Christoph Hoenings

DAS GESCHÄFT - TEIL 1


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de Fernandez bot Getränke an. Graf entschied sich für ein Glas frischgepressten Orangensaft, Kinzel für Whisky und Walter für ein Glas Sherry. Liliana gab die Bestellung an das Dienstmädchen weiter, das wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Alle ließen sich auf den weißen Sofas nieder. Bis das Mädchen die Getränke servierte, erging man sich im Austausch von Höflichkeiten.

      Liliana bewunderte insgeheim die Kleidung Grafs. Er trug einen ganz leichten, seidig glänzenden dunkelgrauen Einreiher, dazu ein hellblaues Hemd. Seine dunkelrote Krawatte war hellblau gepünkelt. Sie fand Graf ausgesprochen elegant.

      Sie stellte weiterhin fest, dass er am rechten Handgelenk einen goldenen Armreif trug und am linken Handgelenk eine Armbanduhr von Cartier.

      Um Punkt ein Uhr ertönte eine melodische Türglocke, und Walter stand auf und ging hinaus, um den Ankömmling zu begrüßen.

      Graf hörte aus dem Flur Stimmengemurmel, dann schob Walter Admiral Rogerio Chavez vor sich her ins Wohnzimmer.

      `Mein Gott´, dachte Graf. ´Kommt der Kerl tatsächlich im vollen Wichs!´

      Admiral Chavez trug eine weiße Sommeruniform. Die vier goldfarbenen Sterne auf seinen Schulterklappen glänzten. Auf seiner Brust prangten eine Ordensspange sowie die Abzeichen seiner bisherigen Verwendungen in der Marine. Der dicke Goldring mit hellblauem Stein am rechten Ringfinger wies ihn als Absolventen der Marineakademie aus.

      Chavez machte einen durchtrainierten Eindruck, nicht sehr groß, aber zäh und drahtig. Sein Haar, trotz seiner Altersgleichheit mit Fernandez, war stahlgrau.

      Nachdem Chavez Liliana mit Wangenküssen begrüßt hatte, wurden Graf und Kinzel von Walter vorgestellt.

      Graf sagte:

      "Mi Almirante, es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie kennenzulernen."

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      Roxana Torreblanca stand auf und trocknete vor dem Spiegel ihre Tränen. Sie nahm einige Eiswürfel aus dem Gefrierfach, wickelte sie in ein dünnes Handtuch und drückte sich dieses auf die verweinten Augen. Ihre linke Wange, auf die Garcia sie geschlagen hatte, tat zwar immer noch weh, war aber wieder abgeschwollen. Seine Schläge hatten Gottseidank keine sichtbaren Spuren hinterlassen!

      Sie zog sich weiße Jeans über und eine Bluse, schlüpfte in ein Paar Sandaletten und zog die Augenlider mit einem Stift nach.

      Dann verließ Roxana ihr Haus, nicht ohne sorgfältig die Tür abzuschließen, und ging zu ihrem Auto.

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      Als Oberst Carlos Garcia schräg gegenüber von Walter Fernandez´ Haus im Schatten einer Palme parkte, war der Wagen von Kinzel noch nicht zu sehen. Es waren auch keine anderen Autos so geparkt, die ihn hätten vermuten lassen, dass sie zu Besuchern dieses Hauses gehörten. Nach zehn Minuten kam der Mercedes von Kinzel vorgefahren, Graf und Kinzel stiegen aus und verschwanden im Hauseingang. Nach einer weiteren Viertelstunde bogen ein schwarzer Toyota und ein schwarzer Dodge um die Ecke und hielten vor Fernandez´ Haus. Garcia glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, als aus dem Toyota drei Marinesoldaten heraussprangen und mit den Augen die Umgebung absuchten. Sie trugen Waffen. Erst nach einer halben Minute sprang auch der Fahrer des Dodge aus dem Fahrzeug, ebenfalls in Marineuniform. Er lief um das Auto herum und riss die hintere rechte Tür auf und nahm Haltung an.

      Garcia erkannte auf Anhieb den Mann in der blendend weißen Uniform, der jetzt mit festen Schritten auf die Haustür zuging. Er hatte ihn oft in Fernsehnachrichten, aber auch bei offiziellen Paraden gesehen.

      Während Garcia beobachtete, wie Admiral Rogerio Homer Chavez, Jefe de la Armada Peruana, darauf wartete, dass sich die Tür öffnete, freute er sich, dass er den richtigen Riecher gehabt hatte.

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      Auch Enrique Pato freute sich, dass seine Vermutung richtig gewesen war. Wenn Admiral Chavez in Fernandez Wohnung war, musste es tatsächlich um ein Marineprojekt gehen! Er lauschte über seinen Kopfhörer der Unterhaltung. Er hörte, wie Liliana de Fernandez fragte, was sie Rogerio zu Trinken anbieten könne, wie Chavez Sherry bestellte, und wie Chavez Graf fragte, ob er eine gute Anreise gehabt habe. Pato war erstaunt über das flüssige Spanisch bei Grafs Antwort. Dann wurde ein paar Minuten über die Weltpolitik gesprochen, über die derzeitige Situation in Deutschland, über den sich langsam abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwung in Peru. Man schien sich zuzuprosten, und es wurden Bemerkungen gemacht, wie nett es sei, hier zusammenzutreffen. Er hörte Lilianas Stimme, die sagte:

      "Ich ziehe mich zurück, Ihr habt sicherlich etwas zu besprechen."

      Er hörte Geräusche, die so klangen, als seien alle aufgestanden, als Liliana den Raum verließ, und das Schließen einer Tür.

      Im nächsten Augenblick fluchte Enrique Pato laut auf.

      Soeben hatte Graf gesagt:

      "Señores, es ist ein so schöner Tag, wollen wir die Unterhaltung auf der Terrasse fortsetzen?"

      Pato konnte hören, wie sich Schritte entfernten, und dann war nur noch etwas zu hören, was nur mit viel Optimismus als Stimmengemurmel hätte interpretiert werden können.

      Pato betete, dass die Techniker der PIP mit ihren Computern hieraus noch würden etwas herausholen können.

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      Roxana war heilfroh, dass Garcias Auto nicht auf seinem Parkplatz stand, als sie auf den Hof des Bürogebäudes der Inteligencia Militar einbog.

      Sie fuhr mit dem Aufzug in ihre Büroetage, entschuldigte sich bei der Stellvertreterin von Garcia für ihre Verspätung und beantragte aus familiären Gründen Urlaub für die nächsten Tage. An ihrem Arbeitsplatz warf sie ihren Computer an und schaltete sich in das hausinterne Netz. Dann fragte sie die Dateien ab, um zu sehen, ob der Name Rupert Graf irgendwo erwähnt war. War er nicht. In der vergangenen Nacht hatte sie, während Graf im Bad war, seinen Kofferanhänger untersucht, der ihn als Senatorkarteninhaber der Deutschen Lufthansa auswies und der neben Ruperts Namen auch den des Unternehmens angab, für das er arbeitete. Sie fragte den Computer nach "Deutsche Rhein-Ruhr-Stahl AG". Auch nichts.

      Das war verwunderlich. Wenn Garcia an etwas arbeitete, was Graf oder diese Gesellschaft betraf, hätte hierfür eine Angabe existieren müssen. Die Mitschnitte von Telefonaten wurden in Dateien genannt, die wiederum angaben, wo die entsprechenden Tonbänder zu finden waren. So war es vorgeschrieben. Wenn Garcia solches Interesse an Graf hatte, um sie mitten in der Nacht ins Sheraton zu schicken, damit sie Graf aushorchte, musste er beim Abhören eines Telefonats auf dessen Namen gestoßen sein. Da es für diese Telefonate keine Datei gab, blieb nur eine Folgerung:

      Garcia hatte die Gespräche nicht registriert! Roxana war klar, dass sie in dem Tonbandarchiv umsonst suchen würde. Ihr kam noch eine Idee. Rupert war gestern mit diesem Paar in der Hotelbar gewesen, und sie hatten Deutsch gesprochen. Konnte die Deutsche Rhein-Ruhr-Stahl ein Büro in Lima haben? Um dies herauszufinden, konsultierte sie ein Telefonbuch. Da waren sie, fettgedruckt mit Anschrift und Telefon- und Faxnummer! Wer könnten die beiden Leute gewesen sein? Vermutlich der hiesige Büroleiter mit seiner Frau. Rupert machte nicht den Eindruck, als sei er subalterner Angestellter, und dann würde sich der hiesige Chef auch in der Freizeit um ihn kümmern, insbesondere wenn Rupert einem Geschäft nachging, das wiederum für Garcia so wichtig war, dass er die Dienstordnung unterlief. Wie fand sie jetzt bloß den Namen des Büroleiters heraus? Stahl AG? Das klang ähnlich wie das englische Wort `Steel`!

      Sie wählte die im Telefonbuch angegebene Nummer. Als sich eine Telefonistin meldete, sagte Roxana:

      „Ich rufe aus der Geschäftsführung des Lima-Büros von Siderperu. Könnte ich bitte mit dem Leiter Ihrer Gesellschaft verbunden werden?"

      „Das tut mir leid," erhielt sie zur Antwort. „Señor Kinzel ist im Moment nicht hier. Kann Ihnen jemand anderer helfen oder können wir zurückrufen?"

      „Nein, vielen Dank, wir melden uns wieder," sagte Roxana schnell und legte auf.

      Sie durchsuchte daraufhin die Dateien nach dem Namen Kinzel. Wieder nichts. Sicherheitshalber notierte sie sich die Anschrift und die Telefonnummer