Joachim Koller

Secret of Time


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wand. Leon erreichte die beiden und reichte der Frau die Hand.

      „Was war denn das? Nimmst Du nebenbei Flugstunden oder schaust Du zu viel Wrestling?“, fragte Leon keuchend. Er war zwar halbwegs sportlich, aber der Sprint, zusammen mit der Aufregung der letzten Minuten, kostete ihm viel Energie.

      Die Polizistin ließ sich aufhelfen, kurz darauf klickten ihre Handschellen und der Dieb hatte seine Hände hinter dem Rücken gefesselt. Sie zog ihm das Quadrat aus seiner Hosentasche.

      „Die ganze Aufregung wegen eines Souvenirs? So wertvoll kann das Teil wohl nicht sein“, stellte sie fest, blickte zu Leon und reichte ihm die Hand.

      „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Hallo, ich bin Ramona Ortuno.“

      „Leon Hochberger, hallo. Ich verstehe auch nicht wirklich, was das sollte.“

      Sie blickten beide zu dem jungen Mann, der sie nur grimmig ansah und schwer keuchte.

      „Ich glaube, im Moment ist ihm nicht nach Reden zumute. Aber das kommt schon noch. Spätestens, wenn meine Chefin kommt“, meinte Ramona und drehte das Quadrat in ihrer Hand.

      Leon musterte die junge Frau vor ihm, die er auf maximal fünfundzwanzig Jahre schätzte. Ihre schulterlangen, braunen Locken waren wild durcheinander, ihr hübsches, etwas längliches Gesicht war rotleuchtend von der Aufregung und dem gewagten Sprung zuvor. Dennoch war ihre Haut sehr blass, vor allem für eine Frau, die in einer Stadt lebte, die sehr von der Sonne verwöhnt wurde. Sie war knapp einen Kopf kleiner als Leon, machte einen sportlichen Eindruck und ihre großen, blaugrünen Augen strahlten in ihrem Gesicht. Neben dem sympathischen Gesicht fiel Leons Blick auch auf ihre üppige Oberweite, was Ramona sofort auffiel.

      „Wenn Du Dich sattgesehen hast, können wir ...“, tadelte sie ihn.

      „Sorry, ich habe nur Angst, dass Deine Uniformbluse gleich gesprengt wird. Ansonsten tut es mir leid, ich wollte nicht ...“

      „Schon okay, solange Du nicht auf die Idee kommst, mich hier anzubaggern. Sonst gibt es Probleme mit mir und meinem Freund.“

      Leon lachte kurz auf.

      „Erstens hast Du gerade eindrucksvoll bewiesen, dass Du Dich selbst sehr gut zur Wehr setzen kannst. Und zweitens, keine Sorge. Du bist zwar hübsch und scheinst recht sympathisch zu sein, aber ich bin gänzlich uninteressiert, trotz der imposanten Oberweite.“

      Ramona sah ihn fragend an und schien falsche Schlüsse zu ziehen.

      „Nein, nicht was Du glaubst. Ich bin glücklich verheiratet und für mich gibt es nur meinen Schatz, der leider nicht mit hier sein kann.“

      Damit schien Ramona beruhigt zu sein. Sie blickte auf das Quadrat, das größer als ihre Handfläche war, und drehte es mehrmals herum. Als Leon einen kurzen Blick auf die Rückseite erhaschte, riss er die Augenbrauen hoch.

      „Warte! Darf ich kurz?“, bat er sie und hielt die Hand auf. Ramona sah ihn skeptisch an, legte ihm dann aber das Quadrat in die Hand. Der Dieb blickte erschrocken auf.

      Leon hatte auf der Rückseite eine Gravur erkannt, die er sich genauer ansehen wollte. Seine erste Vermutung war richtig, das eingravierte Symbol war ihm bekannt.

Bild 7

      „Dieses Symbol kenne ich. Es ist auf einer Schachtel, die mir mein Vater vererbt hat“, meinte Leon und zeigte ihr die Rückseite des Quadrats. Ramona sah sich das mit Dornen umschlungene Herz genauer an und grübelte nach.

      „Mir ist das Zeichen vertraut, aber ich komme nicht darauf, woher.“

      „Mir sagt es nichts, aber ich hoffe, hier in Barcelona jemanden zu finden, der sich mit meiner Familiengeschichte etwas auskennt und ...“

      „Deine Familiengeschichte?“, fragte Ramona verdutzt nach. Aber noch bevor Leon ihr antworten konnte, kamen einige Polizisten zu ihnen gelaufen. Eine kleine, ältere Frau mit mürrischer Miene und tiefen Falten im Gesicht, stürmte auf sie zu und blieb dicht vor Ramona stehen. Ihre ehemals hellbraunen Haare waren fast vollständig ergraut, aber sie machte alles andere als einen alten Eindruck. Ihre dunklen Augen blickten von Leon zu dem gefesselten Mann und schlussendlich zur annähernd gleich großen Ramona. Sie blickte nochmals zu Leon, musterte ihn genau und schüttelte kurz den Kopf. Dann wandte sie sich an Ramona und schnauzte sie mit energischer Stimme auf Katalanisch an. Leon verstand nur Bruchstücke, da sich die Sprache der Katalanen teilweise gravierend vom Spanischen unterschied.

      „Und Sie verstehen mich, stimmt´s? Wie passen Sie in das Bild hier?“, sprach sie ihn plötzlich barsch und in Spanisch an.

      „Ich war nur zufällig im selben Raum, als der Bursche das Ding klauen wollte. Mehr ...“

      „Reicht schon“, unterbrach sie ihn, „Damit können Sie uns nicht weiterhelfen. Dennoch wird Kollegin Ortuno ihre Daten aufnehmen, falls wir noch Fragen haben.“

      Sie wandte sich an Ramona und blickte sie abfällig an.

      „Wie oft habe ich Ihnen gesagt, sie sollen ihre wilde Haarpracht zusammenbinden, Frau Ortuno? Wieso sind Sie überhaupt so aufgewühlt, war der kleine Lauf so anstrengend?“, fuhr sie Ramona an und vergaß dabei, in ihre zweite Muttersprache zu wechseln. Ramonas Freundlichkeit war wie weggeblasen, sie war von der Frau vor ihr eingeschüchtert und nickte nur schuldbewusst. Wer auch immer diese Frau war, sie musste eine hohe Position in der Polizeihierarchie haben, war sich Leon sicher.

      Die mitgekommenen Polizisten führten den jungen Mann, der immer noch eisern schwieg, ab und auch die strenge Polizistin zog ab und ließ Ramona und Leon alleine stehen.

      Ramona wirkte immer noch geknickt, als sie sich zu Leon drehte.

      „Du hast Frau Martins gehört, ich benötige noch Deine Personalien.“

      „Wer ist diese Frau Martins und warum werden alle in ihre Umgebung ganz klein, wenn sie auftaucht?“, wollte Leon wissen.

      „Comissari Jasmina Martins ist eine Art Legende im katalanischen Polizeiwesen. Sie ist eine der besten und härtesten Beamtinnen, einige nennen sie auch den Bluthund der Mossos. Sie gilt als eiskalt und manche ... viele haben Angst vor ihr. Sie hat schon einige Kommissare mit ihren eigenmächtigen Ermittlungen in den Schatten gestellt, aber der Erfolg gibt ihr Recht. Deshalb habe ich mich auch auf ihr Revier versetzen lassen, um von einer der Besten zu lernen. Aber es ist nicht leicht. Noch dazu ist die Stadt zurzeit in einer Art Ausnahmezustand.“

      „Das ist mir aufgefallen. Es ist wirklich viel Polizei unterwegs.“

      „Genau Leon. In Barcelona findet das Treffen der europäischen Innen- und Verteidigungsminister statt. Sie beraten über eine gemeinsame Vorgehensweise gegen den Terror. Aber zurück zu diesem Zeichen auf dem gestohlenen Quadrat.“

      Leon sah nochmals auf die Rückseite des Teils aus Bronze. Leon fiel auf, dass es für sein Alter sehr gut erhalten war.

      „Ich kenne das Symbol, nur von der Holzschatulle, die mir mein Vater vermacht hat. Er hat nur vergessen, mir zu verraten, welche Bedeutung es hat und was für ein Familiengeheimnis er und seine Vorfahren aus Barcelona damit bewahren.“

      „Aus Barcelona? Ich dachte, Du bist Tourist?“

      „Das ist richtig. Ich bin gerade einmal ein paar Stunden in der Stadt ...“

      „Und schon mittendrin in einer polizeilichen Ermittlung. Erlebst Du immer so viel in Deinen Urlauben?“

      Leon grinste sie an.

      „Nein. Normalerweise habe ich es auf Reisen eher ruhiger.“

      „Und was verbindet Dich dann genau mit Barcelona?“, hakte Ramona weiter nach.

      „Sagt Dir der Name Sagnier etwas?“

      Ramona nickte.

      „Ein nicht unbekannter Architekt, wenn auch nicht so populär wie Antoni Gaudí. Enric Sagnier hat zum Beispiel die Kirche Sagrat Cor am Tibidabo entworfen ...“