Jan-Hillern Taaks

Die Wolf


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ihr einen Vertrag schließen werde.

      Helene sagte später zu Ralf, dass Gerlinde eine wunderbare Hilfe sein würde.

      "Warum tust du das für mich?", fragte Helene, als die Beiden am Abend allein im Wohnzimmer saßen. Sie hatten zu Abend gegessen, Helene hatte den Jungen gestillt und ins Bett gebracht. Helene fuhr fort:

      "Für dich bin ich doch eine Last ohne Ende, und das wird ja auch weiter so gehen. Ehe ich wirklich Geld verdiene, wird noch viel Zeit vergehen, vielleicht zwei oder drei Jahre."

      Ralf Boring schwieg eine kleine Weile. Er hatte die Frage nicht erwartet, und er wusste nicht sofort, was die richtige Antwort sein könnte. Schließlich antwortete er:

      "Weißt du, es gibt so etwas wie Liebe. Meine Liebe hört nicht einfach auf, weil du einen Mann hast, oder weil du Mutter bist." Ralf war verlegen, und die Worte kamen nur zögernd heraus.

      "Ralf, dieser Liebe werde ich nie richtig würdig sein." Helene errötete.

      "Nun, nimm meine Liebe - und die von Onkel Otto, der das Seine dazu beiträgt, einfach an."

      "Onkel Otto", murmelte Helene. Und dann fragte sie:

      "Seid Ihr ein Paar?"

      Ralf schaute überrascht auf. Dann musste er lachen und entgegnete:

      "Wir sind gut befreundet - aber wir sich kein Paar, kein Liebespaar. Beantwortet das deine Frage?"

      Es gab noch eine Neuerung: Ralf und Onkel Otto schenkten ihr einen gebrauchten Golf, weil sie meinten, dass Helene mobil sein müsse. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien zwar gut, aber Helene habe sehr viele Termine: Zum Kinderarzt, zur Universität, zur Kanzlei und dann dürfe man auch die Behördengänge nicht vergessen. Helene hatte bereits einen Führerschein, den sie vor ihrem 18. Geburtstag gemacht hatte, und sie durfte fahren. Natürlich probierte sie in Begleitung von Onkel Otto, mit dem Wagen im Straßenverkehr zurechtzukommen, und es zeigte sich, dass sie eine sehr umsichtige Fahrerin war, vor allem, wenn sie das Kind mitzunehmen hatte.

      10. Kapitel

      Bernd zeigte sich in den nächsten paar Wochen überhaupt nicht. Helene selbst war viel zu sehr mit dem Jungen, dem Studium, ihrer Arbeit in der Kanzlei und mit sich selbst beschäftigt, um sich wegen ihres Mannes große Gedanken zu machen. Natürlich fragte sie sich, welche Rolle Bernd, ihr Ehemann wider Willen, in ihrem Leben spielte oder spielen sollte. War er nur der Körper, den sie liebte? Einen Dialog über Gefühle oder über das Kind gab es einfach nicht, weil Bernd nicht da war. Und wenn sie ehrlich war, musste sich Helene sagen, dass sie Bernd im Augenblick nicht gebrauchen konnte. Und er? Brauchte er sie? Sie hatte keine Antwort darauf. Sie gab zu, dass ihre Ehe mit Bernd alles andere als normal war. Aber was ist denn schon normal?

      Ganze vier Monate nach der Geburt von Heinrich stand Bernd vor der Tür. Es war später Herbst, es regnete, aber er stand da in nassen Jeans, Hemd und tropfender Lederjacke. Er sah unverändert aus, und sein gewinnendes Lächeln hatte sich nicht geändert. Sie brauchte ihn nur anzusehen, und schon fühlte sie die körperliche Erregung.

      "Ich wollte dich holen - können wir zu mir gehen?", fragte er.

      Helene errötete leicht, dann bat sie ihn in die Wohnung. Ralf war in seinem kleinen Arbeitszimmer, Heinrich schlief in seinem Bett, das sich neben ihrem Bett in ihrem Zimmer befand. Helene führte ihn ins Wohnzimmer. Er umarmte sie, aber sie löste sich und bat ihn, sich zu setzen, nachdem sie ihm die tropfende Jacke abgenommen hatte. Sie setzte sich ihm gegenüber.

      "Und, was ist mit uns?", fragte er mit seiner sanften Stimme. Es war eine ruhige Frage, ohne Vorwurf oder Forderung.

      Sie war verwirrt. Bernd sah gut aus, und er strahlte wie damals eine Wärme aus, zu der sie sich hingezogen fühlte. Sie verlangte nach ihm, und sie merkte jetzt, dass sie ihn vermisst hatte.

      "Ich kann jetzt nicht fort", sagte sie, "wegen des Jungen."

      "Der Junge", sagte er langsam. Aber Heinrich interessierte ihn nicht, was er auch sagte. Ihn interessierte Helene, nicht morgen, nicht übermorgen, sondern jetzt. Er erhob sich und stellte sich hinter ihren Sessel. Seine Hände tasteten sich langsam von ihren Schultern zu ihrer Brust ab. Zunächst ließ sie es geschehen, denn sie wollte seine Hände, sie wollte die Berührung, sie hatte auf einmal Sehnsucht.

      "Komm, wir gehen in mein Zimmer - ich sage Ralf bescheid", sagte sie mit heiserer Stimme.

      Sie fasste seine Hände und schob sie beiseite, dann erhob sie sich. Sie wandte sich ihm zu und umarmte ihn. Ja, sie hatte ihn vermisst.

      Ralf war in seinem Arbeitszimmer. Als Helene kam, wusste er, um was es sich handelte. Er hob beide Hände, denn er wollte keine Erklärungen. Er wusste, dass Bernd gekommen war, denn er hatte Stimmen gehört, und er hatte Bernds Stimme, so leise sie auch war, erkannt.

      "Ja, du hast deinen Mann hier - ihr seid nun mal verheiratet."

      Ralf lachte Helene an, dann meinte er:

      "Tu deine Pflicht als Ehefrau." Ralf wandte sich ab. Er schätzte Bernd nicht besonders, er hielt den jungen Mann für eine Null. Otto war da anderer Meinung, das wusste er, aber in diesem Punkt konnte er seinen Freund nicht verstehen.

      Bernd blieb etwa zwei Stunden, dann verschwand er wieder. Er wollte nicht bleiben, und er hatte auch keinen Blick für Heinrich. Der Junge hatte die ganze Zeit geschlafen. Die Geräusche, die seine Eltern gemacht hatten, hatten ihn nicht wecken können. Am nächsten Abend wiederholte sich das Zusammensein, dann blieb Bernd aus. Er hatte nichts gesagt, weder hatte er Gründe für seinen Besuch, noch Gründe für sein Fernbleiben angegeben. Ja, ihm war sicher bewusst, dass es nun einen Heinrich gab, aber dessen Existenz interessierte ihn vermutlich nicht. Helene wusste mit Bernds Verhalten nichts anzufangen, und sie war froh, dass weder Ralf noch Onkel Otto Fragen stellten, Fragen, die sie sicher nicht hätte beantworten können. Was Bernd anging, kam sie sich dumm vor.

      Ralf hatte mit der Auflösung der Filiale viel zu tun. Er redete nicht viel darüber, aber ihn belastete vor allem das Schicksal seiner Mitarbeiter. In den besten Zeiten hatte er 27 Mitarbeiter gehabt, jetzt waren es immerhin noch 15, die nun die Arbeitsstelle verlieren würden. Er selbst würde eine andere Filiale übernehmen, so war vereinbart worden. Er war nun 61 Jahre alt, und bis jetzt hatte er sich körperlich und geistig fit gefühlt. In letzter Zeit fühlte er sich jedoch oft recht müde, was er der Auflösung dieser Filiale zuschrieb. Helene stellte fest, dass er weniger aß, und dass er recht oft Magenschmerzen hatte, über die er aber nicht sprechen wollte, und sie merkte, dass er an Gewicht verlor. Sie glaubte ihm, wenn er sagte, dass die Auflösung der Filiale ihn sehr belaste.

      Helene hatte die ersten Prüfungen hinter sich gebracht, die sie mit Bravour bestanden hatte - so jedenfalls hatte sich Dr. Abelt ausgedrückt, der mit den Prüfern engen Kontakt hatte. Sie war mit den Ergebnissen zufrieden, aber sie wollte mehr, sie wollte ihren Doktortitel. Dass sie wieder schwanger war, störte sie nicht, vor allem, da die Schwangerschaft kaum sichtbar war. Helene arbeitete viel, aber abends nahm sie sich Zeit für Heinrich. Das Zusammensein mit ihm war eine große Freude für sie. Sie stillte den Jungen immer noch, denn sie hatte genug Milch. Natürlich hatte sie den Arzt gefragt, wann sie am besten aufhören sollte, aber der Arzt hatte nur gelacht. Es war der Kinderarzt, der auch dem Jungen die ersten Impfungen verabreichte. Sie solle den Jungen stillen solange Milch vorhanden sei - oder bis das andere Kind zur Welt komme.

      Gerlinde Moeller war eine große Hilfe. Mehr und mehr kümmerte sie sich auch um den Haushalt, nicht nur um das Kind. Sie besorgte die Einkäufe, meist nahm sie den Jungen, der im Kinderwagen lag, mit, sie kochte auch das Essen. Sie kam morgens gegen sieben Uhr, und abends, oft nach 19 Uhr, verließ sie die Wohnung. Sie würde gerne eine kleine Wohnung im gleichen Haus beziehen, aber gegenwärtig war nichts frei. Gerlinde betrachtete Helene als ihre jüngere Schwester, und sie vergötterte den Jungen. Wenn sie sich etwas über das merkwürdige Eheleben von Helene wunderte, so sagte sie nichts. Sie fand, dass sie das nichts angehe.

      Bernd zeigte sich nicht. Helene fragte sich manchmal, ob Bernd andere Frauen habe. Natürlich,