Frank Habbe

Zoomed


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Blick und sinke als Reaktion sofort mit einem schlechten Gewissen in den Stuhl zurück.

      Bestellt ist bestellt.

      Um es kurz zu machen - eine dreiviertel Stunde und zwei Chardonnays später erhebe ich mich, lege sechs Zehner für die Wahnwitz-Rechnung auf den Tisch und verlasse schwankend das Lokal.

      NO Reeva, dafür ein immerhin benebelter Weg zurück in die anheimelnde Geborgenheit 2Cs. Immerhin benebelt, weil es den Weg durch den Menschenstrom um einiges erträglicher macht.

      - ein Tag später

      - selbe Zeit

      aus Kostengründen VOR der Auster-Bar, habe ich Glück und werde mit dem Anblick der wie ein Blitz an mir die Einbahnstraße vorbeirasenden Reeva belohnt.

      Und so, auf den Spuren Mayas geht es die nächsten Tage mühsam weiter, Block für Block in Richtung East River. Zwei Tage verschenke ich an der Williamsburg-Bridge, wo ich mich die Abende erfolglos auf den zugigen Gehwegen herumdrücke.

      In Brooklyn wohnt mein Mädchen also nicht. Also zurück zur Delancey, Ecke Essex, wo ich sie dreiundzwanzig Stunden später prompt erwische. Und das führt dazu, dass ich im Gegensatz zu meiner CIA-Kollegin bereits

      - NACH 7 TAGEN

      - unzähligen Fußweg-Remplern

      - diversen Warte-Drinks und Coffee-to-Go

      - exponiertem Genuss Manhattans schweißiger Ausdünstungen

      unverhofft rasch vermelden kann: :::MISSION ACCOMPLISHED!:::

      Vielleicht sollte ich mich später bei der CIA...

      Jedenfalls verschwindet das Mädel an diesem Abend in einem Wohnhaus in der Essex, Höhe Seward-Park. Ein unscheinbarer, etwas abgeschrabbelter roter Backsteinbau, fünf Etagen, mit den üblichen, sich vor dem Treppenhaus emporstreckenden Feuerleitern. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht eine steinerne Bank. Auf die setze ich mich, betrachte das Gebäude und warte. Leider haben wir Sommer und ich könnte lange hocken, bis hinter einem der Fenster das Licht angeht. Also schlendere ich rüber und werfe einen Blick auf das verkratzte Klingelschild. Die Hälfte der Namen fehlt, ansonsten Abkürzungen, Akronyme und asiatisch klingende Chengs und Wongs.

      Ratlos schaue ich die Essex rauf und wieder runter und wundere mich, warum sie die Ecke nicht gleich Chinatown II nennen. Denn auch über all den ansässigen Schneidern, Textilreinigungen und Imbissbuden kleben lauter Mr. Monks und Madame Hus. Gut, dazu ein paar koschere Delis und Halal-Märkte. Wieso verstehen die sich hier und drüben in AfrikAsien nicht, wundere ich mich. Was mir bei der Suche nach Reeves Wohnung allerdings nicht weiterhilft. Also drehe ich mich wieder um und schaue über den eingezäunten, baumumstandenen Sportplatz auf den dahinterliegenden

      #MASSIVEN

      Wohnblock. Sieht auf den ersten Blick wie eins der typischen vertikalen Slums aus, die ich eher in der South Bronx verortet hätte. Auf den zweiten Blick erscheint es mir jedoch perfekt. Viele, anonyme Wohnungen mit :::BESTER AUSSICHT:::

      auf die Essex und ihre Wohnhäuser. Perfekt, um in einem der oberen Stockwerken die Kamera aufzubauen, überlege ich, als ich nachdenklich zurück in Richtung Heimat gehe.

      Warum nicht einfach eine Wohnung mieten?

      Geld ist ja bald zur Genüge vorhanden.

      Erst einmal aber habe ich Hunger. Auf der Suche nach etwas Nahrhaftem scanne ich die Geschäfte der Umgebung. Mein Blick bleibt bei einem Laden mit unsmiligem Kürbiskopf-Logo hängen: Café Grumpy - passt doch zu mir...

      Voller Vorfreude die Zähne bleckend, gehe zu der kleinen Bäckerei, vor der ein junges Paar auf einem Bänkchen hockt. Zwei Minuten später sitze ich neben ihnen auf der Bank, in der einen Hand einen kleinen Becher Kaffee. In der anderen halte ich ein keine-Ahnung-was-es-ist-klingt-aber-gut

       Saigon Cinnamon Sugar Candied Ginger Orange Zest Cookie

      Schmeckt auch gut, Ingwerkeks hätte es für mich allerdings getan.

      Der Kaffee? Eine Wucht!

      Während ich auf dem Gebäck herumkaue, überlege ich, wie ich weiter vorgehen soll. Zuerst einmal sollte ich rausfinden, ob Reevas Appartement überhaupt zur Essex raus geht. Sonst ist das Projekt sowieso gestorben.

      Am nächsten Abend lungere ich nahe der Tür zu ihrem Wohnhaus und warte auf eine Gelegenheit, hineinzuschlüpfen. Dort, so der Plan, drücke ich mich herum, bis Reeva heimkommt. Dann muss ich bloß noch erspähen, in welche Wohnung sie entschwindet, und

      :::GOTCHA:::

      Wie gesagt, so der Plan.

      Der so leider nicht aufgeht. Es fängt damit an, dass ich am Dienstagabend um den Eingang herumschleiche und

      :::NIEMAND:::

      das Haus betritt, bis um viertel nach acht Reeva mit ihrem Rad aufkreuzt, es schultert und ruckzuck durch die Tür ins Haus verschwindet. Baff stehe ich etwa zehn Meter daneben, stoße einen Fluch aus und gehe enttäuscht zurück zur Mercer.

      Am Mittwoch habe ich mehr Glück und bin nach kurzer Zeit drinnen. Ein Entree stelle ich mir angesichts des engen Flurs und dem sich ansatzlos daran anschließenden, beängstigend schmalen Treppenhaus anders vor. Das ich hier nicht lange rumstehen kann, ist klar. Also tue ich geschäftig, steige dann, mir SEEEEEHHHHR VIIEEEEEL ZEEEEIIIT lassend die Stufen bis nach oben in den fünften Stock. Dabei ist mir, als ob die Temperatur mit jedem Stockwerk um vier Grad ansteigt. Am oberen Treppenabsatz der 5 fühlt es sich an wie im Death Valley. Der Schweiß schießt mir in Strömen den Rücken hinab und ich trete augenblicklich den Abstieg an. Unten schaue ich auf die Uhr -zehn nach acht.

      Verdammt!, auf dem Treppenabsatz kehrt gemacht und wieder rauf. Das Spiel wiederhole ich dreimal, ohne, dass auch nur ein Bewohner das Haus betritt. Gerädert und bar jeder Hoffnung höre ich auf meinem letzten Abstieg schließlich doch das vielversprechende Knarren der Eingangstür.

      Reeva, endlich! Gut, die Hoffnung währt ungefähr zwei Sekunden, als ich stattdessen auf zwei mittelalte Damen schaue, die den Hausflur betreten haben. Beide werfen mir argwöhnische Blicke zu, was mich die Aktion endgültig abbrechen lässt. Ich spüre förmlich, wie sie mir hinterherglotzen, als ich enttäuscht aus dem Haus verschwinde und mich auf den Rückweg mache; eine Schweißspur hinter mir herziehend.

      Und zu Hause angekommen? Das blöde Programm für den Kunden fertig schreiben. Wobei fertig nur ein anderer Ausdruck für ein paar Zeilen Code in die Tastatur hacken, testen, gelangweilt sein, sich ablenken und im Netz surfen ist. Danach Nissin Cup Nudeln Chicken Curry, drei Miller Light und im TV Breaking Bad.

      Die folgende Nacht wird zu einem nicht enden wollenden Albtraum mit mir als Gefangener einer gigantischen Sauna, über deren zahllosen Treppen mich zwei alte Jungfern erbarmungslos hinauf und hinab scheuchen. Erschöpft verharre ich am nächsten Tag bis vier im Bett, genehmige mir einen neuen Nissin-Topf, gefolgt von drei Miller. Erst dann fühle ich mich bereit, mich einem erneuten Anlauf zu stellen und mache mich so leicht schwankenden Schrittes auf in die Essex. Wieder passe ich die geöffnete Tür ab, wieder schleiche die Stufen bis zur 5 hinauf und mache ich mich an den Abstieg, als von unten das Klappern der zufallenden Tür ertönt. Nur nicht die Ladies, hoffe ich, während ich die inzwischen wohlbekannten Stufen hinuntertapse. Auf der 3 wird es dann eng, denn dort treffe ich auf

      #NEIN - nicht die Seniorinnen, sondern

      #JA! - Reeva mit dem Fahrrad in der einen und dem Schlüssel in der anderen Hand. Sie schaut mich prüfend an - einen Tick zu lange für meine Gefühl - zieht das Rad etwas zu sich, um mich so an ihr vorbei nach unten zu lassen. Ich habe den Eindruck, dass auch sie mir nachblickt, als ich treppab aus ihrem Sichtfeld verschwinde. Egal, jetzt weiß ich, dass sie im dritten Stock und vor allem: das sie zur Essex raus wohnt.

      Was will ich mehr? Draußen suche ich die nächstbeste Bar auf, um den Erfolg mit ein-zwei-drei Drinks zu begießen. Hey, irgendwer muss das schließlich feiern, oder?

      Will