August Schleicher

Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder


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der Knecht hinein zu seinem Herrn und sagte

       ›Herr, was ist das? In den Fäßern da sind Leute drin.‹

       Da bestellte der Kaufmann viele starke Männer, die

       die Räuber ergreifen sollten; jenen Räuber ließ er in

       der Stube ganz hinter den Tisch sitzen und ein Paar

       starke Männer neben ihn. Da kam das Mädchen, zeigte

       ihm den abgehauenen Finger mit dem Ringe und

       fragte ihn, ob er sich desselben erinnere; da merkte er

       daß er erkannt sei und sah sich um, wie er ausreißen

       könne. Der Kaufmann ließ ihm aber nicht so viel Zeit,

       sondern gab jenen ein Zeichen, daß sie ihn faßen sollten.

       Da faßten ihn denn beide und banden ihm Hände

       und Füße zusammen; in seinem Stiefelschafte aber

       fand sich ein langes Meßer. Als sie ihn fest gebunden

       hatten, da giengen sie auf den Hof, ergriffen jene alle

       nach der Reihe und brachten sie ins Gefängnis. So

       waren denn die Räuber alle besorgt und aufgehoben.

       Das Mädchen führte sodann die Leute in das Haus der

       Räuber. Das Vögelchen behielt sie selber, das übrige

       theilte sie unter die Armen aus; das Haus ward verbrannt,

       und die Löwen behielt der Kaufmann. Die

       Räuber fanden sämmtlich ihren Tod im Gefängnisse.

       So war denn alles vertilgt, und das Mädchen hatte fürderhin

       keine Vorliebe mehr für grüne Bärte.

       Vom Häuslerssohne, der einen sehr reichen

       Herrn dran kriegte.

       Ein Mann, der nur ein kleines Haus und einen halben

       Morgen Feld besaß, hatte einen Sohn, den that er aus

       in die Lehre und ließ ihn gut unterrichten. Als später

       der Sohn wieder nach Hause kam, verschrieb ihm der

       Vater das Häuschen mit dem Lande. Dem aber sagte

       es nicht zu in dem Häuschen zu sein und er verkaufte

       es und kaufte sich für das Geld feine Kleider, Wagen

       und Pferde und mietete einen Kutscher und fuhr in

       fremde Lande, um eine Frau zu suchen.

       Da kam er zu einem sehr reichen Herrn, der Töchter

       hatte und der ihm eine versprach. Als ihm der Herr

       die Tochter zugesagt, führte er seinen Schwiegersohn

       herum, um ihm sein ganzes Besitztum zu zeigen. Als

       sie in die Brennerei kamen, sagte der Herr ›Schwiegersohn,

       das sind Keßel!‹ Der Schwiegersohn sagte

       »Das ist noch nichts gegen meine.« Der Herr dachte

       ›Meine sind groß, und wenn seine noch größer sind,

       was müßen das für Keßel sein!‹ Da gieng der Herr zu

       dem Kutscher hin und fragte ihn ›Kutscher, sind eures

       Herrn Keßel in der Brennerei groß?‹ Der Kutscher

       sagte »Ich gieng einmal in die Brennerei, um eine

       Pfeife Tabak anzuzünden, da sah ich, daß fünf Männer

       im Kahne drin herum fuhren und sich Käse

       schmecken ließen.« Dann führte der Herr seinen

       Schwiegersohn in den Pflanzgarten, um den Kohl zu

       beschauen, und sagte ›Schwiegersohn, das ist großer

       Kohl.‹ Der Schwiegersohn sagte »Das ist noch nichts

       gegen meinen.« Der Herr fragte wieder den Kutscher,

       der sagte ›Ich weiß nicht viel davon; aber einst gieng

       ich, um für die Pferde Grünfutter zu hauen, da fieng

       es an zu tröpfeln und fünfzig Männer stunden unter

       einem Kohlblatte und fanden da Schutz gegen den

       Regen.‹ Dann führte der Herr den Schwiegersohn aufs

       Feld, um sich auch das anzusehen; der Herr hatte aber

       sehr große Erbsen, da sagte er ›Schwiegersohn, das

       sind Erbsen!‹ Der Schwiegersohn sagte »Das ist noch

       nichts gegen meine.« Als sie drauf nach Hause

       kamen, gieng der Herr wieder den Kutscher fragen, ob

       seine Erbsen groß seien. Der Kutscher sagte ›Einst

       führte ich die Pferde in die Schwemme, da sah ich,

       daß in eine halbe Schote unserer Erbsen fünf Mann

       sich einsetzten und auf dem Waßer fuhren.‹

       Als nun die Hochzeit vorüber war, entließ der Herr

       seine Tochter mit allen ihren Brautschätzen und mit

       all ihrem Gelde. Wie sie so fuhren, da wurde ihr das

       Fahren zu lang, und als sie an einem Gehöfte vorbei

       fuhren, da fragte sie ihn ›Ist das dein Hof?‹ »Ei, was

       da, was ist das gegen meinen; auch den werden wir

       noch erreichen.« Endlich kamen sie an das Häuschen.

       Da stieg er vor dem Häuschen aus und sagte »Das ist

       es; einst gehörte es mir, aber jetzt gehört mir auch das

       nicht.« Da erschrak sie, fiel rücklings zum Wagen

       heraus und brach das Genick. Da bestattete er sie,

       kaufte sich einen Hof für ihr Geld und nahm sich eine

       andere Frau und ward auf diese Weise ein großer

       Herr.

       Vom Könige und seinen drei Söhnen.

       Ein König hatte drei Söhne, von denen waren zwei

       verständig und einer war dumm. Einst ließ der König

       verkünden, daß alle Zigeuner sein Land zu räumen

       hätten; nach Verlauf von vier Wochen werde er herum

       reisen und da wolle er keinen mehr sehen. Als sich

       nun der Herr und König auf die Reise begab, da kam

       er nach Litauen und begegnete einem alten Zigeuner,

       der mit einem Karren her gefahren kam, und auf dem

       Karren hatte er ein wenig Erde. Der König sagte ›Na,

       Zigeuner, bist du noch da? weist du denn nicht, daß

       du mein Land zu verlaßen hast?‹ Der Zigeuner stellte

       sich auf dem Karren auf die Erde und sagte »Ich stehe

       auf meiner Erde1. Mein Herr und König, ich will

       euch eine große Neuigkeit verkünden.« ›Wovon denn,

       mein lieber Zigeuner?‹ »Lieber König, wenn ein Jahr

       und ein Tag verfloßen sein wird, da werdet ihr erblinden.

       « Der König sagte ›Da setz dich zu mir in den

       Wagen,‹ und sie fuhren nach Hause. Der Zigeuner

       aber bekam beim Könige zu eßen und zu trinken bis

       ein Jahr und ein Tag verstrichen war.

       Das Jahr gieng dahin und es kam der Tag und es