Wilma Burk

Wo du hingehst, will ich nicht hin!


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darum bemühen, einen richtigen Job zu finden. „Wahrscheinlich macht sie das nur aus Rache, damit er zahlen muss und dem Mann nichts erlassen wird.“

      „Siehst du das nicht zu einfach? Sie kann ganztags nicht arbeiten gehen, weil sie ihre beiden noch kleinen Kinder nicht weggeben will. Und das macht sie nicht aus Rache, sondern um der Kinder willen. Sie möchte Zeit für die Kleinen haben, bis sie alt genug sind und von ihrer Hand losgelassen werden können“, hielt ich ihr entgegen.

      Erstaunt richtete sich Susanne auf und blickte mich an, als wäre ich weltenfremd. „So ein Quatsch! Kinder müssen unter Kinder, die gehören in einen Kindergarten.“

      „Der aber kostet Geld. Wie viel würde ihr bei ihrem sicher nicht allzu hohen Verdienst dann noch übrig bleiben?“

      „Kati, erzähl mir nichts. Ich habe auch drei Kinder. Wir hatten auch nicht immer viel Geld und haben das Problem gelöst, obgleich ich den ganzen Tag im Laden beschäftigt war.“

      „Dennoch wird euer gemeinsamer Verdienst höher gewesen sein, als ihn Frau Müller allein je erreichen könnte.“ Am liebsten aber hätte ich sie daran erinnert, wie wenig Zeit sie für ihre Kinder gehabt hatten und dass sie ihnen mitunter sogar im Wege gewesen waren bei ihren beruflichen Verpflichtungen. Doch ich sagte es nicht, dachte nur: Haben sie in Berlin nicht immer noch neben Kindergarten und Pflegestelle die Hilfe von Margot gebraucht, wenn sie wieder nicht wussten, wohin mit den Kindern, weil es für sie Wichtigeres zu tun gab? Wie oft hatte Robert Spätdienst und Susanne musste zu einem wichtigen Geschäftstreffen oder am Abend länger im Geschäft bleiben. Jede Beschäftigung bringt nun einmal Verpflichtungen mit sich. Und die Verpflichtungen den Kindern gegenüber? Manchmal habe ich das Gefühl, als sei dies heutzutage zweitrangig.

      Als ich diesen, meinen letzten Gedanken aussprach, richtete sich Susanne empört auf. „Nur weil ich mir erlaube, auch eigene Interessen zu haben, sind mir meine Kinder doch nicht weniger wichtig. Die Sklavin der Familie aber bin ich nicht!“, widersprach sie mir.

      „So habe ich das nicht gemeint. Niemand sollte das sein“, schwächte ich ab.

      Sklavin der Familie, wie kommt sie darauf? Welch ein Ausspruch! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Mama sich früher jemals so gefühlt hatte. Auch Margot schien das nie so zu empfinden. Warum gerade Susanne?

      Ich finde es wirklich nicht falsch, dass eine Frau nach Unabhängigkeit strebt und Geld verdienen möchte, doch ihre Möglichkeiten dabei sind noch viel zu sehr begrenzt. Was bedeutet das für die Jahre, in denen sie eigentlich Zeit für ihre Kinder haben sollte? Reichen da drei Jahre Erziehungsurlaub nach der Geburt, wovon auch nur ein bestimmter Kreis der Frauen Gebrauch machen kann? Und viele haben hinterher Schwierigkeiten, wieder einen vergleichbaren Arbeitsplatz einnehmen zu können? Manchmal kommen mir die Frauen blind vor, wenn sie sich in die Arbeitswelt der Männer drängen, die noch nie mit ihrem Beruf Rücksicht auf Kinder nehmen mussten. Und mit jedem Bisschen, was ihnen gewährt wird, glauben die Frauen, dass sie Großartiges erreicht haben. Dabei ist ihnen diese Gesellschaft noch immer die annehmbare Lösung schuldig, Kinder und Beruf im Leben einer Frau miteinander vereinbaren zu können. Bis jetzt ist dafür der Anfang gemacht worden, mehr nicht.

      Lebhafte Stimmen vorm Haus beendeten unser Gespräch. Traudel und Karl-Heinz brachten die Kinder mit blanken Augen, roten Bäckchen und aufgeregt durcheinander redend zurück. Petra hing verschlafen auf Opas Arm. Sie erwachte aber sofort, als sie Julchen sah. Nun war wieder Leben im Haus, jeder wollte etwas anderes, es ging treppauf und treppab.

      So langsam gewöhnte ich mich daran. Es gab kein Genießen der Ruhe mehr, wenn sie alle weg waren. Ich sah auch nicht mehr hin, wie hektisch und ohne großen Erfolg Susanne ihre Hausfrauenarbeit erledigte. Sie war nun einmal mehr eine Geschäftsfrau als eine Hausfrau. Das war nicht zu übersehen. Sie hatte die Dinge einfach nicht im Griff. Sie schimpfte mit den Kindern zwar über ihre Unordnung, die sie um sich verbreiteten, so dass ich manchmal meine Räume nicht mehr erkannte, aber sie verstand es auch nicht, alles so zu organisieren, dass niemand mehr über seinen eigenen Kram stolperte. Sie war eben zu lange eine Haushaltshilfe gewöhnt gewesen.

      Zum Glück hatte ich meine gute Müllern. Wenn sie jetzt putzen kam, stöhnte sie mitunter darüber, wie die Räume aussahen. „So etwas kenne ich sonst nicht. Bei uns würde niemand alles hinwerfen, wo es ihm gefällt.“ Doch dann schaffte sie es, das Chaos wenigstens für kurze Zeit wieder zu beseitigen.

      *

      Die Ferien gingen zu Ende und der Tag, an dem Christine und Dani zum ersten Mal in ihre neuen Schulen gehen sollten näherte sich. Dani kam nun auch in die höhere Schule wie Christine. Tagelang vorher konnte sie kaum noch etwas essen vor Aufregung. Nachts erwachte sie von Alpträumen geplagt.

      Ich sah den beiden nach, als sie an dem Morgen zum Bus gingen, mit dem sie vorerst von hier aus nach Harzerode zum Gymnasium fahren mussten. Dani ließ sich von Christine hinterherziehen. Mit Tränen in den Augen hatte sie sich verabschiedet. Susanne seufzte: „Von wem hat sie nur diese Scheu und Ängstlichkeit?“

      *

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