Wilma Burk

Wo du hingehst, will ich nicht hin!


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das ist der einzige Nachteil. Die Räume sind groß, doch zu wenige“, überlegte Susanne.

      „Das kann man ändern“, behauptete Robert. „Große Räume kann man teilen, so können aus zwei vier werden.“

      „Was das aber kostet, Robert! Das Haus ist ziemlich eingewohnt. Allein das Bad müsste erneuert werden. Das wird teuer genug.“

      „Wenn wir es kaufen, lohnt es sich.“

      „Hast du aber auch daran gedacht, wie lange es dann dauert, bis wir dort einziehen können?“, fragte jetzt Susanne.

      Sogleich sahen mich alle erwartungsvoll an. Einen Moment stutzte ich und zögerte.

      Daraufhin seufzte Susanne und sagte „Das können wir Kati unmöglich zumuten.“

      „Nein, nein! An mir soll es nicht liegen“, versicherte ich hastig. Doch schon kurz danach dachte ich: Habe ich das wirklich gesagt?

      „Wundervoll, Kati!“, freute sich Robert sofort erleichtert. „Dann können wir alles in die Wege leiten.“

      Bereits kurze Zeit später fuhren Robert und Susanne los, um alles festzumachen. Die Kinder blieben bei mir.

      Draußen schien die Sonne. Es war ein schöner Sommertag. Christine aber hockte im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Es gab einen Film, den sie unbedingt sehen wollte. „Würden dir das deine Eltern erlauben?“, fragte ich.

      „Ach, was! Zu Hause habe ich meinen eigenen Fernseher. Da kann ich sehen, was ich will“, antwortete sie, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.

      Dani und Petra hockten im Garten zusammen. Dani war eifrig bemüht, Julchen heranzulocken und Petra beizubringen, wie sie mit ihr umgehen musste. Und – Oh, Wunder! - sie schaffte es, dass Julchen sich neben sie setzte und von Petra wirklich streicheln ließ. Doch ich sah wohl, Julchen saß nur auf dem Sprung. Dann kam es, wie ich es gehofft hatte, Petra verlor das Interesse daran und wollte lieber in einer Ecke des Gartens mit ihren Buddelformen im Sand spielen.

      Das sah ja so aus, als könnte ich mich ein Weilchen in mein Arbeitszimmer zurückziehen und an meinen Texten arbeiten. Also zog ich mich mit Julchen zurück. Doch es dauerte nicht lange, da klopfte es. „Kati, kann ich mal telefonieren?“, fragte mich Dani.

      Natürlich gewährte ich ihr das. Sie nahm das schnurlose Telefon und verschwand damit nach oben in ihr Zimmer. Die Zeit verging, sie brachte das Telefon nicht zurück. Misstrauisch ging ich hoch. Tatsächlich, sie telefonierte immer noch. Dabei rannen Tränen über ihr Gesicht. Ich zeigte auf die Uhr. Sofort brach sie das Gespräch ab und versuchte verschämt, mit ihren vom Garten schmutzigen Händen ihre Tränen aus dem Gesicht zu wischen, so dass sie nur alles verschmierte.

      „Dani, was ist los?“ Mühsam ließ ich mich neben ihr auf die Matratze nieder, nahm sie in den Arm und wischte ihr mit einem Tempotuch das Gesicht ab. Dabei spürte ich, wie sie sich an mich schmiegte. Ob Susanne überhaupt in der Lage war, sie jemals so in den Arm zu nehmen? Margot, ja, die konnte das. Doch sie war für Dani jetzt zu weit weg. Ich drückte sie an mich und fragte verwundert: „Mit wem hast du denn so lange telefoniert, dass du dabei weinen musstest?“

      „Mit meiner Freundin“, schluchzte sie. „Die wusste noch gar nicht, wie es hier ist. Das musste ich ihr doch erzählen.“

      „Natürlich! Das ist ein Grund für ein so langes Gespräch. Aber warum hast du dabei geweint?“

      „Weil wir uns nun nicht mehr sehen können.“

      „Ach, so! Ja. Doch …“

      „Es ist wirklich schön bei dir, Kati“, fiel sie mir ins Wort. Dann druckste sie herum, bis sie leise sagte: „Ich wäre lieber in Berlin geblieben. Da kannte ich alles, hier ist mir alles so fremd.“

      Sacht drückte ich tröstend ihre Hand. „Das ist nur am Anfang so. Glaube mir, bald wirst auch du dich hier nicht mehr fremd fühlen, besonders wenn ihr erst in Harzerode in euerm Haus wohnt und du vielleicht in der Schule eine Freundin gefunden hast.“

      „Nein!“ Energisch schüttelte sie ihren Kopf, dass die Haare flogen. „Das sind doch alles Fremde in der Schule. Die kenne ich nicht. Außerdem verrate ich meine Freundin nicht und suche mir hier keine andere.“ Erneut flossen Tränen.

      „Oh, Gott, die Heulsuse!“ Plötzlich stand Christine in der Tür. „Was soll ich denn erst sagen? Mein Freund und ich, wir wollten uns auch nicht trennen. Denk bloß nicht, dass deine Britta sich keine andere Freundin sucht. So was macht vielleicht ein Freund wie meiner nicht, aber sonst …“

      Spontan waren die Tränen versiegt. „Wie kannst du das behaupten. Was weißt du schon von uns?“, erwiderte Dani zornig.

      Christine reagierte nicht darauf, sie hatte das Telefon entdeckt. „Was denn, hat Dani etwa telefoniert? Dann will ich meinen Freund auch anrufen“, forderte sie.

      Ich seufzte. „Aber nicht zu lange“, sagte ich nur, hatte große Mühe, aus der Tiefe der Matratze aufzustehen, und ging vom Sitzen steif aus dem Zimmer.

      Ich bekam noch mit, dass Dani etwas in einem Schrank suchen wollte. Doch Christine wies sie sofort mit den Worten hinaus. „Ich brauche keine Zuhörer, wenn ich mit meinem Freund telefoniere.“

      „Was du schon mit ihm zu reden hast, ist doch nur albernes Geschwafel“, moserte Dani und äffte sie nach: ,,Gerd, du fehlst mir so. Mich macht hier einfach nichts an ohne dich.“

      „Raus, mach 'ne Fliege!“, hörte ich Christine rufen, als ich unten an der Treppe stand.

      Krachend flog oben die Tür zu. Wütend folgte mir Dani.

      Ich sah mich nach ihr um, da hörte ich Petra im Garten schreien. Du liebe Zeit, an sie hatte ich nicht mehr gedacht. Sie war allein im Garten geblieben. Und Julchen, wo war Julchen? Nein, zum Kinderhüten schien ich mich wirklich nicht zu eignen.

      Dani überholte mich und rannte durch das Wohnzimmer. Jetzt hörte ich auch Julchen bellen. Dann endlich sah ich Petra. Heulend kam sie auf das Haus zugelaufen und Julchen bellend hinterher. Oh, Gott, hatte Julchen ihr etwas getan? Ich rannte so schnell ich konnte hinaus. Dani hatte Petra schon vor mir erreicht.

      Doch Julchen bellte wohl nur wegen des ungewohnten Geschreis, was sie nicht kannte. Sie hatte ihr nichts getan. Petra hatte sich nur an einem Ast den Arm leicht verletzt, als sie zu Julchen unter das Gebüsch kriechen wollte.

      Dani nahm sie in ihre Arme. Sofort versiegten die Tränen. Ich machte ihr ein Pflaster auf die Wunde und gab jedem noch ein Eis. Danach gingen sie wieder in den Garten, als hätte es keine Tränen gegeben und spielten miteinander weiter.

      Ich setzte mich leicht erschöpft auf die Terrasse. Den Versuch, mich in mein Zimmer zurückzuziehen und noch ein Weilchen an meinem Schreibtisch zu arbeiten, gab ich auf. Ich war froh, als Robert und Susanne zurückkamen.

      ‚Und die Kinder haben noch drei Wochen Ferien, bis hier die Schule wieder beginnt’, dachte ich. Doch vielleicht gewöhnte ich mich ja daran und ließ mich nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen.

      *

      Mit der Ruhe aber war es so ziemlich vorbei. Robert begann in seinem Krankenhaus zu arbeiten, während Susanne alles für den Umbau und die Renovierung des Hauses organisierte. Dazu war sie viel unterwegs. Manchmal nahm sie Christine mit, meistens jedoch blieb auch sie bei mir, wie die beiden andern. An Kinder bisher nicht gewöhnt, hatte ich plötzlich gleich drei davon. Dani wusste stets etwas mit sich anzufangen, steckte auch meistens mit Petra zusammen, aber Christine wollte dauernd wissen, was sie machen sollte, wo wir hinfahren oder was man bei uns unternehmen könnte. Mehr als einmal stellte sie fest: „Ist das langweilig! Hier gibt es ja nicht mal eine Disko.“

      „Hör mal! Dafür wärst du noch viel zu jung", wunderte ich mich.

      „Das glaubst auch nur du. Mam würde es mir erlauben, nur Vati hat etwas dagegen. Doch hier finde ich ja nicht einmal eine, selbst wenn ich hingehen könnte“, meckerte sie herum.

      Mein Radio brauchte ich nicht mehr einzuschalten.