Frank Habbe

Zoomed


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      Das da so ein Modeladen reinging?

      War abzusehen, mir aber auch egal.

      In den Jahren zuvor hatte ein asiatischer Gimmickshop dringesessen. Schon allein dessen knallbunte Auslage mit all seinen batteriebetriebenen, permanent fiependen und heulenden Sirenen hatte mir den Zahn gezogen. So war ich zutiefst beglückt, als Mr. Wong mitsamt seinem Plastikschrott endlich verschwunden und die Arbeiten an Madame Richs Luxus-Shöppchen beendet waren.

      Wie, genau :::DIE::: bitte-nennen-Sie-mich-Gladis-Rich?

      Genau, eben die

      1. geldadlige Eigentümerin

      2. Upper-West-Side-Penthouse-Bewohnerin

      3. gelangweilte Brunch-Lunch-Tea-Dinnerparty-Ausrichterin

      4. die sich mit RUGGED endlich selbst verwirklichen kann blablabla

      Woher ich das weiß?

      1 bis 3 habe ich mir aus NY Post-Artikeln zusammengereimt, 4 als Zitat von ihr im Gesellschaftsteil der Times gelesen. Madame Rich hat es selbstverständlich selten nötig, RUGGED mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Dafür hat sie die erwähnten Shop-Assistants.

      Und seit kurzem gehört dazu eben auch Reeva.

      Vielleicht sollte ich erst einmal erzählen, wie ich mich in sie verliebt habe.

      Liebe auf den ersten Blick?

      Eher was für minderjährige Zahnspangenträgerinnen?

      Nein, scheinbar auch etwas für mich.

      Ich war gerade auf dem Rückweg von meiner monatlichen Einkaufstour durch den Sunrise Mart in der Broome. Nicht, dass ich Wert auf deren Entenfüße oder Glückskekse lege. Ich gehe nur ungern aus, geschweige denn einkaufen. Einmal monatlich muss von daher reichen, und das ganze verdoste oder eingeschweißte Zeug aus diesen Asia-Märkten hält bekanntlich ewig. Ich hatte mir also in dem Shop sechs Tüten voll mit

      - Reis

      - Ingwer

      - Rippchen

      - Sojasauce

      - Currypulver

      - Wasabi-Erbsen

      - Dosen-Litschis

      und zwei Dutzend 35 Cent-Päckchen Spicy-Shrimp-oder-was-auch-immer Instant Nudeln gepackt und auf den schnellsten Weg zurück nach 2C gemacht, als ich das Mädchen aus dem Shop treten sah. Voller Elan sprang sie die drei Stufen hinab, drehte sich in meine Richtung und marschierte schnurstracks auf mich zu. Dann zögerte sie einen Moment, in dem sich von ihren Lippen ausgehend ein strahlendes Lächeln über ihrem ganzen Gesicht ausbreitete. Sie hüpfte aufgeregt ein paar Schritte auf und ab, die Arme dabei einladend weit ausgebreitet.

       Und das mir!

      Wie :::ANGEWURZELT::: blieb ich auf dem Fußweg stehen, warf einen raschen Blick auf die an meinen Händen baumelnden grünweißen Plastikbeutel. Trotz ihres Gewichts winkelte ich die Arme leicht an, um sie in wenigen Sekunden um diese wunderschöne Frau legen zu können. Etwas, das eigentlich ein Lächeln sein sollte, verzog mein Gesicht zu einer Grimasse und ein hohes, kieksendes Giggeln verließ meine Kehle.

      :::STOP:::, meine Kehle?

      Gerade noch wunderte ich mich, woher ich auf einmal derartige Sopranisten-Töne traf, als eben dieses Giggeln

      blond bezopft

      kurz berockt und

      hoch bestiefelt an mir vorbeiflitze und sich kreischend in die ausgebreiteten Arme warf. Langsam ließ ich die Tüten sinken, meine Mundwinkel schnurrten nach unten und ich setzte vorsichtig einen Fuß vor den nächsten. Dabei glotzte ich fasziniert in das ausgelassene Gesicht des Mädchens, das mit seinem geschlossenen Mund grinste wie ein Erdmännchen und den Rücken ihrer Bekannten zärtlich liebkoste. Wie elektrisiert ging ich an den beiden vorbei, als just in dem Moment die so selten anwesende Madame Rich ihren Kopf zur Tür herausstreckte und mit einem „Reeva, die beiden Lattes NUR mit SOJA“ die Mädchen aus ihrer Trance riss.

      Reeva also, dachte ich, als ich vor meiner Tür stand und zerstreut die Taschen nach dem Hausschlüssel absuchte. In meiner Wohnung bezog ich sogleich hinter den Jalousien Position und starrte auf das RUGGED-Geschäft.

      Keine zehn Minuten später hetzte Reeva mit zwei übergroßen to-go-Bechern zurück und verschwand durch die Tür im Laden. Nachdem Gladis sie ihr mit einem kurzen Nicken abgenommen hatte, machte Reeva sich an einem der Tresen an das Zusammenfalten eines Stapels winzig kleiner T-Shirts. Zum ersten Mal fiel mir dabei auf, was für einen wunderbaren Einblick ich von meinem Fenster aus in das Geschäft hatte. Um den zu optimieren, machte ich mich sogleich auf die erfolglose Suche nach einem Fernglas.

      Am nächsten Morgen bin ich deshalb unplanmäßig raus und zu J&R Electronics am City Hall Park. Statt eines Fernglases legte ich mir die Canon samt Monster-Tele zu. Das Ding schießt porentiefe 25 MB-Fotos, kann dazu Videos aufzeichnen, angeblich sogar per Websteuerung. Gut, als passionierter Stubenhocker brauche ich diese Funktion eher nicht. Sei’s drum.

      Seitdem ich das Ding vor drei Wochen gekauft und aufgebaut habe, zoome ich mich, wann-immer-ich-will an Reeva ran.

      Und eigentlich will ich IMMER.

       4. Kapitel

      Wenn aber 2C verkauft wird und ich das Appartement räumen muss, bedeutet das neben einem Batzen Geld eben auch

      :::NO MORE:::

      Reeva...

      Schon war ich versucht, Jeff zurückzupfeifen und die ganze Transaktion abzublasen, als mir eine grandiose Idee kam: Wenn ich sie schon nicht in ihrem Laden beobachten kann, dann vielleicht bei ihr zu Hause.

      Was mich zu einem kleinen Problem führte: Wo ist bei ihr zu Hause?

      Ich würde es selbst herausfinden müssen. Fragen kann ich ja schlecht.

       Und wie?

      Leute, ich hab auch Zero Dark Thirty und Mayas Jagd nach Osamas Kurier gesehen, kenne ich mich also ein wenig aus. Nur, dass ich nicht wie sie auf eine Armee von Spitzeln bauen kann. Nein, ich muss jede Position selbst besetzen. Immerhin weiß ich, dass die Kleine den Laden meist gen Süden verlässt.

      So beziehe ich an einem schwülen Montagabend um kurz vor acht auf an der Spring, Ecke Mercer vor einem Deli Stellung. Wo ich es etwa drei Minuten aushalte, dann habe ich genug von all den gaffenden, schlendernden und den Weg blockierenden Touristen und hetze beklemmt zurück ins beruhigend schummrige 2C. Auf halbem Weg sehe ich noch, wie mir Reeva auf dem Fahrrad entgegenrast. Ich drehe mich um und schaue ihr nach, bis sie hinter einem Laster auf der Spring nach links abbiegt. Immerhin weiß ich jetzt, wo ich mich am nächsten Tag postieren muss, denke ich erleichtert, als ich mir in der Küche ein Bier aus dem Kühlschrank ziehe.

      Bitte? Ich soll ihr einfach mit dem eigenen Rad hinterherfahren?

      :::NEVER EVER:::

      ... und woher die Scheu?

      1) ich besitze kein Fahrrad

      2) schon mal versucht, jemanden quer durch Manhattan hinterherzufahren? Bei dem Verkehr?

      Deshalb finde ich mich vierundzwanzig Stunden später in der Balthazar Auster-Bar wieder, wohin ich vor der Fülle auf dem überquellenden Broadway geflüchtet bin. Ich habe einen schönen Platz hinter der Scheibe mit prächtigem Blickfeld auf die sich vor mir vorbeischiebenden Touristenärsche. Bei dem Gemenge an Leibern hoffe ich inständig, Reeva überhaupt durchflitzen zu sehen.

      Nur, sie kommt nicht.

      Nervös wandert mein Blick auf die Uhr - zwanzig nach acht. Ich will gerade aufstehen, als ein Kellner an meinen Tisch schleicht und ein halbes Dutzend auf einem Eisbett lagernden Wellfleets Finests