Axel Birkmann

Tödlicher Aufguss


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das schöne Teil.«

      Er öffnete die Augen und blickte einer älteren Dame ins Gesicht, die um ihre Hüfte, ein Handtuch geschlungen hatte. Ihr wabbeliger Busen hing bedrohlich nahe vor seinem Gesicht.

      »Wie bitte?«, fragte er nach, da er nichts von alledem verstanden hatte.

      »Ihre Brille!« Die Dame hielt sie ihm direkt vor das Gesicht.

      »Ja! Danke, vielmals. Wo lag die denn?«

      »Hier neben Ihrer Liege. Ich wäre beinahe darauf getreten.«

      »Vielen Dank. Sie ist muss mir wohl herunter gefallen sein. Ich war ein wenig eingenickt. Danke.«

      Er streckte der Frau die Hand entgegen und nahm ihr die Brille mit einem verlegenen Lächeln ab.

      Er setzte sie auf und tat so als ob er in der Zeitung lese. Ihm war nicht nach Konversation. Die Dame war sehr gesprächig und erhoffte sich noch ein paar weitere Worte. Doch als er die Tageszeitung abwehrend vor sein Gesicht hielt, war ihr recht schnell klar geworden, dieser Mann wollte seine Ruhe haben. Sie lief ohne ein weiteres Wort zu sagen zwischen den Liegen hindurch zu ihrem Platz.

      Als sie weg war, schob er die Zeitung ein wenig herunter und spähte über den oberen Rand. Sie drehte sich noch einmal nach ihm um, bevor sie sich auf ihre Liege fallen ließ und winkte ihm freundlich zu. Er zog sofort die Zeitung wieder über sein Gesicht und tat so, als ob er sich konzentriert auf die Artikel stürze. Was war das denn, fragte er sich. Hatte er es dieser Frau angetan? Meinte sie, sie könne mit ihm flirten?

      Es war ja bekannt, dass das Saunaparadies an bestimmten Tagen eine richtige Baggerbude war. Junge Pärchen vergnügten sich im Pool und das Personal war darauf bedacht, die Turteltäubchen höflich aber bestimmt auseinander zu bringen. Der gute Ruf des Thermalbades war gefährdet.

      Er hatte auch gelesen, dass sich an einem bestimmten Tag in der Woche, wie auf SMS-Zuruf oder Interneteinladung, die Gepiercten und Tätowierten in der Therme trafen und stolz ihre Tattoos, Piercings oder Brandings zur Schau trugen. Gerade an diesen Tagen war das Personal besonders aufmerksam, um sexuelle Handlungen im Wasser, in den Solarien oder in entlegenen Doppelliegen zu unterbinden. Doch gerade das Verbotene schien die Libidojünger anzulocken und sie zu motivieren, es hier drinnen zu tun.

      Dass ältere Frauen sich hier gezielt jüngere Liebhaber suchten, davon hatte er noch nicht gehört. Und dieser Dame musste er es wirklich angetan haben. Vielleicht hatte sie ihm sogar seine Brille während er schlief von der Nase gezogen und ihn dann mit dieser Ausrede angesprochen?

      Er hatte nackt auf der Liege auf seinem Handtuch gelegen. Sein Körper war nicht unästhetisch und seine Männlichkeit konnte sich sehen lassen. Aber mit einer Frau über Sechzig hatte er sich bis jetzt noch nicht eingelassen und es auch noch nicht vermisst.

      Es wurde jetzt Zeit für seinen ersten Saunagang. Er griff nach dem Flyer mit der Aufstellung der einzelnen Aufgüsse in den jeweiligen Themensaunen. Salzaufguss im Solestollen klang gut. Und er sollte in wenigen Minuten beginnen. Der Bademeister würde dann Salz, mit ätherischen Ölen vermischt, an die Saunagänger verteilen, dass sie sich dann auf den Körper rieben. In der Hitze und dem Dampf des darauf folgenden Aufgusses, verflüssigte sich das Salz und drang mit dem Öl in die durch die Wärme weit geöffneten Poren der Haut. Durch das Einreiben wirkte das Salz wie ein Peeling. Alte Hautschuppen wurden weggerubbelt und danach hatte man eine weiche Haut wie ein Kinderpopo.

      Das wäre jetzt genau das Richtige für ihn. Sich den Dreck und Staub und vor allem die schlechte Energie des letzten Wochenendes vom Körper zu reiben. Genau das bräuchte er jetzt. Er zog seinen Bademantel an, stellte sich so, dass die Dame ihn nicht mehr zu Gesicht bekam, schnappte sein Saunatuch und schlürfte in seinen Badeschlappen Richtung Solestollen. Nachdem er seinen Bademantel an einem Haken gehängt hatte, betrat er nackt den wie eine Bergwerksgrube angelegten Saunabereich. Obwohl die Therme am heutigen Montag nicht so voll besucht wie sonst am Wochenende oder in den Ferien war, saßen schon genug Leute auf den Holzbänken und warteten andächtig auf den Aufgussmeister. Er fand eine freie Stelle neben zwei jungen Frauen, die beide ohne ein Wort zu sagen, etwas beiseite rutschten, um Platz für ihn zu machen.

      Er setzte sich und blickte aus dem Augenwinkel die beiden Mädchen an. Sie waren beide um die 25 Jahre alt, schlank, kräftige feste Brüste und im Schambereich rasiert. Es war selten, dass er eine junge Frau in der Sauna entdeckte, die nicht rasiert war. Er musste an seine Jugend zurück denken, als er studiert hatte. Keine seiner Freundinnen hatte sich rasiert. Die Intimbehaarung gehörte ganz einfach dazu. Und heute liefen alle rum, als ob sie eine Schussverletzung hätten.

      Er musste lächeln. Er schaute auf seinen Schritt. Auch er war rasiert. Auch er hatte diesen Wahn mitgemacht. Und das Schlimme war, dass er es immer wieder tun musste: das Rasieren. Er hatte damit einmal angefangen und jetzt musste er mehrmals in der Woche seinen Intimbereich, seinen Bauch und seine Brust, nass abschaben. Denn ohne die scharfe Nassrasur kämen die Stacheln und die piekten und juckten und seine Freundin merkte sofort, wenn er es vergessen oder schlampig gemacht hatte.

      »Du stichst« kam dann aus ihrer Ecke, wenn er sich im Bett an sie herankuscheln wollte. Die Strafe für seine Schludrigkeit: die Bettdecke zwischen ihnen. Er fuhr mit seinen Fingern vorsichtig über seinen Bauch. Wenn er heute noch Spaß mit ihr haben wollte, sollte er sich noch rasieren.

      Die Tür öffnete sich und ein gut gebauter junger Mann mit knapper Badehose und eng anliegendem T-Shirt betrat den Solestollen. Hinter ihm huschte noch eine Frau als letzte hinein und setzte sich ihm gegenüber neben den Saunaofen, den in den nächsten zehn Minuten heißesten Platz im engen Salzbergwerk. Sie trug schwarze lange Haare, ein etwas blasses Gesicht, die Lippen bemalt mit einen schwarzen Lippenstift und schaute ihn direkt an. Und sie lächelte dabei keck.

      Ihre Figur war vollkommen. Die Figur einer Frau um die fünfundzwanzig. Schlank. Kleiner fester Busen. Dunkle Brustwarzen und im Intimbereich rasiert.

      Wie alt sie tatsächlich war, konnte er nicht abschätzen, dazu war es zu dunkel. Er starrte sie an. Und sie wich seinem Blick nicht aus. Normalerweise fixierte er nackte Frauen in der Sauna nicht so brüsk. Doch in diesem Fall konnte er nicht von dieser Frau lassen. Ihre dunklen vollen Lippen und ihre schwarzen langen Fingernägel zogen ihn magisch an. Sie musste es bemerkt haben, dass er sie ansah, auch wenn es im Stollen recht duster war.

      Sie wich seinem Blick immer noch nicht aus.

      Diese Frau hatte eine sexuelle Ausstrahlung, wie er sie schon lange nicht mehr bei einer Frau in einer Sauna gesehen hatte. Sie hatte den Körper einer jungen Frau, aber die erotische Ausstrahlung einer reifen Lady.

      Alle waren hier drinnen nackt. Natürlich auch er.

      Normalerweise erregte ihn die weibliche Nacktheit ganz und gar nicht. Für ihn war eine angezogene Frau meist attraktiver und erotischer wie eine Nackte. Doch in diesem Fall war es die reine Wollust, die ihn anstrahlte, die Sünde in Person. Er spürte, wie sich sein Penis regte. Jetzt hieß es aber aufgepasst. In den nächsten Minuten mussten sie alle die Sauna verlassen und sich im Vorraum mit Salz einreiben. Er konnte nicht mit einem Ständer hinausgehen. Das ging ganz und gar nicht. Er blickte auf den Boden und fing an zu zählen. Es hieß, Mathematik ließ einen sofort auf andere Gedanken kommen. Wie schwere mathematische Rechnungen eine vorzeitige Ejakulation beim Geschlechtsverkehr hinauszögern konnten, so sollten sie auch dafür sorgen, dass einem Mann der Penis nicht anschwillt. Vor allem nicht in Situationen wo es völlig unpassend war, zum einen in der Sauna und zum anderen in einer knappen Badehose im Schwimmbad oder am Strand.

      Er starrte auf den Boden und versuchte sich die Fibonacci Folge ins Bewusstsein zu hämmern. Eine unendliche Folge von Zahlen, bei der sich die jeweils folgende Zahl durch Addition ihrer beiden vorherigen Zahlen ergibt. Er fing an leise vor sich hin zu rechnen und murmelte leise: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, ...... Und dann war es soweit, seine Gedanken kursierten nicht mehr um Sex oder um den Sex mit jener Schwarzhaarigen, er konzentrierte sich auf die nächste Zahl: 144.

      Dann kam der Aufruf nach draußen: Salzausgabe.

      Gerade rechtzeitig hatte Fibonacci sein Glied wieder abschwellen lassen und er konnte ohne weiteres aufstehen und den anderen durch