Martin Schlobies

Täubchen alla Boscaiola


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ich schon eines!“

      Und als er die Pflaumen aufgegessen hatte, stand er auf, setzte sich in seinen Wagen und fuhr die Landstraße zurück, zum Ort. Und er wußte nicht, ob die Bauchschmerzen, die er jetzt bekam, von den Pflaumen herrührten oder von seinem Vorhaben.

      14. Kapitel

      Zwei Stunden später - denn solange brauchte Angelo, um sich aufzuraffen, endlich das Vorhaben auszuführen, das er sich schon lange vorgenommen hatte, - ging in Signor Botellos Wohnzimmer die Tür auf. Luisa blickte besorgt in den inzwischen halbdunklen Raum, wo Signor Botello immer noch im Sessel saß, in derselben Haltung, wie zuvor. Sein vorher hochrotes Gesicht hatte inzwischen wieder die gewöhnliche Farbe angenommen, ja, er war eher blaß, er schien aus dem Fenster zu stieren und bewegte sich nicht. Sie rief leise und ängstlich: „Botello! Botello! Was ist mit dir?“ Er blieb unbewegt, antwortete nicht. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie. Sollte ihm doch etwas zugestoßen sein? - Aller Groll, alle Bitterkeit, die sich in ihr in den schweren Jahren ihrer Ehe angesammelt hatten, waren mit einem Male verflogen und sie war nur noch erfüllt von heißer Sorge um diesen Mann.

      Zögernd trat sie an ihn heran, flüsterte ihm ins Ohr:

      „Botello!“, und berührte ihn vorsichtig an der Schulter, - da knurrte er unfreundlich,

      „Du sollst mich in Ruhe lassen!“ Nie hatte sie sich über seine unwirsche rauhe Stimme so gefreut wie an diesem Abend und sie schickte unwillkürlich ein kurzes Dankgebet zum Himmel.

      „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie.

      „Was soll denn sonst sein?“, knurrte er. Sie zögerte einen Moment, ob sie ihn jetzt mit der Nachricht, die sie in das Zimmer geführt hatte, behelligen konnte, - gab sich schließlich einen Stoß und sagte schüchtern:

      „Wir haben Besuch!“

      „Na und? Ich will niemanden sehen!“ Wieder kostete es sie eine kleine Überwindung, bis sie fortfuhr:

      „Es ist Angelo!“

      „Welcher Angelo?“

      „Angelo Toccabelli! Er will dich unbedingt sprechen!“ Bei der Nennung dieses Namens fuhr Signor Botello zusammen, als hätte ihn ein Messer getroffen, und er fing an, halblaut zu fluchen,

      „Diese Teufel, diese Halunken, diese Halsabschneider . . . “ Ein Schimpfwort nach dem andern schleuderte er in den halbdunklen Raum, und das wirkte auf Luisa umso unheimlicher, als sie von der Ursache seiner Wut nichts wußte.

      „Was hast du denn gegen ihn? Beruhige dich doch bitte!“, flüsterte sie und versuchte auf jede Art, ihn zu besänftigen, doch ohne Erfolg. Signor Botello wollte von seinem Zorn nicht ablassen.

      Da ging die Tür einen Spalt weiter auf, und Angelo Toccabelli trat geräuschlos ein. Er blieb einen Moment stehen. Seine Augen mußten sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen, und auch ihm kam es gespenstisch vor, den mürrischen Alten dort in seinem Sessel in die Dunkelheit hineinschimpfen zu hören, Luisa in ihrem schwarzen Kleid wie ein Nachtvogel über ihn gebeugt, wußte er doch nicht, daß die Angriffe Signor Botellos seiner eigenen Familie, den Toccabellis, galten.

      „Mach Licht!“, befahl jetzt Signor Botello. Luisa ging zur Tür und schalte das Licht ein. Alles Gespenstische war nun verscheucht. Signor Botello saß in seinem Sessel, den Blick unverwandt auf das Fenster gerichtet.

      Langsam und mißtrauisch drehte er sich zur Tür, wo Angelo stehengeblieben war.

      „Was willst du!?“, herrschte er den jungen Mann an. Der war solchen Ton nicht gewöhnt, und wollte auffahrend antworten, doch er bezwang sich, ging auf Signor Botello zu und holte nun den Blumenstrauß hervor, den er hinter dem Rücken versteckt gehalten hatte. Er hielt ihn Signor Botello entgegen wie eine Friedensangebot, und so, in dieser Haltung blieb er dicht vor ihm stehen.

      „Geh in die Küche!“, sagte der Alte im Befehlston zu Luisa, „Laß uns allein!“

      „Es handelt sich um Agustina!“, sagte Angelo endlich, und, da niemand ihm den Blumenstrauß abnehmen wollte, legte er ihn vor Signor Botello auf den Tisch.

      „Was geht dich meine Tochter an?“

      „Oh, sehr viel!“, entgegnete Angelo, der sein gewohntes Selbstvertrauen wieder gewonnen zu haben schien.

      „Sie ist zu schade zum Herumpoussieren!“, brummte Signor Botello, „Wann bist du mit dem Studium fertig?“ Angelo wurde durch diese Frage ein wenig aus der Fassung gebracht und er antwortete zögernd,

      „Ich weiß noch nicht, ob das wirklich das richtige ist für mich, - vielleicht werde ich noch wechseln.“, doch er kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden, denn Signor Botello sagte,

      „Scher dich zum Teufel!“

      „Wie bitte?“, fragte Angelo, der nicht begreifen konnte, daß er damit hätte gemeint sein konnte.

      „Zum Teufel sollst du gehen!“, wiederholte der Alte lauter, „Du und deine ganze Sippschaft!“

      Angelo bekam heftiges Herzklopfen, und er wußte selbst nicht, warum er sich noch beherrschte.

      „Warum sind Sie denn so wütend, - und worauf?“, fragte er. Aber vielleicht war es gerade die Beherrschtheit Angelos, die Signor Botello immer mehr aufbrachte.

      „Du willst doch nur die Erz-Grube haben! - Aber die bekommst kriegst du nicht!“

      „Die ist doch nichts mehr wert, sagen alle!“, erwiderte Angelo verblüfft.

      „Mehr als du denkst! Und Agustina schlage ich tot, wenn sie sich weiter mit dir trifft. Meinst du etwa, ich weiß nichts davon? - Scher dich endlich zum Teufel!“

      15. Kapitel

      Am frühen Abend saß derselbe junge Mann, Angelo Toccabelli, wieder auf einem steinernen Wegweiser neben der Landstraße, etwas außerhalb von Castellina, direkt am Rande des Straßengrabens. Hinter ihm ließ der Pflaumenbaum immer noch seine Zweige hängen. Ein paar Schritte entfernt hatte Angelo wieder sein schwarzes Auto abgestellt.

      Der Himmel im Westen begann bereits, sein abendliches Farbenspiel zu zeigen und leuchtete in einem feurigen Goldgelb. Darüber stand ein fahles Katzengrün, und die Äste der Bäume, die in den leuchtenden Himmel emporragten, waren schwarz und scharf, wie mit der Reißfeder gezeichnet, doch diese Schönheit kümmerte Angelo nicht.

      Er drehte sich eine Zigarette, da kam Pietro, sein Freund, mit seinem Wagen vorbeigefahren, hielt an, als er ihn erblickte, stieg aus und ging zu ihm. Sie begrüßten sich. Angelo bat ihn um Feuer. Pietro gab ihm sein Feuerzeug, und sie redeten wieder ein wenig miteinander.

      „Wollen wir tanzen gehen!?“, sagte Angelo schließlich.

      „Wie?“, fragte Pietro.

      „Komm, wir fahren an die Küste! Dort gehen wir in die Strand-Diskothek!“

      „Mir ist nicht mehr nach Tanzen!“, sagte Pietro ablehnend.

      „Komm!“, sagte Angelo, „Es ist noch nicht zu spät!“

      „Was hast du nur heute? - Vorhin wolltest du nicht und jetzt muß es unbedingt sein!?“

      „Komm mit! Wir fahren mit meinem Wagen, der ist schneller.“

      Das Meer war grau, ein riesiger düsterer Pfuhl, in dem alles zu versacken drohte. Darüber hing bewegungslos und schwer eine Wolkendecke, und erdrückte die schmalen Lichtbänder des Sonnenuntergangs, die sich am Horziont durcharbeiten wollten. Die beiden jungen Männer, Angelo und Pietro waren an ihrem Ziel angelangt, einem Touristennest an der Küste. Dort fuhren sie den Strandboulevard entlang und hielten an, als sie die Reklame-Beleuchtung einer Stranddiskothek sahen.

      Zwei sehr junge Mädchen, blond, in Miniröcken, mit hochhackigen Schuhen, nach Touristenart gekleidet, kamen gerade