Christoph Hoenings

DAS GESCHÄFT - TEIL 1


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lange Patrouillenfahrten zu gehen. Bustamante musste zugestehen, dass die Marine in den letzten Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt worden war. Das Verteidigungsbudget war in erster Linie zur Modernisierung der Luftwaffe draufgegangen, das wusste Bustamante aus zahlreichen hitzigen Diskussionen im Kabinett.

      Immerhin, Chavez zeigte Initiative.

      Bustamante dachte auch daran, dass sich durch die reduzierten Fischfangzahlen auch seine eigenen Einkünfte verringert hatten. Als er Fischereiminister geworden war, hatte er mit dem Chef der Exportbehörde ein langes Gespräch unter vier Augen geführt, mit dem Ergebnis, dass ein Neffe seiner Frau eine Gesellschaft eröffnete, die für die Vermittlung von Exporten von Fischereiprodukten eine Provision erhielt. Mit jeder Tonne exportierten Fischmehls füllten sich Bustamantes Taschen. Nur, sie füllten sich bei weitem nicht mehr so zügig wie früher!

      Dass die Fischer und ihre Familien, die Arbeiter in den Fischmehlfabriken, immer weniger Arbeit hatten, störte Bustamante natürlich auch. Nicht, dass er besonderes Mitgefühl für diese Menschen aufgebracht hätte. Aber immer öfter musste er auf Veranstaltungen der Fischereigewerkschaft auftreten und Besserung versprechen. Manchmal wurde er sogar persönlich beschimpft. Das war unangenehm und lästig! Heute in Chimbote erwartete ihn wieder so eine unerfreuliche Aufgabe, ein Treffen mit Bürgermeister, Stadtrat und einer Delegation der Fischereigenossenschaft. Wieder würde er sich von allen drei Seiten lange Klagen anhören müssen. Die lokale Presse würde über ihn herziehen, als ob er Schuld daran hätte, dass weniger Fisch gefangen würde!

      Im nächsten Jahr waren Wahlen. Auch wenn die Regierung von Eugenio Scaloni fest im Sattel saß, die Sozialisten wurden immer stärker. In verschiedenen Provinzen stellten sie bereits Bezirksregierungen. Das machte die Regierungsarbeit in Lima schwieriger. Es würde Geld kosten, den Wahlsieg sicherzustellen.

      Diese Idee war eigentlich nicht schlecht: Er, Bustamante, könnte einige Lorbeeren in der Öffentlichkeit einheimsen, und außerdem, da war er sicher, könnte er an der Beschaffung mitverdienen. Walter Fernandez hatte völlig recht. Man müsste die Spitzenpersonen einbinden, Scaloni auf alle Fälle, ihn selbst natürlich auch.

      Gut, dass Eugenio Scaloni dem Treffen heute Abend zugestimmt hatte. Gemeinsam würde ihnen etwas einfallen.

      Bustamante hatte bereits einige festumrissene Ideen.

      Eine Stewardess kam und bat ihn, seinen Sitzgurt für die Landung wieder festzuziehen. In seinen Gedanken hatte er die Lautsprecherdurchsage völlig überhört.

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      Enrique Pato fuhr zu dem angemieteten Apartment und hörte das dort aufgebaute Tonbandgerät im Schnelldurchlauf ab. Die Unterhaltungen der Eheleute Fernandez waren nicht sehr ergiebig. Lediglich die Telefongespräche Lilianas mit ihrer Schwägerin ließen ihn grübeln.

      Was für eine Unterstützung erwartete Fernandez vom Minister für Fischerei?

      Er beschloss, zu seinem Büro zu fahren. Rechtzeitig zum Eintreffen des Mittagsessensgastes bei Fernandez wollte er im Apartment zurück sein.

      Enrique Pato war gespannt, was diese Gesprächsrunde ergeben würde. Er hatte gerade sein Büro erreicht, als sein Telefon klingelte:

      "Sanchez hier aus dem Sheraton Hotel. Der Deutsche auf 243 hatte über Nacht eine Frau in seinem Zimmer. Ich weiß nicht, ob das für Sie von Interesse ist."

      „Wissen Sie, wer sie ist?"

      "Nein, aber sie ist noch oben. Einer meiner Kellner hat gerade Frühstück serviert."

      Pato schaute auf seine Armbanduhr. Zum Sheraton Hotel brauchte er fünf Minuten. Er bestellte seinen Wagen.

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      Oberst Garcia war bereits in seinem Büro. Auch er hatte die Telefonate zwischen Liliana de Fernandez und der Dame namens Sofia abgehört. Sein Computer errechnete, dass der Anschluss der Familie Alfonso Chavez Lafuente gehörte. Dr. Alfonso Chavez war Partner in einer Anwaltskanzlei. Garcia fragte sich ebenfalls, was Fernandez von dem Fischereiminister wollen könnte.

      Was ihn aber mehr beschäftigte, war, dass Roxana noch nicht zur Arbeit erschienen war. Auf ihrem Handy antwortete immer nur die Mailbox. Dort hatte er schon fünf Nachrichten hinterlassen.

      Dass sie sich nicht meldete, machte ihn wütend und ratlos.

      Garcia beschloss, noch eine halbe Stunde zu warten. Wenn sie bis dahin nicht gekommen wäre, würde er zu ihrem Haus fahren und nach ihr sehen.

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      Während Roxana duschte, dachte sie nach. Ob Rupert tatsächlich Maschinen zur Herstellung von Präservativen verkaufte? Er hatte das mit so ernstem Gesicht gesagt. Andererseits war er genauso ernst gewesen, als er den falschen Namen genannt hatte. Wenn es um Präservativmaschinen ginge, würde Garcia nicht so interessiert an Rupert sein! Es musste schon um etwas größeres gehen! Carlos Garcia! Wenn der herausfände, dass sie die Nacht mit Rupert verbracht hatte! Sie mochte sich die Folgen gar nicht vorstellen! Aber es war die wunderbarste Nacht ihres Lebens gewesen!

      Sie genoss noch eine Weile das warme Wasser. Dann schlüpfte sie in ihre Kleider, frisierte sich und trug ihr Augen-Make-up auf. Die Strumpfhose würde sie bei dem warmen Wetter nicht brauchen, sie stopfte sie in ihre Handtasche, ebenso wie ihren Schmuck. Als sie das Badezimmer verließ, saß Rupert Graf im Bademantel mit gekreuzten Beinen auf dem Bett und blätterte in der Zeitung. Gleichzeitig lief im Fernseher eine Nachrichtensendung auf CNN. Graf stand auf, um sie zu verabschieden.

      "Vielen Dank, Roxana, es war eine aufregende Nacht."

      Sie schmiegte sich an ihn.

      "Für mich auch, Rupert. Sehe ich dich wieder? Bitte!"

      "Eigentlich gern. Nur, ich weiß noch nicht, wie der Tag heute abläuft."

      "Kann ich heute Abend wiederkommen? Es macht nichts, wenn es spät wird."

      "Kann ich dich anrufen?"

      Sie gab ihm ihre Handynummer.

      Als sie in der Hotelhalle aus dem Aufzug stieg, achtete sie nicht auf die beiden Herren auf einem Sofa in der Lobby. Sie sah auch nicht den Kellner, der wenige Meter weiter mit einem Tuch die Tische abwischte. Hätte sie ihn gesehen, hätte sie in ihm vielleicht den Zimmerkellner erkannt, der das Frühstück gebracht hatte. Roxana ging geradewegs zum Ausgang. Der Kellner nickte den beiden Herren zu. Einer der Herren folgte Roxana hinaus auf die Straße und beobachtete, wie sie in einen vor dem Hotel geparkten Volkswagen Käfer stieg. Roxana fuhr los, umrundete mit ihrem Wagen die Grünfläche mit dem Denkmal von Almirante Grau und fuhr auf die Via Expresa.

      Dass ihr ein Fahrzeug folgte, konnte ihr im Verkehrsgewimmel nicht auffallen.

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      Oberst Carlos Garcia hielt es nicht mehr aus. Er nahm Jackett und Autoschlüssel, verließ sein Büro und stieg in sein Auto. Er kam noch vor Roxana bei ihrem Haus an und stellte fest, es war verschlossen. Auf der Fahrt hatte er auf der Gegenfahrbahn Ausschau nach Roxanas Käfer gehalten. Jetzt griff er nach dem unter einem Blumentopf versteckten Hausschlüssel und öffnete die Tür. Dann setzte er sich in Roxanas Wohnzimmer, um zu warten.

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      Roxana fuhr nicht sofort nach Hause, sondern hielt an einem Blumengeschäft. Dort bat sie die Verkäuferin, einen Blumenstrauß zusammenzustellen.

      Während sie wartete, rief Roxana über ihr Handy ihr Büro an, um zu sagen, dass sie sich verspäten würde, sie hätte verschlafen. Ihre Kollegin stand sofort nach dem Anruf auf, um Oberst Garcia, der schon mehrmals nach Roxana gefragt hatte, zu unterrichten. Garcias Sekretärin sagte ihr, der Oberst habe vor zehn Minuten das Haus verlassen.

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      Enrique Pato hatte über Mobiltelefon in der Verkehrsbehörde herausfinden lassen, auf wen das Fahrzeug zugelassen war. Er pfiff durch die Zähne, als er wenige Minuten später die Antwort erhielt. Sie beobachteten, wie Roxana in dem Blumenladen verschwand und kurze Zeit später mit einem Strauß in der Hand wieder erschien und weiterfuhr. Roxana bog wenige hundert Meter weiter in eine Seitenstraße mit kleineren Wohnhäusern.