Frank Habbe

Zoomed


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breiten, dunklen und die ganze Wohnung durchlaufenden Flur, liegt Zimmer Nummer zwei. Fenster ebenfalls zur Mercer, Lärm und Staub von daher identisch. Statt Bett und Schrank aber Couch, Sessel und ein alter Apothekertisch, bis auf Letzteren alles über und über beladen mit

      - alten Zeitungen

      - gebrauchten Klamotten

      - leeren Pizzakartons und ähnlichem

      kurz - es handelt sich um mein Arbeitszimmer.

      Das brauche ich, um ab und an das Geld für Zeitungen, Kleidung und Pizza zu verdienen.

       Wie, der arbeitet von zu Hause?

      Leute, das hat Gründe, auf die ich noch zurückkommen werde.

      Und bitte wo arbeitet ein Mann mittleren Alters, mit Bart, Bauchansatz, Brille und geringer Sozialkompetenz?

      Genau, in der IT...

      Gestatten, Robert Welsh, freiberuflicher Softwareentwickler.

      Meine Arbeiten liefere ich per Mail oder FTP ab, das Geld wird mir überwiesen. Keinerlei persönlicher Kontakt zu Auftraggebern, Buchhaltern oder Bittstellern nötig. Besser für alle Parteien, denke ich.

      Ob ich an der Uni war?

      Selbstverständlich nicht! Ich bin Autodidakt, habe mir mein Wissen mit den Jahren zusammengegoogelt. Was prächtig funktioniert.

      Die seltenen Besucher von 2C würden bei all der Unordnung befremdet auf den fast schon klinisch reinen Apothekertisch starren, auf, neben und unter dem ein breitgefächertes Arsenal an Motherboards, Monitoren und Laptops blinkend und sauber nebeneinander aufgereiht steht.

      Versteht mich nicht falsch. Ich bin kein programmiergeiler Nerd, der sich auf seine Künste einen abwichst. Ich mag’s nicht mal und setze mich so selten wie möglich vor die Rechner, aber für Drinks und Pizza muss ich halt manchmal doch ran.

      Wenn 2C allerdings bald an the donald fällt...

      Und genau da kommt der TERMIN ins Spiel. Dazu müsst ihr wissen, dass ich mein Geld quasi im Schlaf verdiene. Leider nicht das Geld, das ich alltäglich zum Leben brauche, sondern das Geld im Sinn.

       Geld im Sinn?

      Gut, ich versuche, es euch zu erklären: es hängt alles mit Investment-Boni, verwöhnten Central Park West-Kids, Börsen-Rallyes, reichen Russen, Chinesen, Arabern, Irokesen oder Mongolen zusammen.

      Was?

      Na, der unstillbare Drang in Manhattans Süden. Der Wunsch, dort zu wohnen, abzuhängen, dabei zu sein, zu investieren.

      Seit Jahren geht das so. Und deswegen steigt der Wert des Hauses und so auch vom gammligen 2C kontinuierlich an - auf zuletzt 18K pro Quadratmeter. So lautet jedenfalls das Angebot des raffsüchtigen the donald im Kleinstformat, der das ganze Gebäude niederreißen und an der Stelle Townhouses zu je sieben Mio bauen will.

      Inzwischen hat er fast das ganze Haus zusammen.

      Mit :::AUSNAHME::: von 2C...

      Daher dieser irrsinnige Preis, der jeden von uns um eine gute Million schwerer machen würde. Im Schlaf verdient, aber noch nicht auf dem Konto.

      Ergo im Sinn. Verstanden?

      Aber wie es aktuell aussieht, naht die Transformation des Sinns zu einem :::FETTEN::: Plus auf unseren Konten in atemberaubenden Tempo.

      Kein Wunder, dass Jeff da sichergehen will. Erinnert er sich doch sicher mit Schrecken an einen Termin im letzten Jahr, bei dem ich seinen Makler mit gezücktem Brotmesser aus der Wohnung vertrieben hatte. Gut, in der Nacht zuvor war es bei mir etwas länger gegangen, meine Laune von daher nicht die Beste gewesen. Außerdem war ich noch nicht so weit gewesen, 2C so einfach dem schnöden Mammon zu opfern. Immerhin hatte ich Jeff danach Besserung gelobt. Somit sind keine Probleme beim jetzigen TERMIN zu erwarten. Außerdem, bis auf :::EIN::: Detail wird mir dieses Loch nicht fehlen. Aber dazu später mehr.

      „Ich weiß Jeff, Donnerstag. Was haben wir heute?“

      Ein Grunzen, das wohl ein Lachen sein soll, schnaubt mir aus dem Hudson Valley entgegen. „Montag, Bruderherz.“

       Vielen Dank für die Belehrung, Arsch!

      Ich lege auf, gehe in die Küche und brühe mir einen Filterkaffee. Die Küche ist neben einem verwinkelten, innenliegenden Bad der einzige weitere Raum, den ich in 2C betrete.

       2. Kapitel

      So, jetzt zum Detail von eben: Reeva

      Ist wohl am besten, wenn ich sie kurz beschreibe. Zuerst muss ich allerdings betonen, dass sie vom Äußerlichen her eigentlich so rein gar nicht mein Typ ist! Das fängt schon den gelockten Haaren an.

       Warum?

      Na, ich :::HASSE::: Locken. Und bei Reeve reichen ihr die dunklen, fast schwarzen Korkenzieher bis über die Schulter. Bei ihrer gertenschlanken Figur misst sie vielleicht eins sechzig, und da kommen wir zum zweiten Maluspunkt: Sie ist so was von schmal gebaut, Busen und Po quasi inexistent. Ich tippe auf 65AA, Size 0.

      Perfekt, um ein Kleid dran zu hängen, ich hingegen bevorzuge mehr den Rubenstyp ab Kleidergröße 42.

       Und bitte was fasziniert ihn dann an ihr?

      Ganz einfach, der Rest.

      Sprich, vor allem ihr Gesicht.

      Unter feingeschwungenen Brauen schauen zwei braune, kindchenschemagroße Augen, die dazwischen liegende Nase läuft über einen leichten Höcker auf ihre wohlgeformte Spitze zu. Darunter ein Mund mit an den Seiten schmalen, sich zur Mitte hin weitenden Lippen, die stets von einem Lächeln umspielt werden, das ihre weißen Zahnreihen nur so blitzen lässt. Dazu die nordwest- und -östlich von ihren Mundwinkeln auftretenden Grübchen, die einen Dauerplatz auf ihren Wangen einnehmen.

      - Haut: alabasterhaft, wie Porzellan

      - Ohren und Kinn: klein und zierlich

      - Finger: feingliederig, wie Saibashi-Stäbchen

      - ein schlanker, Sonnenrallengleicher Hals

      - sanft hervorstehende Schlüsselbeine

      - schmale, wohltrainierte Fesseln

      - und und und und

      Alles in allem allemal ausreichend, die Defizite bei Haaren, Brust und Hintern auszugleichen.

      Ach so, sie ist geschätzte fünfundzwanzig, und damit fünfzehn Jahre jünger als ich...

      Der Gedanke an Reeva treibt mich zurück ins Arbeitszimmer. Mit meinem heißen, ungesüßten Kaffee stelle ich mich an die Jalousie. Durch ihre nach unten geklappten Lamellen gelangt nur ein diffuses, mattes Licht in den Raum. Rechts unten, kurz über dem Fensterbrett habe ich eine kleine Aussparung in die Jalousie geschnitten, gerade groß genug für das 300er Canon-Tele. Das habe ich mit einer EOS C100 verbunden, die auf ein uraltes Stativ aus Stahlblech geschraubt ist. Mit der freien rechten Hand aktiviere ich das Display der Kamera, beuge mich ein wenig vor und starre auf das gestochen scharfe Kamerabild.

      Was ich sehe?

      Eine kupfern schimmernde Tür, links und rechts umrahmt von zwei riesigen, bodentiefen Glasfenstern.

      Und dahinter?

       RUGGED

      Bloß ein weiterer Soho-Style Fashion Store voller Bohos, Hippos, NoNos und ein paar blasierten Shop-Assistants, mag man denken...

      Ich gehöre definitiv zu man, allerdings mit einer Einschränkung: Reeva ist definitiv :::NICHT::: blasiert...!

       3. Kapitel

      Zugegeben, anfangs habe ich dem Laden