Laura Feder

Die Kinder Paxias


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Sie blickte nochmals zu Saya, ein stummes Flehen in den Augen.

      Doch Saya hob langsam die Schultern.

      „Schwimmen, gehen, fliegen – es gibt keinen Weg. Resus ist uns versperrt.“

      In ihrer Stimme lag das gleiche Bedauern, das Kaelis Haltung ausdrückte. Bei diesen endgültigen Worten sackte sie noch weiter in sich zusammen.

      Dann mischte Arn sich ein. „Was ist mit Biran?“

      „Biran?“ Durch Saya ging ein Ruck. Auch Kaeli richtete sich hoffnungsvoll auf und suchte Arns Blick.

      „Ja.“ Er nickte mit der Andeutung eines Lächelns. „Wenn ich euch richtig verstanden habe, seid ihr davon überzeugt, dass sie bei Maya und Cedric ein neues Zuhause finden würden. Doch von jener Seite Paxias sind wir den Ereignissen zufolge abgeschnitten.

      Also bleibt uns nur dieser Kontinent.

      Nun, Sanjo und Gareth sind Freunde Mayas und Cedrics. Und auch wenn sie keine Paxianer sind, sind sie doch liebende Eltern.

      Da Cassia offensichtlich in unsere Existenz eingeweiht ist, wird sie keinen zusätzlichen Schaden erleiden beim Anblick der elfischen Bewohner. Und auch ihr Weltbild wird nicht in seinen Grundfesten erschüttert.

      Was also sollte dagegen sprechen, sie zu ihnen zu bringen?

      Ich bin sicher, Sanjo und Gareth werden sie bereitwillig aufnehmen und zu gegebener Zeit, wenn Paxias Gleichgewicht wiederhergestellt und die Wege wieder sicher passierbar sind, nach Resus bringen.“

      „Das ist die perfekte Lösung!“, entfuhr es Kaeli begeistert. Sie gab Arn einen lauten Kuss auf die Wange und drückte Cassia an sich, um ihr leise zu erklären, was Arns Vorschlag für sie bedeutete.

      „Ich werde dich nicht so überschwänglich überfallen“, begann Saya mit deutlichem Respekt in der Stimme und einem Schimmern in den Augen, das man nur als Erleichterung interpretieren konnte. „Aber auch ich danke dir für deine Weitsicht. Ich finde keine Schwächen in deiner Idee, die so einfach ist, dass es mich ärgern würde, nicht selbst auf den Gedanken gekommen zu sein, wenn es hierbei nicht um das Wohl der beiden Kinder gehen würde.“

      Die Gefühlstiefe, die Sayas Worte verriet, verblüffte die anderen. Fast ungläubig betrachteten sie die Gelehrte, als sähen sie eine ganz andere Person.

      Doch dann schüttelte Saya den Kopf.

      „Ich muss mich korrigieren“, stellte sie voller Grimm und mehr zu sich selbst fest. „Ich bin wütend, dass mir etwas so Naheliegendes nicht eingefallen ist.“

      Das erstickte Geräusch Cecils ähnelte verdächtig einem belustigten Glucksen, und Saya blickte irritiert auf. Einigermaßen skeptisch traf sie auf die Wärme Arns Blick, dem ihr Ärger nicht standhalten wollte.

      „Ich habe meine Intelligenz erheblich höher eingeschätzt, als ich heute unter Beweis gestellt habe“, gab sie zu, mit sich selbst äußerst unzufrieden und in kaum unterdrückter Aggression.

      „Du warst zu involviert“, erklärte Arn sanft und erntete Unverständnis. Sein Blick glitt bedeutsam von Cassia zu Saya.

      „Das Schicksal dieser Kinder ist dir nicht gleichgültig. Du hast heute bewiesen, dass Cassias Existenz und ihr Wohlergehen eine Bedeutung für dich hat, die groß genug ist, dass du dich eher ihrer annimmst und sie unter deinen Schutz stellst, als sie dem guten Willen Unbekannter zu überlassen. In dir war also überzeugte Hoffnung, dass du eine bessere Alternative finden würdest.

      Es war dieser Anspruch an dich selbst, der deine Überlegungen blockierte. Das ist ganz normal und heißt auch nicht, dass du diese Blockade nicht überwunden hättest, um dieselbe Idee zu entfalten. Du hättest lediglich etwas länger gebraucht.“

      „Ich bin mir nicht sicher, ob mir diese Entwicklung gefällt“, murmelte Saya, gespalten zwischen Grimm und Nachdenklichkeit.

      „Grenzen finden und sie durchbrechen braucht Zeit und Geduld“, erinnerte er sie behutsam an ihr Gespräch vor wenigen Tagen, bei dem er ihr den Rat gegeben hatte, aus sich herauswachsen zu lernen.

      „Ich fürchte, Geduld ist ebenfalls eine meiner Grenzen.“

      Diesmal war es Arn, der leise lachte.

      „Wie werden wir nun weiter vorgehen?“, brachte sich Cecil in die Situation ein und verließ damit erstmals seine Position als stiller Beobachter. „Wahrscheinlich ist es nicht besonders klug, wenn wir alle nach Biran zurückkehren. Jemand sollte hier zurückbleiben und sicherstellen, dass kein Suchtrupp nach dem plötzlichen Verschwinden der beiden Kinder zusammengestellt wird, der bei Nacht und Nebel die Umgebung durchforstet.

      Dies würde uns das unentdeckte Passieren auf unserem Rückweg erheblich erschweren.“

      Saya stimmte seinem Gedankengang zu. „Denkst du, du bist in der Lage, dir etwas einfallen zu lassen, um das zu verhindern? Dich würde jeder als Paxianer akzeptieren.“

      Ein kurzes Grinsen zuckte in seiner Miene auf, und er hob selbstsicher die Brauen. „Da bin ich sicher.“

      „Ich würde ebenfalls gern hier verweilen“, meldete Kaeli sich zu Wort und erntete überraschte und zweifelnde Blicke. Herausfordernd sah sie in die Runde.

      „Mir ist klar, dass ich nicht ohne Weiteres als paxianisch durchgehe, und ich werde mich so gut es geht verbergen. Aber es besteht die Möglichkeit, dass ich hier jemanden aus meinem Reich antreffe. Bei einem Dorf so nah am Meer ist das nicht unüblich. Ich halte das zwar nicht für sehr wahrscheinlich, aber es ist eine Gelegenheit, eventuell etwas über das Ergehen meiner Angehörigen zu erfahren, der ich mich nicht entziehen darf.“

      In Cecils Augen stürmte der Widerspruch, aber Saya akzeptierte Kaelis Entscheidung.

      „Dann ist es also beschlossen. Cecil und Kaeli erfüllen hier ihre Mission, und Arn und ich eskortieren Cassia und ihren Bruder nach Biran.

      Wenn wir Tag und Nacht reisen, könnt ihr uns in zwei Nächten wieder hier erwarten.“

      Kapitel 2

      Wie von Sanjo vorhergesagt, trafen sie nach dem endgültigen Passieren des Fischerdorfes auf keine weiteren Paxianer, so dass sie sich ohne erhöhte Wachsamkeit frei bewegen konnten.

      Die Landschaft war vorwiegend geprägt von sattgrünen Wiesen und sanften Hügeln. Es gab keine steinigen Hindernisse oder Sumpfgebiete, die es zumindest Cecil und Arn erschwert hätten, durch die Nacht zu reisen. In dieser Umgebung jedoch waren sie in der Lage, mit Saya und Kaeli Schritt zu halten und das Tempo ihrer Wanderung nicht zu mindern.

      Dieses milde Terrain führte auf der anderen Seite verheerenderweise mehr als einmal dazu, dass sie keinen geeigneten Lagerplatz für den Tag fanden, der die Mädchen vor den hellen Sonnenstrahlen bewahrte, was sie zwang, ihren Weg ohne Rast fortzusetzen. Damit kamen sie zwar schneller als erwartet vorwärts, aber nicht ohne Folgen.

      Anfangs verbargen Saya und Kaeli die Belastung ihrer Augen und die einsetzenden Schmerzen. Nach dem zweiten durchwanderten und sehr sonnigen Tag war ihnen das nicht mehr möglich.

      Auch die verdunkelnde Wirkung eines Tuchs aus dem gleichen dunklen Schleierstoff Sayas Kleid brachte ihnen keine Erleichterung.

      Die ersehnt erwartete Dunkelheit, die sie von dem Brennen der Augen und den stechenden Kopfschmerzen erlösen sollte, enttäuschte ihre Hoffnungen, und sie litten permanent unter bohrenden Schmerzattacken.

      Natürlich merkten die Männer ihnen das an. Sie reduzierten daraufhin ihre Schrittgeschwindigkeit und überzeugten wenigstens Kaeli davon, sich abwechselnd Cecils und Arns Führung zu überlassen und über Tag die Augen zu verbinden. Saya lehnte dies vehement ab. Eine wenig überraschende Reaktion, welche die Männer erwartet hatten. Sie bedrängten sie nicht weiter.

      Eine weise Entscheidung, Saya spürte selbst, wie ihr Wesen zunehmend reizbarer wurde. Nicht selten toste der Wunsch in ihr, zu den Waffen zu greifen und ihre aggressive Spannung abzuladen. Es gab