Axel Birkmann

Tödlicher Aufguss


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akribischen Arbeit bei DNA Spuren an den Toten, insbesondere bei Kapitalverbrechen, Vergewaltigungen und Misshandlungen. Selbst mit den kleinsten DNA Spuren unter Fingernägeln oder Hautabschürfungen konnten sie oftmals den vermeintlichen Täter identifizieren.

      Bis jetzt hatte der Arzt nicht viel gesprochen. Kreithmeier war gespannt, warum er sie so spät abends noch sehen wollte und es nicht bis zum nächsten Morgen gereicht hätte. Außerdem musste er auf sein verdientes Feierabendbier zunächst verzichten und sein Abendessen bestand bisher nur aus einer Tüte Popcorn und einem Big Mac. Das war nur ein bisschen Abendbrot im Gegensatz zu sonst.

      Der Arzt zog jetzt vor ihren Augen die weiße Stoffabdeckung langsam vom Gesicht des Toten.

      »Das ist der Mann, der heute in der Therme, um genauer zu sagen, im Salzstollen nach einem Aufguss tot aufgefunden wurde. Die Thermenleitung hatte sofort einen Notarzt bestellt, aber der konnte auch nur noch den Tod des Mannes feststellen. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Herzinfarkt. Tatsächlich stellt ein Saunagang einen ausgeprägten Herz-Kreislaufreiz dar. Das Herz pumpt in ruhigem Zustand mit 60 - 70 Schlägen etwa 6 Liter Blut pro Minute in den Kreislauf. Bei einem Saunagang mit dem empfohlenen üblichen Badeablauf und einer Saunatemperatur von 80 - 90 Grad Celsius steigt das Herzminutenvolumen auf 10 - 12 Liter Blut je Minute bei einem Puls von 120 - 130 Schlägen an. Während des Aufgusses erhöht sich diese Anzahl zusätzlich nochmals um 15 - 20 Schläge. Dies entspricht jedoch nur etwa der Hälfte der maximalen Kreislaufbelastung und auch ein untrainiertes Herz schafft 180 - 200 Schläge pro Minute und kann bis zu 20 Liter Blut und mehr pumpen. Also für einen gesunden Menschen, wie er hier vor uns auf dem Tisch liegt, überhaupt kein Problem.«

      »Woher wissen Sie, dass er gesund ist?«

      »Wir haben ihn obduziert.«

      »So schnell.«

      »Ja! Staatsanwältin Lehner hatte ihn heute Nachmittag frei gegeben, weil meine ersten oberflächlichen Untersuchungen ergeben hatten, dass der Mann kerngesund war und ein Herzinfarkt, selbst in der heißen Atmosphäre einer Sauna, äußerst selten vorkommen kann. Bei einem Saunabesuch steigt der Blutdruck im Gegensatz zu einer sportlichen Leistung kaum an. Die Ursache hierfür liegt darin, dass die Blutgefäße in der Haut zur Wärmeabwehr weitgestellt werden. Ein Puls von 120 in der Sauna hat, aufgrund des verringerten Widerstandes, gegen den das Herz arbeiten muss, eine geringere Kreislaufbelastung zur Folge als der gleiche Puls bei einer sportlichen Betätigung. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass deshalb auch Personen mit erhöhtem Blutdruck eine Sauna besuchen können.«

      »Und in diesem Fall hier?«

      »Ich habe schließlich feststellen können, dass der Mann zwar keine körperliche Arbeit verrichten musste, er war eher ein Büromensch, aber er war außerordentlich fit und sein Herz kerngesund. Sein Name ist übrigens Markus Backhaus.«

      »Woher wissen Sie das schon?«, fragte Melanie und sah sich das Gesicht des Toten eindringlich an. »Das war ein hübscher Mann.«

      »Das stimmt, Frau Schütz, so weit ich das beurteilen kann: Gepflegte Zähne, feine Hände, einen guten Friseur und einen Körper, auf den er geachtet hat. Die Saunaleitung hat eine verwaiste Liege entdeckt, auf der die üblichen Badesachen lagen, eine Tageszeitung, eine Lesebrille und ein Schlüsselband für seinen Spind im Umkleidebereich. Die örtliche Polizei hat alles eingesammelt und auch den Spind geleert. Darin haben sie dann Haus- und Wagenschlüssel und eine Geldbörse mit seinem Personalausweis gefunden.«

      »Wo sind die Sachen jetzt?«, fragte Melanie.

      »Sie sind in einer Schachtel in meinem Labor. Ich werde Sie ihnen später aushändigen. Polizeiwachtmeister Lindner hat mich gebeten Ihnen alles zu zeigen. Sie wären auch die richtigen Ansprechpartner bei einem vermeintlichen Gewaltverbrechen, meinte er.«

      Melanie und Alois wurden stutzig, als der Arzt die Worte fallen lies.

      »Sie gehen von einem Mord aus?«, fragte Kreithmeier leicht konsterniert.

      »Auf jeden Fall ist der gute Mann nicht eines natürlichen Todes gestorben. Oder einfacher ausgedrückt, die Sauna oder der Aufguss waren nicht für seinen Tod direkt verantwortlich.«

      »Wer oder was dann?«

      »Nun das ist, glaube ich, Ihre Aufgabe, das herauszufinden. Ich kann Ihnen nur erklären was ich herausgefunden habe.«

      »Jetzt spannen Sie uns nicht auf die Folter, Herr Doktor. Wir sitzen doch nicht in einer Ihrer Vorlesungen.«

      Der Arzt blickte ernst auf die beiden Kommissare. Er wollte etwas kontern, hielt sich aber zurück. Er zog das weiße Leintuch komplett von dem Toten. Die beiden Beamten konnten nun auf der Brust den Y-Schnitt erkennen, der von beiden Schlüsselbeinen schräg zum Brustbein und von dort gerade bis zum Schambein geschnitten und mittlerweile wieder zugenäht worden war. Kreithmeier schauderte es, als er den leblosen Körper vor sich liegen sah und er sofort daran denken musste, wie der Arzt in den Eingeweiden dieses Mannes herum gewühlt haben musste. Was für ein Ende für diesen doch allem Anschein so gesunden Mann?

      »Und wie kommen Sie nun auf Ihre Theorie eines gewaltsamen Todes?«, bohrte Melanie nach.

      »Der Mann hatte sich kurz vor seinem Ableben mit Salz eingerieben. Das ist bei einem Salzaufguss so üblich. Salzkristalle vermischt mit ätherischen Ölen werden leicht auf die Haut einmassiert. Die Wärme in der Sauna öffnet die Hautporen und so können die Kräuter in die Haut eindringen. Die Salzkristalle haben dabei einen weiteren Effekt, sie wirken wie ein Peeling. Alte Hautschuppen werden dabei entfernt. Außerdem wirkt das Salz zusätzlich schweißtreibend und desinfiziert sehr gut, doch beim Einreiben des Körpers werden der Kopf und der Genitalbereich ausgelassen. Auch etwaige Wunden sollten nicht mit Salz eingerieben werden. Es würde ziemlich brennen.«

      »Bitte halten Sie uns keinen Vortrag über die Vorteile eines Salzaufgusses«, unterbrach ihn Kreithmeier. »Wieso glauben Sie hier an Mord? Das ist es doch, oder? Hat der Leichnam irgendwelche Wunden, Einstiche oder Verletzungen?«

      »Nichts von alledem. Der Körper ist tadellos. Nur etwas habe ich feststellen können, dass der Mann mit zwei verschiedenen Salzen eingerieben worden ist. Und das fand ich äußerst ungewöhnlich. Normalerweise verwenden die Saunameister nur ein Salz, meistens ein jodhaltiges Meersalz. Der Tote hatte nun auf Brust, Armen und Beinen, ein Meersalz mit Eukalyptusöl und auf dem Rücken Himalaya Salz mit Lavendelöl.«

      »Das verstehe ich nicht. Wie kann das sein?« Kreithmeier schüttelte den Kopf.

      »Laut Auskunft der Therme, verwenden Sie fast immer Meersalz mit einem Eukalyptus-Menthol Öl, niemals Steinsalz. Das hätte auch etwas mit den Kosten zu tun. Steinsalz wäre teurer.«

      »Wenn ich Sie richtig verstehe, hat sich der Tote mit zwei verschiedenen Salztypen eingerieben«, wollte Melanie wissen.

      »Ja!«

      »Und das kann laut Saunaleitung nicht vorkommen.« Melanie war ganz Ohr.

      »Ja!«

      »Und wie haben Sie das feststellen können?«, fragte Kreithmeier dazwischen.

      »Das Salz war teilweise noch auf seiner Haut. Es hätte im Dampf weiter einmassiert werden müssen, damit es von der Haut fast vollständig absorbiert wird. Und das ist nicht geschehen. Der Mann war schon vorher tot.«

      Melanie fragte den Mediziner: »Wann ist er denn Ihrer Meinung nach gestorben?«

      »Ich habe meinen Obduktionsbericht noch nicht fertig, aber es muss gegen 12 Uhr gewesen sein. Um 10.30 Uhr hat er das Saunaparadies betreten. Um 12.30 hat ein Saunagast festgestellt, dass er nicht mehr atmet. Um 13.00 hat der Notarzt den Tod des Mannes bescheinigt.«

      »Und warum hat man nicht sofort die Polizei gerufen?«, fragte der Kommissar.

      »Es sah wie ein ganz normaler natürlicher Tod aus, ein Herzversagen in einer Sauna. Wer denkt da schon an einen potentiellen Mord?«, antwortete der Arzt.

      »Das heißt«, schlussfolgerte Kreithmeier, »wir brauchen keine Spurensicherung, und uns den Tatort gar nicht näher anschauen, weil