Norbert Johannes Prenner

Das ungeteilte Vertrauen


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Carl Erich zu. „Ich weiß“, antwortete Erich, „es wird langsam Zeit für einen massiveren Vorstoß in Sachen Wettbewerbs- und Rechtsgleichheit! Die Herrschaften glauben, sich nicht an österreichische Gesetzte und unser Presserecht halten zu müssen.“ „Meine Herren, bitte“, ermahnte der Chefredakteur die beiden, „ es wird Sie ferner interessieren, dass Ihre Forderung auf eine 30%ige Gehaltserhöhung vom Verlegerverband akzeptiert worden ist!“ Bravo-Rufe.

      „Sie könnten nun sagen, werte Kollegen, dass das Verhältnis zwischen der Sektionsführung und der Salzburger Landesführung unter den Gefrierpunkt abgesunken ist. Das würde ich auch so sehen. Aber – es gibt auch Positives zu berichten, nämlich dass wir erstmals Kontakte mit internationalen Journalistenorganisationen aufgenommen haben, und wir demnächst Mitglied der I J O sein werden. Na, was sagen Sie jetzt?“ Die Radakteure waren begeistert. „Jetzt müsste Sekt her“, rief einer. „Genau“, stimmten alle ein und Erich durchsuchte den Kühlschrank der kleinen Kaffeeküche nach Trinkbarem. Es fanden sich zwei Flaschen Weißwein und vier halbe Liter Bier. Immerhin, besser als gar nichts. Und so stieß man hoch motiviert auf die neuen Zeiten an. Nachdem man sich ausreichend zugeprostet hatte, bat der Chefredakteur noch einmal ums Wort. „Meine Herren, lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Wir Österreicher sind Optimisten. Vielleicht ist dies das Geheimnis unseres Wesens. Ich denke, es hängt mit unserem Glauben an die Gerechtigkeit in der Welt zusammen. Wir glauben, dass Recht in der Weltpolitik auch Recht bleiben muss. Wir können nur hoffen, dass das österreichische Parlament jetzt endlich vor der ganzen Welt in demonstrativer Form neuerlich seinen Glauben an die Weltgerechtigkeit bezeugt und vielleicht auch für andere Nationen zum Prüfstein dafür wird, ob es sich weiter lohnt, für den Neuaufbau im Sinne der wahren Demokratie zu arbeiten.

      Sehen Sie, was ich hier gesagt habe, als einen Trinkspruch für uns alle und lassen Sie uns noch einmal die Gläser heben. Prost!“ Die Gläser klirrten abermals. „Darf ich noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Es gibt bereits einen Entwurf für den Kollektivvertrag. Allerdings dürfte der Termin für die Unterschrift erst im November feststehen. Wenn wir von der Salzburger Kritik daran einmal absehen wollen, dürfen wir uns darauf freuen, zum ersten Mal in der Geschichte unseres Berufsstandes auf so einen Vertrag zurückgreifen zu können. Carl, ich möchte dich bitten, wenn es so weit ist, mit den Verlegern und einem Kollegen diese Sache durch deine Unterschrift zu fixieren. Den genauen Termin gebe ich dir noch bekannt.“ „Oh, ich fühle mich tief geehrt“, antwortete Carl verschmitzt. „Es wird uns allerdings nicht erspart bleiben, dass wir mit einer ganzen Reihe von in- und ausländischen Presse- und Nachrichtendiensten und mit den Zeitungen unserer Besatzer getrennt verhandeln werden müssen.

      Ich denke, wir werden wie bisher mit der „Welt am Abend“, mit der „Österreichischen Zeitung“, dem „Wiener Kurier“ und der „Weltpresse“ Kontakt aufnehmen. Ferner habe ich die Agenturen „International News Service“, den „Amerikanischen Nachrichtendienst“ und den „ACA-Pressedienst“ gedacht. Die APA wird den Vertrag sicher anerkennen, da kann nicht viel schief gehen, würde ich sagen. Und beim Rot-Weiß-Rot- Sender hat es ohnehin nie Schwierigkeiten gegeben. Überdies werden wir, und dafür sprechen mehrere Gründe, unsere Räumlichkeiten von der Werderthorgasse auf den Schubertring verlegen, schon einmal aus Platzgründen, aber es ist auch eine Frage des Angebotes, möchte ich hinzufügen, dass wir hier über wesentlich bessere Bedingungen verfügen werden. Nun, im Großen und Ganzen, das wär´s.“ Beifall. „Ach“, fügte Brock hinzu, „da wäre noch etwas. Leider ist es, wenn ich es zynisch sagen darf, kaum drei Jahre nach dem Ende des „Tausendjährigen Reiches“, zu einem weiteren Störfall nazistischer Agitationen gekommen, und zwar in Kärnten. Wie ich gehört habe, musste die Klagenfurter Staatsanwaltschaft gegen drei Kollegen vorgehen, die mit ihren Artikeln eine, wie soll ich das ausdrücken, gewissen Aneiferung zu verbotener nationalsozialistischer Betätigung bewirken wollten.

      Den Angeklagten wurde zur Last gelegt, sich durch ihre Artikel mehrfach der Störung der öffentlichen Ruhe schuldig gemacht zu haben. Zwar konnte ihnen ein Verhalten im neonazistischen Sinne nicht nachgewiesen werden, aber immerhin wurden zwei bedingte und eine unbedingte Strafe über die Herrschaften verhängt. So was wirft wahrlich kein gutes Licht auf unseren Neuanfang. Ich kann nur an Sie alle appellieren, reduzieren Sie Ihre Arbeit auf die Disziplinierung des Sagbaren. Sie wissen, was ich meine“. „Ist dir von denen einer bekannt?“ fragte Dr. Brock. Erich, der sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatte, verneinte. „Also ich kenn´ niemanden von den Unterkärntner Nachrichten, aber ich hab´ auch gehört, dass ihnen kein Verhalten im neonazistischen Sinn tatsächlich nachgewiesen werden konnte“, meinte Carl. „Immerhin ist der Vorfall ein guter Grund, für ein besseres Presserecht zu plädieren, denn die Gerichte gehen langsam dazu über, bei Verurteilungen wegen Pressedelikten unbedingte Freiheitsstrafen zu verhängen“, sagte der Chef-redakteur.“

      „Ja, wenn du die Währungsreform bekrittelst, gehst´ ins Gefängnis!“ Carls Wortmeldung rief einen wahren Lachsturm hervor. „Also witzig finde ich das nicht“, meinte Kurt Gruber, „meine Frau hat mir schon prophezeit, dass sie in Zukunft alles vorher lesen möchte, was ich schreibe. Schließlich bin ich der Ernährer unserer Familie und kann es mir nicht leisten, im Gefängnis zu sitzen.“ Gelächter. Und so leerte man noch eine Zeit lang die schwach gefüllten Gläser, um sich schließlich gegen Mitternacht voneinander zu verabschieden. Bald danach trat jeder für sich den Heimweg an.

      Kapitel 4

       Die politische Lage

      Am Schottentor ging es schon sehr früh lebendig zu. Wenige Minuten nach 8 Uhr begann sich der Strom aus den übrigen Bezirken über diesen Platz zu ergießen. Carl und Dr. Brock trafen einander zufällig auf dem Weg in die Redaktion. „Morgen, Wolfgang!“ rief Carl schon von weitem. „Servus, Herr Kollege! Ich bin noch völlig hin von gestern.“ „Habt ihr noch was Wichtiges besprochen?“, fragte Carl. „Nein, nicht wirklich. Aber wir waren noch bei mir, und dann – na, weißt eh. Bei der jetzigen Lage – ich sag´ dir, die Russen holen sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist.“ „Ja, ich weiß es aus der APA- Meldung“, sagte Carl. „Das war ein Fehler, ihnen in Potsdam zu erlauben, sich hier bei uns nach Herzenslust bedienen zu können. Alles schleppen sie nach Hause, Maschinen, ganze Industrieanlagen, deren Wert nicht einmal annähernd angegeben wird.“ „Das Ganze ist ein Irrsinn. Die Amis haben auch nichts Besseres zu tun, als mit ihrer Bombe zu wacheln. Ich hab´ das Gefühl, dass die Gegensätze zwischen den beiden immer größer werden statt kleiner. Wenn ich in der Früh aufwach´, ich sag´ dir Wolfi, da überfällt mich ein Gefühl der Unsicherheit, des Pessimismus, ja, der Furcht, und ich beginne an der Möglichkeit des großen Weltfriedens zu zweifeln.“

      „Mir geht´s da nicht anders, glaub´ mir. Mit der Haltung der Amerikaner, gegen jede Expansion des Sowjetregimes zu opponieren, machen sie sich bei denen keine Freunde. Man darf allerdings die innenpolitische Seite ihrer Politik nicht übersehen. Da haben viele den republikanischen Wahlsieg im November auf die scharfe antikommunistische Haltung der Republikaner und auf ihren Wahlschlager, die Demokraten wären prokommunistisch, zurückgeführt.“ „Ja, aber alles hat doch bisher darauf bloß abgezielt, den Republikanern den Wind aus den Segeln zu nehmen, das war aber auch schon der einzige Grund für die scharfen antikommunistischen Töne, wo jeder weiß, dass die Kummerln (Kommunisten) in Amerika eine nicht vorhandene Größe darstellen“, meinte Carl. „Da hast du auch wieder Recht“, antwortete Dr. Brock, „ die Standpunkte der Sowjets und der Amis sind ganz einfach nicht vereinbar. Vielleicht haben wir von den Sowjets mehr erhofft, als möglich schien.

      Aber vielleicht gibt es noch Hoffnung, wer weiß? Wir liegen schließlich erst in der ersten Runde“, fügte er hinzu.“ „Kann sein, Wolfgang. Ich hoffe nur, dass unseren Kindern dieses Jammer einmal erspart bleibt, was wir hier ausbaden dürfen. Was haben sich die verdammten Faschisten heiser geschrien, haben die Fahnen geschwenkt und gejubelt. Und jetzt? Jetzt haben wir den Scherben auf. Das ganze Theater hat in einer sinnlosen Zerstörung geendet. Das einzig Sinnvolle, das uns noch bleibt, ist, uns für die Menschlichkeit und Gerechtigkeit einzusetzen, für eine Welt, die das Grauen des Krieges nicht mehr kennen soll, hab´ ich Recht?“ „Ach Carl“, seufzte Dr. Brock. Stillschweigend gingen sie eine Zeit lang nebeneinander her. „Mir