T. von Held

Afrikanische Märchen auf 668 Seiten


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unter Tränen das Land, als zwei weiße Tauben

       sich nahe bei ihr niederließen.

       Die eine sprach zur anderen:

       »Frage doch diese Frau, warum sie weint?«

       Da fragte die Taube nach der Ursache ihres Kummers.

       Sie erwiderte:

       »Ich habe keine Kinder; deshalb liebt mich mein

       Mann weniger als die andere Frau, die eine Tochter

       hat und noch andere Kinder, die aber Krähen sind; sie

       kommen, lachen mich aus und essen mein Korn.«

       Die Taube sprach:

       »Gehe heim, nimm zwei irdene Töpfe und bringe

       sie hierher.«

       Numbakatali ging und holte die Töpfe.

       Darauf pickten die Tauben an den Knien der Frau,

       bis das Blut aus ihnen floß; dieses fingen sie in den

       Töpfen auf. Nachdem das Weib den Tauben Korn

       zum Fressen gegeben hatte, flogen sie davon und

       Numbakatali trug die Töpfe heim in ihre Hütte und

       versteckte sie sorgsam in eine Ecke. Von nun an

       kamen die Tauben täglich, um sich füttern zu lassen,

       und sagten der Frau jedesmal, sie solle in die Töpfe

       gucken, um zu sehen, was darin sei. Schließlich, als

       sie eines Tages wieder nachsah, fand sie zwei Kinder,

       ein Mädchen und einen Knaben, und beide waren von

       wunderbarer Schönheit. Die Frau war hocherfreut;

       aber sie erzählte niemandem von den Kindern. Als

       diese nun etwas herangewachsen waren, machte sie

       ihnen einen hübschen Platz in der Hütte zurecht; dort

       mußten sie bleiben; denn ihre Mutter wollte sie niemandem

       zeigen. Stets, wenn sie ausging, befahl sie

       ihnen, unter keiner Bedingung das Haus zu verlassen.

       So kam es, daß außer ihr und einer Dienstmagd niemand

       von dem Vorhandensein der Kinder etwas

       wußte; denn ihr Mann kam niemals zu ihr. Eines

       Tages jedoch, als die Kinder ziemlich herangewachsen

       waren und die Frau an den nahen Fluß gegangen

       war, sprach der Knabe zu dem Mädchen:

       »Komm', laß uns gehen und unserer Mutter Wasser

       tragen helfen.«

       Noch hatten sie den Fluß nicht erreicht, als ihnen

       eine Gesellschaft junger Männer begegnete. Unter

       ihnen war der Sohn eines mächtigen Häuptlings, der

       war in das Land gekommen, um sich nach einem hübschen

       Mädchen umzusehen, das er zum Weibe nehmen

       würde. Der Name dieses jungen Mannes war

       Breitbrust; denn er war schön und kräftig gewachsen

       und hatte eine gewölbte breite Brust, die glänzendes

       Metall war. Die Männer blieben stehen, als sie die

       Geschwister kommen sahen, und baten den Knaben

       um einen Trunk Wasser; aber der Sohn des Häuptlings

       wollte nur aus des Mädchens Hand das Wasser

       nehmen; denn ihre Schönheit hatte es ihm angetan;

       und als sie fortging, paßte er wohl auf, um zu sehen,

       in welche Hütte sie gehen würde. Dann ging er heim

       zu seines Vaters Land, um sich von seinem Viehherden

       die schönsten Tiere zu holen, die er dem Vater

       des Mädchens zur Morgengabe bot und sprach:

       »Gib mir deine Tochter zum Weibe; nimm für sie

       diese Kühe und Ochsen, die ich von meinen Herden

       gewählt habe, und wenn du mehr haben willst, so

       sage es mir.«

       Darauf befahl der Mann seiner Tochter, die

       schwarz war wie Ebenholz, zu kommen, und gab sie

       dem jungen Freier. Der jedoch sagte:

       »Diese ist es nicht, von der ich sprach; das Mädchen,

       welches ich sah, war heller in der Haut und

       schöner als diese deine Tochter.«

       »Eine andere Tochter habe ich nicht,« erwiderte der

       Mann; »denn meine übrigen Kinder sind Krähen.«

       Da rief der Mann seine beiden Weiber und befragte

       sie vor dem Häuptlingssohne, ob sie etwas wüßten

       von einem wunderbar schönen Mädchen, welches von

       heller Hautfarbe sei. Die Frauen versicherten, ihnen

       sei nichts bekannt von einem solchen Mädchen. Aber

       die Dienstmagd ging hernach im geheimen zu Numbakatalis

       Manne und sagte ihm die Wahrheit. Gegen

       Abend ging er daher in die Hütte der Frau, um die er

       schon lange sich nicht mehr gekümmert hatte, und

       fand bei ihr die Geschwister, die seine Kinder waren.

       Am anderen Morgen ließ der Mann eine neue Matte

       vor die Tür der Hütte legen, gebot seinem Weibe, den

       Geschwistern und der Dienstmagd sich darauf niederzusetzen

       und rief den jungen Häuptlingssohn. Kaum

       sah dieser das Mädchen, so rief er aus:

       »Diese ist es, die ich zur Frau begehre.«

       Darauf blieb er den Tag über dort; aber am Abend

       ging er wieder heim, holte noch mehr von dem Vieh

       seiner Herden und gab auch dies noch dem Vater des

       Mädchens, welches er sehr lieb hatte. Die Frau, deren

       Tochter so sehr dunkel war, sah, was vor sich ging

       und war sehr neidisch; denn sie wußte gar wohl, daß

       ihre Tochter nicht schön war, und daß kein Mann soviel

       Vieh für sie je zahlen würde als jetzt für das Kind

       Numbakatalis gegeben wurde. Da sie auf jeden Fall

       nicht zurückstehen wollte, so tat sie ihr möglichstes,

       ihre Tochter durch reiche Kleider zu verschönen,

       immer in der Hoffnung, daß der reiche Freier sie auch

       zum Weibe nehmen würde. Der Name dieses Mädchens

       war Malungulaza, d.h. Schwester der Krähen;

       des anderen Mädchens Name war Mbulukazi, weil sie

       stets ein Kleid trug, das aus dem weichen Fell des

       Mbulu gemacht war. Malungulazas Mutter bestürmte

       ihren Mann mit Bitten, er solle Mbulukazi doch ja

       nicht ihrem Freier zum Weibe geben, wenn er nicht

       auch ihre Tochter heiraten wolle. So kam es, daß der

       junge Mann schließlich einwilligte und beide Schwe-

       stern zu seinen Frauen machte. Ehe sie das Land verließen,

       bekam jede von ihrem Vater einen Ochsen