Angelika Nickel

Angstgeflüster


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eigentlich nicht. Trotzdem, leg sie wieder zurück.«

      »Aber warum denn? Die gehört doch niemand.«

      »Vielleicht ist sie ja das Spielzeug von der richtigen Hexe«, versuchte er, Susan dazu zu bekommen, die Hexe wieder aus den Händen zu legen.

      »So ’n Quatsch, Grandpa. Wenn, dann ist das die Hexe.«

      »Bestimmt nicht. Das ist nur eine, die man ins Fenster hängen kann.«

      »Dummkopf«, fauchte die Hexe, erneut über den Mann verärgert. Dieses Mal böser noch, als zuvor. »Was muss der Trottel sich auch einmischen!«

      Und erneut hatte der Mann den Eindruck, als hätte jemand etwas zu ihm gesagt. Doch dieses Mal fragte er Susan nicht danach, da er sah, dass sie immer noch mit der kleinen Hexe beschäftigt war.

      Der Mann machte einen Schritt nach links, und ließ die Hexe dabei nicht für eine Sekunde aus den Augen.

      Ihre Augen folgten ihm. Auch sie ließ ihn nicht aus den Augen. Und das bildete er sich nicht ein, dessen war er sich sicher. »Susan, wir sollten gehen.«

      »Nein, noch nicht. Ich hab ja noch gar nichts von dem Haus gesehen. Und du hast versprochen, dass wir uns alles ansehen.«

      Notgedrungen gab er nach. »Okay, dann leg aber wenigstens die Hexe wieder zurück auf den Tisch.«

      Da sie noch mehr von dem Haus sehen wollte, gab Susan nach.

      »Ich kann dich ja später mitnehmen, wenn wir gehen«, sagte sie, als sie die kleine Hexe auf den Tisch zurücklegte.

      »Das Kind mag mich«, kicherte die Hexe zufrieden. Sie würde für sie der Weg nach draußen sein. So lange der Alte ihr keinen Strich durch die Rechnung machte. Aber, dass er das nicht tat, dafür konnte sie sorgen, sollte er zu einem zu großen Hindernis werden.

      Die beiden liefen nach oben. Doch dort war nichts Besonderes. Auch hier sahen die Räume alle gleich aus. Überall waren die Möbel verhangen und auf den weißen Laken hatte sich der Staub niedergelassen.

      »Hier gibt’s nichts zu sehen, Susan. Wir sollten besser wieder gehen.«

      »Nein, wir waren noch nicht auf dem Dachboden. Und auch im Keller nicht«, widersprach sie.

      »Dachboden und Keller. Was sollen wir dort? Da liegt ohnehin immer nur Gerümpel rum.«

      »Vielleicht ist da ja auch irgendwo das Bett der Hexe. Schlafen muss sie ja auch wo?«, überlegte Susan.

      Dans Brauen schoben sich zusammen. »Ich weiß nicht, ob Hexen überhaupt schlafen.« Er hatte in dem Haus ein ungutes Gefühl. Auch gefiel ihm das mit der Hexe nicht. Das war kein Spaß mehr, noch, dass es irgendeine Geschichte war. Eher kam er sich vor, als wenn er, zusammen mit Susan, in das Leben der Hexe hineingestolpert wäre. Und wäre dem so, nach all dem, was er über die Coconut-bottle-Hexe schon gehört hatte, war mit der Hexe nicht zu spaßen. Sie galt als recht nachtragend und bösartig, wie er gesagt bekommen hatte.

      »Womit sie dir die Wahrheit erzählt haben«, hörte er auf einmal hinter sich, jemanden sagen, gefolgt von einem bösen Lachen. Dan schrak zusammen. »Hörst du das auch, Susan?«, wollte er von dem Mädchen wissen, als das Lachen einfach nicht aufhören wollte.

      Susan schaute zu ihm hin. »Was soll ich hören, Grand?«

      »Hörst du denn niemanden lachen?«

      Das Mädchen hob sich eine Hand ans Ohr und lauschte. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich höre nichts.«

      Dan zwang sich zu einem leichten Lachen. »Dann hab ich mir das nur eingebildet.«

      »Wirst du wohl.« Auf einmal glaubte sie, sagen zu müssen: »Wie ich mit dem Baum«, dabei hörte sich ihre Stimme verändert, und gehässig an.

      Verdutzt schaute der Mann auf das Kind. »Susan?«, fragte er zögernd. Ihm war der bösartige Glanz, der durch ihre Augen huschte, nicht entgangen. Und auch ihre Stimme hörte sich verändert an. Das war nicht Susans Stimme.

      Irgendetwas Böses ging hier vor sich. Und daran war sicher die Hexe schuld, befürchtete Dan.

      Als Susan nicht gleich antwortete, fragte er nochmals: »Susan?«

      »Ja, Grand?« Mit einem unschuldigen Lächeln blickte sie zu ihm auf. »Ist etwas?« Sie war wieder ganz die Alte.

      Der Mann fuhr sich über die Augen. »Nein, nichts«, antwortete er, als er in die Augen seiner Enkeltochter schaute und nichts anderes sah, als ihre Augen, die er bereits von Geburt an kannte.

      Das hast du dir alles nur eingebildet, versuchte er, sich zu beruhigen.

      »Tatsächlich? Hast du das?«, kicherte es wieder hinter ihm. Erschrocken fuhr er herum. Doch da war niemand.

      »Gehen wir!«, befahl er, nahm das Kind an der Hand und flüchtete aus dem Haus.

      »Aber ich wollte die Hexe doch mitnehmen«, klagte Susan.

      »Nichts da! Die bleibt, wo sie ist!«, bestimmte er streng. Er wusste nicht, was es war, dennoch, seit sie in dem leerstehenden Haus waren, hatte sich etwas verändert. Er blickte nach oben. Sogar der Himmel kam ihm auf einmal dunkler vor.

      »Man sollte einfach von leerstehenden Häusern fern bleiben. Immerhin weiß niemand, was dahinter verborgen ist«, murmelte er vor sich hin, und merkte, dass ihm der Schweiß von der Stirn troff.

      Susan jedoch, war bereits zum zweiten Mal auf die Hexe getroffen.

      Dennoch, die Hexe musste ins Haus geholt werden, vorher konnte sie nichts tun. Zumindest nicht das, was sie zu tun gedachte, war sie erst einmal da, wohin sie wollte. Nach Hause zu Susan.

      Ein böses Lächeln fraß sich um die Lippen der Hexe. »Nur keine Angst, ich erreiche immer mein Ziel. Wenn es sein muss, auch auf Umwegen. Und dabei stellt sich mir niemand in den Weg.« Sie grinste. »Vielleicht komme ich euch ja auch einmal uneingeladen besuchen.« Sie kratzte sich an der Nase. »Irgendetwas wird mir schon noch einfallen, um mein Ziel zu erreichen.« Immer wieder tauchte Susans Gesicht vor ihr auf, und gleich daneben, das des Alten. »Ich werde schon einen Weg finden, dass du nochmals zu mir kommst, und mich dann auch endlich in dein Haus bringst«, brummte die Hexe böse vor sich hin, als sie wieder hinter dem Fenster des leerstehenden Hauses stand, und den beiden nachschaute. Als ihr Blick auf Dan fiel, knurrte sie: »Und dir werde ich mich zu entledigen wissen. Du bist einer der Wenigen, die mir gefährlich werden könnten.«

      8 – Unter schlechtem Einfluss

      »Porter, du musst mehr für mich über diese Hexe, von der du mir erzählt hast, herausfinden«, beeilte Dan sich, in den Hörer zu sagen. Dabei schaute er sich um, aus Angst, dass seine Schwiegertochter kommen und ihn belauschen könnte. Gerade sie durfte davon vorerst nichts erfahren.

      »Du meinst aber jetzt nicht die Hexe aus Coconut-bottle?«, erkundigte sich Porter.

      »Doch, genau die!«

      »Ich bitte dich, Dan. Ich hab dich doch davor gewarnt, in dieser Geschichte herumzustochern«, stöhnte der Mann.

      »Kann ich denn ahnen, dass diese Hexe tatsächlich noch an diesem Ort ist.«

      »Dan, Hexen kommen immer dorthin zurück, von wo sie kommen. Warum soll es ausgerechnet bei der anders sein?«

      »Weil du mir gesagt hast, dass sie in einem leerstehenden Haus wohnen würde und heutzutage niemandem mehr etwas anhaben könnte.« Der Schweiß rann ihm von der Stirn auf die Nase.

      »Den Überlieferungen zufolge, habe ich aber auch gesagt, Dan!« Er atmete tief durch. »Wie kannst du auch nur glauben, dass man das Haus einer Hexe ungestraft aufsuchen kann? Und auch noch von solch einer!« Porter fuhr sich durchs Haar. »Was hast du da nur angerichtet?«

      »Ich kann es jetzt nicht mehr ändern«, versuchte Dan, sich zu entschuldigen. »Genau deswegen brauche ich ja deine Hilfe.