hoch. Da gehört er schließlich hin.“

      Mellow deutete mit seinem Finger nach oben in den Himmel.

      „Ab in die Wolken. Glaube mir, dieses Mal gelingt es bestimmt.“, frohlockte er siegesgewiss.

      Minja schüttelte ungläubig ihren Kopf.

      „Hilf mir besser, bevor du dir unnötig deinen Verstand zermarterst. Es ist eine beschlossene