Udo Schenck

Der große Reformbetrug


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zu bekommen aber es ist mir nicht gelungen, vielleicht war ich zu ehrlich für diese Arbeit.“

      Frau Z sich erstaunt gebend: „Zu ehrlich, wie denn das?“

      „Ich weiß es nicht.“

      In der vagen Hoffnung einen Absprung aus Hartz IV zu bekommen trat ich unmittelbar nach einem eineinhalbjährigen sog. Ein-Euro-Job und auf Anregung desselben Trägers, bei dem ich diesen Ein-Euro-Job machte, eine reguläre, befristete und schlecht bezahlte Teilzeittätigkeit als Projektleiter an, die jedoch bereits nach einem Monat ihr Ende fand.

      Frau Z: „Ich denke, Sie müssen da wohl noch etwas kompromissbereiter werden, für Geologen habe ich im Augenblick sowieso nichts da.“

      „Entschuldigen Sie, ich bin kein Geologe sondern Geograph.“

      Frau Z spitz: „Ach was! Aber da sieht es auch nicht besser aus. Ich habe hier ein Angebot für einen Callcenteragent, das drucke ich Ihnen mal aus.“

      Während all dieser Zeit fixiert mich die Frau mit ihren kalten Raubtieraugen, lässt nicht locker, versucht in mich einzudringen, so wie ich das nach meiner Erinnerung noch nirgendwo in vergleichbarer Weise erlebt habe. Unter diesen asymmetrischen Bedingungen ist mir das besonders unangenehm. Ich wage dies nicht anzusprechen, versuche es zu ignorieren, die Situation nicht weiter unnötig anzuheizen. Vielleicht ist es aber auch bloß ein spezieller, wenn auch ziemlich unsympathischer Tick von ihr, dem sie selber nicht gewahr ist. Irgendwann einmal las ich, dass das unablässige Starren in fremde Augen sowohl von Mensch, als auch von Tier generell als Bedrängung, als Aggression empfunden wird.

      Frau Z reicht mir den Ausdruck über den Schreibtisch ohne ihren stechenden Blick abzuwenden. Akquisition und Kundenbetreuung, lese ich, man müsse belastbar, Kunden orientiert und kommunikativ sein und über sehr gute Englischkenntnisse verfügen und das alles für 1.100 Euro brutto im Monat, bei einer Dreißigstundenwoche. Wenn mir das Geld nicht reichen würde müsse ich es durch Transferleistungen aufstocken lassen, gibt mir Frau Z zu verstehen. Auf meine Frage, ob sie wüsste wie das formal abläuft, entgegnet sie davon keine Ahnung zu haben, da müsse ich mich an die Leistungsabteilung wenden. Groll steigt in mir auf, nicht nur über diese unverschämte Stellenzuweisung, über diese Dreistigkeit und Zumutung, und ich frage mich wovon mein Gegenüber überhaupt Ahnung hat bzw. woran diese Frau eigentlich interessiert ist, was sie hier eigentlich macht, wenn sie noch nicht einmal meinen Beruf kennt. Aber ich mühe mich meinen Groll zu verbergen, was allerdings nicht so einfach ist, wird man unablässig taxiert.

      Frau Z fährt fort: „Was haben Sie denn an Bewerbungen geschrieben, zeigen Sie mal her?“

      Ich lege ihr einen chronologisch geordneten Stapel meiner Bewerbungen vor, mit der jüngsten zuoberst. Flüchtig blättert sie in dem Stapel herum und bemerkt: „Sie bewerben sich also überall, na gut, wir müssen noch eine Eingliederungsvereinbarung machen.“

      Frau Z lässt die Eingliederungsvereinbarung ausdrucken und verlangt anschließend trocken: „Unterschreiben Sie das bitte!“

      Ich erstaunt und ein wenig perplex zögernd: „Wir haben doch noch gar nichts vereinbart, wir haben doch über gar nichts gesprochen, ich möchte mir das erst in Ruhe zuhause durchlesen.“

      Auf einmal verwandelt sich Frau Z unversehens in eine tobende und schreiende Furie, deren Augen mich geradezu anzuspringen scheinen: „Sie unterschreiben das jetzt oder ich hole noch Kollegen hinzu!“

      Nach einer heftigen Schrecksekunde entgegnete ich erstaunlich gefasst aber doch laut und deutlich: „Was fällt Ihnen eigentlich ein, mich hier so anzuschreien, wo bin ich hier eigentlich, wissen Sie nicht, dass es mein gutes Recht ist, Bedenkzeit und Beratung von Dritten in Anspruch zu nehmen, wissen Sie das wirklich nicht, was wissen Sie überhaupt? Holen Sie nur ihre Kollegen!“

      Tatsächlich hat man vor Unterzeichnung einer sog. Eingliederungsvereinbarung das Recht auf Bedenkzeit und Beratung von Stellen bzw. Personen seines Vertrauens. Hin und wieder versucht man in den Jobcentern dieses Recht zu ignorieren und i. a. R. unterlässt man es, die ALG-II-Beziehenden über dieses Recht aufzuklären.

      Damit packte ich nun doch noch in Rage geraten meine Bewerbungen, die Eingliederungsvereinbarung und die Stellenzuweisung ein, nach der ich mich umgehend zu bewerben hatte und „wünschte“ einen guten Tag.

      Frau Z erbost: „Sie bleiben jetzt hier!“

      „Sie werden noch von mir hören!“ gab ich im Hinausgehen und in Gedanken an eine Dienstaufsichtsbeschwerde zurück.

      Hier wurde eine der übelsten Begegnungen mit einer/einem Arbeitsvermittler/in geschildert. Jedoch hatte ich eine ganze Reihe ähnlicher Begegnungen dieser Art im Jobcenter, die der mit Frau Z in ihrer Negativität kaum nachstanden. Der Autor vermag sich nicht auszudenken, wie möglicherweise mit sog. Kunden umgesprungen wird, die weniger gebildet sind oder/und einen Migrationshintergrund haben. Es gibt auch die freundlicheren Mitarbeiter/innen in den Jobcentern, die jedoch zunehmend die Ausnahme von der Regel darstellen. Aber auch diese müssen sich den restriktiven und ungerechten Hartz-Gesetzen fügen, wollen sie nicht um ihren Job fürchten. Darüber hinaus ist das Personal in vielen Fällen inkompetent, unabhängig davon ob es einem gewogen ist oder nicht. Gründe dafür mögen u. a. einmal die hohe Fluktuation der Mitarbeiter sein, die einer gründlichen Einarbeitung entgegensteht, oder/und die schlechten Arbeitsbedingungen, die demotivierend wirken.

      Frau Z II

      „Manchmal frag in all dem Glück, ich im lichten Augenblick:

      bist verrückt du etwa selber, oder sind die andern Kälber?“

      Albert Einstein

      Eine gute Woche nach dem Termin bei Frau Z bekam ich eine sog. Stellenzuweisung von dieser zugesandt; der Verlauf unserer vorangegangenen Begegnung war anscheinend kein Thema mehr. Jedoch sollte ich mich nach o. g. Stellenzuweisung nun auf eine Stelle bewerben, auf die ich mich bereits nur zwei Tage vor o. g. Begegnung bewarb. Eine Kopie der betreffenden Bewerbung lag als jüngste zuoberst auf dem Stapel von Bewerbungskopien, den ich Frau Z zur Ansicht gab. Will man Sanktionen bzw. der Kürzung des Arbeitslosengeldes entgehen muss man sich den Stellenzuweisungen entsprechend bewerben oder aber „gute und berechtigte Gründe“ vorweisen, dies nicht zu tun. Also war ich genötigt in dem betreffenden Rückantwortschreiben auf meine bereits erfolgte Bewerbung hinzuweisen.

      Keine zwei Wochen später erhielt ich wiederum zwei Stellenzuweisungen von Frau Z. Bereits einen Tag vor Ankunft des betreffenden Briefes, am Tage des Poststempels auf diesem Brief, war die Bewerbungsfrist auf eine der beiden Stellen abgelaufen. Zudem bewarb ich mich nur einige Monate zuvor auf eben diese Stelle. Auch hier lag eine Kopie der betreffenden Bewerbung vor, die ich Frau Z zur Ansicht bei meinem o. g. Meldetermin mitbrachte. Noch am selben Tag antworte ich Frau Z auf die Stellenzuweisungen und legte ihr den Sachverhalt dar. Schon wieder am nächsten Tag erhielt ich von Frau Z wiederum einen Brief mit vier sog. Stelleninformationen, auf die man sich wahlweise bewerben kann jedoch nicht muss. Pikanterweise betrafen zwei der Stelleninformationen exakt die Stellenzuweisungen mit exakt denselben Angaben, die ich am Vortag erhielt, ohne jedoch nur einen Deut mehr an Informationen zu enthalten. Die Sinnhaftigkeit dieser Aktion, dieses blindwütigen Aktionismusses, wollte sich mir partout nicht erschließen. Und, wie sollte es anders sein: auf eine der übrigen zwei Stellen in der Stelleninformation bewarb ich mich ebenfalls wenige Monate zuvor. Die verbliebene, vierte Stelle schließlich, entsprach kaum meinem Bewerberprofil, noch hätte diese Stelle einen Umzug von Berlin nach Ostfriesland gerechtfertigt, weil dort nur Arbeit für wenige Monate vorhanden war, wie sich nach meinen telefonischen Erkundigungen zeigte. Der betreffende Personalchef zeigte sich überdies verärgert darüber, eine Unzahl Bewerbungen aus den entferntesten Regionen Deutschlands erhalten zu haben, mit denen er sich herumplagen musste, obwohl nur für drei Monate Arbeit vorhanden war, wie er der Agentur für Arbeit meldete.

      Ich fragte mich was da los ist, womit hat man so etwas nur verdient? Aber es half nichts, ich musste auch auf diesen groben Unfug reagieren, wobei ich mich genötigt sah noch zusätzlich einen Beschwerdebrief an den Amtsleiter zu richten, in dem auch die Vorkommnisse bei meinem Meldetermin