Christoph Hoenings

DAS GESCHÄFT - TEIL 1


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er, wie Roxana eines der Häuser betrat. Pato stieg aus, um sich das Haus aus der Nähe anzusehen.

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      Zur gleichen Zeit stieg Rupert Graf vor dem Eingang des Sheraton-Hotels in Ludwig Kinzels silbergrauen Mercedes Benz. Sie fuhren zum Vertretungsbüro der Deutschen Rhein- Ruhr-Stahl AG im Zentrum Limas.

      Dort angekommen, begrüßten sie die anwesenden Angestellten mit einem Nicken und gingen geradewegs in Kinzels Büroraum.

      Charo Velasquez, die Sekretärin, die ihnen den Kaffee servierte, musterte Graf interessiert.

      Das also war, wie Señor Kinzel gesagt hatte, einer der erfolgreichsten Verkäufer von Rüstungsgütern in Deutschland!

      Als Roxana ihr Haus betrat, erhielt sie als erstes eine schallende Ohrfeige.

      "Wo hast du gesteckt, du Luder?" herrschte Garcia sie an. "Wo kommst du jetzt her?"

      Er rüttelte an ihren Schultern.

      "Warst du bei einem anderen Mann? Raus mit der Sprache, ich will es sofort wissen!"

      Roxana kannte seine Eifersuchtsszenen. Allerdings hatte er sie bisher noch nie geschlagen.

      Ihr Gesicht brannte.

      Als sie seinen Wagen hatte vor dem Haus stehen sehen, wusste sie, dass eine Szene folgen würde.

      Garcia holte erneut zum Schlag aus.

      "Wo warst du? Ich will es wissen!"

      Roxana versuchte, sich vor dem Schlag zu ducken. Seine Hand traf sie am Kopf.

      "Hör´auf!" schrie sie ihn an, "Ich komme vom Einkaufen!"

      Sie hielt den eingepackten Blumenstrauß hoch.

      Er ohrfeigte sie noch einmal. Diesmal war seine Hand so blitzschnell gekommen, dass sie nicht einmal einen Versuch machen konnte, ihm auszuweichen.

      Sie schluchzte auf.

      "Was willst du denn von mir? Gestern Abend ist es spät geworden, weil ich da im Hotel auf diesen Deutschen warten sollte. Deshalb hab´ ich ausgeschlafen. Lass mich in Ruhe!"

      Er gab ihr noch eine Ohrfeige.

      "Was war mit dem Deutschen?" wollte er wissen.

      Roxana schluchzte.

      "Was war mit dem Deutschen?" Garcias Stimme wurde schärfer.

      "Ich habe ihn angegrinst, wie du gesagt hast. Er hat zurückgegrinst. Nach einer Weile ist er mit dem andern Mann und der Frau rausgegangen. Das war´s. Und jetzt lass mich in Ruhe!"

      "Ich werde dir sagen, ob und wann du dich nochmal ins Hotel setzt." sagte Garcia.

      Roxana hörte, wie hinter ihm die Haustür zufiel.

      Sie blieb noch eine Weile liegen, leise vor sich hin wimmernd.

      Dann stand sie auf und ging mit schleppenden Schritten ins Badezimmer. Im Spiegel sah sie, dass ihre linke Gesichtshälfte von Garcias Schlägen angeschwollen war.

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      Minister Carlos Bustamante wurde nach der Landung in Trujillo an der Maschine abgeholt. Sein Leibwächter und sein Sekretär fuhren mit ihm in einer von einem Polizisten gesteuerten Limousine zweihundert Meter weiter zu einem Hubschrauber, dessen Rotor bereits lief. Erst nachdem Bustamante den Hubschrauber bestiegen hatte, durften die übrigen Passagiere das Flugzeug verlassen.

      Sobald Bustamante und seine Begleiter Kopfhörer gegen den Lärm des Motors aufgesetzt und ihre Sitzgurte festgezogen hatten, hob der Hubschrauber ab und flog in südlicher Richtung. Während des halbstündigen Fluges über die Wüste blätterte Bustamante in den Telefaxnachrichten aus Lima, die ihm der Fahrer in einem verschlossenen Umschlag ausgehändigt hatte.

      Unter den Unterlagen war ein Kurzbericht über den Deutschen Rhein-Ruhrstahl-Konzern und über die Aktivitäten von dessen Vertretung in Peru. Bustamante las über Geschäfte mit dem Stahlwerk Siderperu in Chimbote und über andere, überwiegend im Investitionsgüterbereich. Im Zusammenhang mit Rüstungsgütern war der Konzern in Peru bisher nicht in Erscheinung getreten, galt aber international als namhafter Lieferant von Geschützen und Munition und von Marineschiffen, die auf den Werften des Konzerns gebaut wurden. Das Vertretungsbüro in Lima lag drei Straßenblocks neben seinem Ministerium. Der Name des lokalen Managers war mit Ludwig Kinzel angegeben.

      Bustamante rechnete damit, gegen 17.30 Uhr in seinem Büro in Lima zurückzusein. Er wollte sich Kinzel ansehen. Außerdem hatte Fernandez heute früh einen aus Deutschland angereisten Verkaufsdirektor erwähnt. Den auch.

      Er gab über die Interkommunikationsanlage des Helikopters seinem Sekretär eine Reihe von Anweisungen.

      Bustamante schnupperte. Noch bevor er Chimbote sah, roch er es. Der Geruch nach Fischmehl wurde immer eindringlicher, als der Hubschrauber im Tiefflug über die ärmlichen Hütten am Stadtrand einschwebte. Bustamante sah in der Ferne die Schlote der Fischfabriken und des Stahlwerks Siderperu. Im Ortskern war ein großes weißes H auf einen freien Platz auf den lehmigen Wüstenboden gemalt. Genau auf dem Querstrich des H setzte der Hubschrauber unter Aufwirbeln großer Staubmengen auf.

      Die Herrschaften seines Empfangskomitees, die neben einer Reihe wartender Autos standen, wandten die Köpfe ab und hielten Taschentücher vors Gesicht, um den Staub nicht einatmen zu müssen.

      Bustamante wartete mit dem Aussteigen, bis der Rotor der Maschine zum völligen Stillstand gekommen war.

      Es war 10 Uhr 45.

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      Um elf Uhr klopfte Charo Velasquez an die Tür von Kinzels Büro.

      "Señor Kinzel, ich habe am Telefon einen Señor José Castro, den Büroleiter von Fischereiminister Minister Carlos Bustamante. Der Minister lässt fragen, ob Sie heute Nachmittag gegen 18 Uhr zu einem Gespräch in sein Büro kommen könnten. Es ginge um Schiffe für den Fischereischutz. Der Manager aus Deutschland, der gerade hier ist, sei eingeladen, mitzukommen. Wenn es nicht ginge, mögen wir einen anderen Terminvorschlag machen. Was soll ich sagen?"

      Graf und Kinzel schauten sich an. Graf nickte.

      Kinzel sagte:

      "Charo, sagen Sie Señor Castro, dass ich mit Freude die Einladung annehme. Señor Graf wird mich begleiten."

      Kaum, dass Charo draußen war, sagte Graf:

      „Man weiß, dass ich hier bin. Das bedeutet, du wirst überwacht. Wahrscheinlich sind alle deine Telefone angezapft, auch dein Handy. Kauf dir sofort ein neues Mobiltelefon, aber lass es auf jemand anderen registrieren.“

      Kinzel sah überrascht auf.

      „Auf wen denn?“

      „Jemanden, der nichts mit deinen Geschäften zu tun hat! In keinem Fall jemand von deinen Angestellten!“

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      Oberst Garcia fuhr geradewegs zurück in sein Büro.

      Roxana hatte er es gezeigt! Natürlich ging er davon aus, dass Roxana nicht die Nacht außerhalb ihres Hauses verbracht hatte. Aber die Behandlung vorhin würde sie abhalten, auch nur im Traum daran zu denken, sich mit jemand Anderem einzulassen. Mal davon abgesehen, dass er sie in der Hand hatte. Bei ihrer Einstellung damals hatte er sich genau nach ihrem Vorleben erkundigt. Es machte ihm Spaß, sich eine Freundin zu leisten, deren Eltern wegen Sympathisantentums mit einer terroristischen Organisation hinter Gittern saßen. Ob die Eltern tatsächlich je den Leuchtenden Pfad unterstützt hatten, war nie geklärt worden. Das war auch nicht nötig, der Verdacht reichte, um sie aus dem Verkehr zu ziehen. Man hatte ihnen bei der Verhaftung Kokain untergeschoben, und sie waren als Drogenhändler zu langen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Roxana und ihr jüngerer Bruder waren damals unbehelligt geblieben. Einer Sechzehnjährigen hätte man vielleicht Drogenhandel vorwerfen können, bei einem Zehnjährigen war das schwieriger. Auf alle Fälle, sollte Roxana wagen, das Verhältnis mit ihm zu beenden, wäre es ein Leichtes, zu behaupten, sie hätte sich in eine der geheimsten Stellen des