Angelika Nickel

Angstgeflüster


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Dad, bitte! Warum wollt ihr nicht gehen und sehen, ob wir etwas Schönes für uns finden?«, jammerte Susan, die zwölfjährige Tochter des Hauses.

      Nancy Winter klappte die Tür der Spülmaschine zu und wandte sich an ihre Tochter. »Susan, wie oft müssen wir dir noch sagen, dass wir im Haus noch gar nicht so weit sind, um zu wissen, was wir noch alles brauchen werden?«

      Susan rümpfte die Nase. »Als wenn’s darauf ankäme.«

      »Hör‘ zu, Kleines, ich versprech‘ dir, dass wir im nächsten Jahr uns auch am Yard-sale beteiligen werden.« Nick nahm seine Tochter in den Arm und drückte sie.

      »Ach, Dad, bitte. Vielleicht finden wir ja doch etwas Tolles«, bettelte sie weiter.

      Der Mann warf einen Blick zu seiner Frau hinüber. »Was meinst du, Nancy, sollen wir dem Quälgeist nachgeben, und zumindest mit ihr durch den Ort streifen und sehen, was die Leute so alles aus ihren Häusern werfen?«

      Nancy lächelte Mann und Tochter an. »Vorher gibst du wohl doch keine Ruhe, wie?«

      Susan befreite sich aus den Armen ihres Vaters und jubelte: »Toll, wir gehen zum Yard-sale!«

      Nick strich ihr übers Haar. »Aber danach räumst du weiter dein Zimmer ein. Das ist ein Deal!«

      Susan strahlte. »Mach ich, Dad. Ehrenwort.«

      »Hol dir aber bitte noch eine Jacke. Im März ist es immer noch frisch draußen. Nicht, dass du dich noch erkältest.«

      »Mom, ich bin doch kein kleines Mädchen mehr«, stöhnte Susan, ging aber dennoch, um sich ihre Jacke zu holen.

      »Nein, aber auch erst zwölf Jahre alt«, rief ihr ihre Mutter lachend nach. Sie wandte sich an ihren Mann. »Dass du ihr aber auch immer nachgeben musst, Nick.« Sie verrollte die Augen. »Sie hat genug, was sie in ihrem Zimmer unterzubringen hat. Und wie wir unsere Tochter kennen, findet sie überall etwas, das sie mit nach Hause nehmen will.«

      »Na ja, das Haus wird deshalb nicht gleich aus den Fugen platzen«, antwortete Nick Winter, und ging ebenfalls, um sich eine Jacke zu holen.

      »Zwei gegen einen ist unfair«, beschwerte sich Nancy, gespielt schmollend. Sie nahm ihre Strickjacke vom Stuhl und zog sie sich über.

      »Fertig?«, fragte Susan aufgeregt, und stand fertig angezogen im Türrahmen.

      Ihre Eltern nickten.

      »Fertig. Gehen wir also und lassen uns überraschen, was unsere Tochter heute wieder findet, das sie unbedingt für ihr Zimmer braucht«, scherzte ihr Vater.

      2 – Buntes Treiben

      »Hi, Su!«, rief einer ihrer Klassenkameraden, als Susan an dessen Haus vorbeikam.

      »Hallo, Mitch!«, winkte das Mädchen zurück. »Gehst du nicht herumschnuppern?«, fragte sie ihn.

      »Später. Derzeit muss ich noch dableiben, bis meine Eltern den Rest ihres Gerümpels aus der Garage geräumt haben«, antwortete der Junge zerknirscht.

      »Dann bis später.« Susan hängte sich wieder an den Arm ihres Vaters, und sie liefen weiter.

      »Dass die Menschen derart neugierig sind, zu sehen, was andere aus ihren Häusern tragen«, wunderte Nancy sich.

      »Die sind nicht neugierig, Honey, die wollen günstig ein paar Schnäppchen machen«, gab er ihr lachend zur Antwort, und schaute belustigt dem bunten Treiben zu.

      »Schaut mal dort«, rief Susan mit einem Mal, begeistert aus, und riss sich von der Hand ihres Vaters los.

      »Bleib in Sichtweite!«, rief ihre Mutter ihr hinterher.

      »Na klar, wie immer«, kam es von Susan zurück.

      Ihre Eltern schauten ihr nach und ließen sie keinen Moment aus den Augen. Als das Mädchen vor einem Baum stehenblieb, stutzten beide.

      »Was hat sie denn dort entdeckt?«, fragte Nancy. »Ich seh' nichts weiter als einen Baum.« Verwundert schaute sie ihren Mann an. »Seit wann interessiert sich unsere Tochter denn für Bäume? Selbst der vor ihrem Zimmer macht ihr doch schon Angst.«

      »Sei unbesorgt. Da wird der Nachbar sicherlich nicht mit einverstanden sein, wenn wir ihm den abnehmen wollten«, scherzte ihr Mann, der Nancys Sorge, was seine Tochter und ihre Angst vor Bäumen anbelangte, ohnehin noch nie für bedenklich gehalten hatte. Für ihn war es nichts weiter als eine Phase, die Susan durchmachte. Mehr aber auch nicht.

      »Kannst du nicht einmal ernst bleiben?«, kam es vorwurfsvoll von Nancy.

      Sie hatten den Baum, vor dem ihre Tochter immer noch stand, erreicht.

      Susan deutete auf einen der Äste. »Seht doch nur, sieht sie nicht toll aus!« Das Mädchen zeigte auf etwas, das in dem Baum hing.

      »Boh, was ist das denn für ein hässliches Ding«, stöhnte ihr Vater.

      »Dad, sag das nicht!«, erschrak sich das Mädchen. »Sie mag das nämlich nicht.«

      »Sie mag das nicht … Jetzt hör‘ aber auf, Susan«, sagte ihre Mutter streng. »Was soll das überhaupt sein?«

      »Eine Hexe ist das, Mom. Eine wunderschöne Hexe«, schwärmte Susan.

      »Eine Hexe?« Sofort wehrte sie ab. »Das Ding will ich aber nicht bei mir im Haus haben.«

      »Och, bitte, Mom, Dad! Die würde gut in mein Zimmer ans Fenster passen«, bettelte das Mädchen. Susan biss sich auf die Lippe, und druckste herum. »Wisst ihr«, sagte sie, auf einmal flüsternd, »ich hab sie nicht zufällig gefunden. Sie hat mich gerufen.« Das Mädchen senkte den Blick. »Sie hat mir gesagt, dass sie mit mir nach Hause kommen will.«

      »Wer hat dich gerufen? Und wer will mit dir nach Hause gehen?«, fragte ihr Vater, der es jetzt doch genau wissen wollte, nach.

      Susan zeigte auf die Hexe. »Sie hat mich gerufen. Sie will mit mir mit. Zu uns nach Hause. Mit in mein Zimmer.«

      Ihr Vater schüttelte entschieden den Kopf. »Auf gar keinen Fall!« Sein Blick streifte seine Frau. »Du hast gehört, was deine Mutter gesagt hat. Sie will das Ding nicht im Haus haben. Und was Ma sagt, wie du weißt, Tochter, ist Gesetz«, entschied ihr Vater bestimmt.

      »Danke. Jetzt bin ich wieder die Böse«, brummte Nancy.

      Nick zog seine Tochter vom Baum fort, doch immer wieder schaute sie über ihre Schulter, zu der Hexe hin.

      »Würdest du jetzt bitte richtig laufen«, begann ihre Mutter, zu schimpfen. »Und lass endlich den Blick von dem scheußlichen Ding!«, befahl sie.

      »Tschüss, Hexe«, sagte Susan traurig und warf nochmals einen Blick über ihre Schulter, um wenigsten noch einen letzten Blick auf die Hexe zu tun. Doch – die Hexe war weg. »Da, jetzt hat sie ein anderer mitgenommen. Wir hätten sie doch auch kaufen können«, jammerte die Kleine.

      »Besser sie hängt bei anderen im Haus, als bei uns. Und jetzt will ich nichts mehr darüber hören.« Ihre Mutter warf ihr einen strengen Blick zu.

      »Geht ja auch gar nicht mehr, wenn sie ohnehin verkauft ist«, maulte Susan, und ging gehorsam mit ihren Eltern weiter. Die Lust am Yard-sale war ihr vergangen.

      Nach zwei Stunden, entschied Nick: »Für heute reicht es mir mit diesem Häuserflohmarkt. Doch keine Sorge, ich habe auch schon eine Idee, wie wir den Tag weiter verbringen.« Ein Schmunzeln legte sich um seine Mundwinkel, als er seine beiden Frauen mit einem spitzbübischen Blick streifte. »Wir gehen jetzt nach Hause. Dort kochen wir uns gemeinsam etwas Schönes.«

      Nancy musste unwillkürlich lachen. »Als wenn du schon groß gekocht hättest.«

      Nick zog die Braue hoch, während er sich ein Lachen verkniff. »Ich könnte heute damit anfangen, es zu lernen.«

      »Oh ja, Dad. Wir beide grillen Burger!«, freute