Michael Schenk

Zwerge der Meere


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      Fast dreißig Schürftaucher und noch weit mehr Pumper standen um die Tanzfläche herum, auf der sich Birunt aufgebaut hatte und grimmig die Fäuste in die Seiten stemmte. Seine Laune war offensichtlich nicht die Beste und die beiden Freunde bemühten sich, nicht weiter aufzufallen, auch wenn sie nicht der Grund für die Verstimmung des Schlagführers waren.

      „Es missfällt mir, was wir bislang gefunden haben“, bekannte der alte Schürfer. „Die anderen drei Seiten waren glücklicherweise erfolgreicher, sonst sähe es noch schlechter aus. Aber wir hinken hinterher. Ein paar läppische Erzbrocken und Kristallfragmente, das ist ausgesprochen mager.“

      „Vielleicht müssen wir nur tiefer schürfen“, warf einer der Männer ein. „Deine Erfahrung hat dich nie getrogen, Schlagmeister, also muss auch etwas zu finden sein.“

      Birunt Hammerschlag stieß einen undefinierbaren Laut aus. Die Bemerkung des Schürftauchers war vielleicht ermutigend gemeint, aber sie bedeutete auch, dass Birunts Erfahrung durch einen guten Fund bestätigt werden musste, sonst litt sein Ruf. „Ja, vielleicht müssen wir noch ein wenig tiefer schürfen“, sagte er zögernd. „Oder wir graben an der falschen Stelle. Wie dem auch sei“, er straffte seine Gestalt und sah die Männer eindringlich an, „wir werden heute eine neue Suche starten. Die Hälfte geht in die Grube, die andere sucht, so weit die Schläuche reichen. Ich hoffe, wir finden etwas Lohnendes, denn die Stadt wird erst die Anker einholen, wenn die anderen Seiten ihre Gründe abgeerntet haben.“

      Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Die vier Seiten der Stadt standen immer in einem spielerischen Wettbewerb und bislang war ihre Seite deutlich im Hintertreffen.

      Birunt räusperte sich. „Noch eines, Schürfer. Die Sucher werden Körbe mitnehmen. Die Frauen wollen Tang und Muscheln für die Abendmahlzeit zubereiten.“

      Kollektives Stöhnen erfolgte. Die Körbe, in denen Wasserpflanzen und Muscheln gesammelt wurden, waren unhandlich und behinderten die Taucher.

      „Ich weiß, Männer, ich habe den Frauen gesagt, wir hätten schon genug zu tun und sie sollten eine der anderen Seiten wählen.“ Birunt zuckte die Schultern. „Aber die müssen ebenfalls ihren Teil beitragen. Immerhin“, er lächelte grimmig, „kommt ihr dem Boden näher, wenn ihr euch nach Tang und Muscheln bückt. Vielleicht erkennt ihr dann eher einen lohnenden Fund. Und nun auf, zu euren Anzügen und Pumpen, Männer. Auf reichen Grund und langen Atem.“

      Automatisch und wenig begeistert stimmten die Männer ein und die Versammlung löste sich auf. Heimur Sichelhieb, jener Schürfer, der einige Tage zuvor die beiden Freunde in den Goldenen Grund eingeladen hatte, legte Varnum die Hand auf die Schulter. „Wir beide gehören zu den Suchern, mein junger Freund. Zusammen mit zwölf anderen Männern. Wollen wir hoffen, dass wir etwas finden. Bleib in deiner Strecke und halte die Augen offen, ich spüre in meinen Knochen, dass wir heute etwas Wertvolles entdecken.“

      Als sie zu ihrer Plattform kamen, standen dort ein paar Frauen, welche die großen Drahtkörbe mit sich führten. Eine von ihnen war Besana und Varnum grinste erfreut, als er sie erkannte. Leider lächelte auch Oldrum und Varnum hoffte, dass sein Lächeln einer anderen Frau galt. Immerhin war der Freund ja nicht wählerisch. Allerdings war Besana die hübscheste von allen…

      Varnum verspürte einen Anflug von Eifersucht, als die Augen der hübschen Zwergin, wenigstens seiner Meinung nach, länger als nötig auf Oldrum ruhten. „Achte nicht so sehr auf die Frauen“, wies er den Freund zurecht. „Heute habe ich meine Hände mit dem Taststock und dem blöden Korb voll. Da habe ich keine Hand frei, um auf den Schlauch zu achten. Achte also darauf…“

      „Ja, ja, das er nicht auf dem Boden schleift“, erwiderte Oldrum auflachend. „Keine Angst, wir haben noch drei gute Pumper dabei und ich werde persönlich darauf achten, dass bei dir nichts schleift.“

      Varnum legte den Tauchanzug an und der Freund half ihm, die Manschetten dicht zu machen. Dann warf er einen raschen Blick auf Besana und kontrollierte seine Bartzöpfe und den Sitz der kleinen Lederbeutel an ihren Enden. Schließlich legte er sie in den Nacken, verknotete sie und nickte seinem Freund zu.

      Der ergriff den schweren Kugelhelm und hob ihn auf die Schultern des Tauchanzugs. Die leichte Drehbewegung im Halsring, das metallische Schnappen der Scharniere und Oldrum packte den Pumpenschwengel, begann ihn langsam auf und ab zu bewegen.

      Varnum zeigte die Faust, alles war in Ordnung und trat an die Tonne. Während er die Dichtigkeit von Anzug und Helm überprüfte, knotete einer der anderen Männer eine Halteleine an den ersten Sammelkorb. Als er wieder an den Rand der Plattform trat, drückte Oldrum ihm den Korb in die eine und die Suchstange in die andere Hand.

      Varnum spürte den aufmunternden Klaps des Freundes, dann sprang er ins Wasser. Erleichtert spürte er die Kühle, welche die Hitze des Tages von ihm nahm. Rechts und links von ihm waren andere Schürfer auf dem Weg nach unten, einige hatten die Schürfgrube bereits erreicht. Vorbei an zwei Wachen mit ihren Speeren, sank er nach unten.

      Knapp jeder zweite Schürfer der jeweiligen Stadtseite würde an diesem Tag nach einer potenziellen Schürfstätte suchen. Jeder von ihnen würde, die Stadt immer im Rücken, einen Streifen des Meeresbodens abgehen und mit der Suchstange zwischen Pflanzen und Korallen umhertasten. Niemand steckte seine Hand in ein potenzielles Versteck, aus dem eine Wasserschlange, ein Krebs oder Raubfisch auftauchen konnte. Die Stangen gaben Sicherheit, denn sie schreckten auf, was sich verbarg und konnten es notfalls auf Distanz halten.

      Die Füße mit den angeschnallten Gewichten berührten den Boden und wirbelten den Grund auf. Varnum prüfte den Helm auf Sickerwasser und warf einen Blick auf den Atemschlauch. Alles war in Ordnung und durch das klare Wasser konnte er undeutlich Oldrum erkennen, der über den Rand der Plattform gebeugt stand, und den Luftschlauch führte.

      Der Sammelkorb behinderte ihn. Er hätte es sinnvoller gefunden, wenn man einige Schürftaucher damit beauftragt hätte, die Körbe zu füllen, damit die anderen sich dann besser auf die Suche konzentrieren konnten. Hoffentlich fanden sie wenigstens Erze oder Kristalle, die den Abbau lohnten.

      Rechts von Varnum ging Heimur Sichelhieb, links neben ihm ein anderer Schürfer. Ihre Linie war weit auseinander gezogen und die Gefahr, ein lohnendes Vorkommen zu übersehen, war durchaus vorhanden. Ihre Füße wirbelten Sediment auf, Fische flüchteten vor ihnen. Varnum achtete darauf, in keine der abgestorbenen Korallen zu treten, die ihm sofort die Füße zerschnitten hätten.

      Eher missmutig stieß er die Suchstange in den Grund, zog sie hervor, wenn er keinen Widerstand spürte und untersuchte eine andere Stelle. An den Stellen, an denen die Wasserpflanzen sehr dicht wuchsen, stocherte er sicherheitshalber mit der Stange hinein, dann rammte er sie in den Boden und schnitt mit seinem Messer die grünen Büschel ab und stopfte sie in den Sammelkorb. Dann ging es weiter, Schritt für Schritt.

      Gelegentlich warf er einen Blick um sich, um nach Gefahr zu spähen und zu sehen, ob einer der anderen Sucher schon Erfolg hatte. Bei einem schien dies tatsächlich der Fall zu sein. Er reckte triumphierend die Suchstange hoch und rammte sie dann an der Fundstelle in den Boden. Der Mann nahm Hammer und Meißel aus seinem Werkzeuggürtel und begann die Stelle sorgfältig zu untersuchen.

      Der Anblick spornte Varnum an und er stieß seine eigene Stange mit neuem Elan in den Boden. Zwei Mal stieß er auf harten Widerstand und beim zweiten Mal klang es metallisch. Aber als er die Stelle näher in Augenschein nahm, erwies sich der Fund als kümmerlicher Brocken. Er fand einen Kristallstock mit roten Säulen, aber sie waren trübe, ein Zeichen dafür, dass sie abstarben. Vielleicht war der Boden ausgelaugt oder ein größerer Fisch war mit voller Wucht dagegen geschwommen und hatte die Zentralader geschädigt. Es konnte auch eines der seltenen Seebeben gewesen sein. In jedem Fall war der Kristallstock ruiniert. Er musste frisch geschlagen und poliert werden, nur dann behielt er seinen Glanz, wenn die Zentralader gekappt wurde.

      Der Suchgang über den Meeresboden erwies sich zunehmend als Kräfte zehrende Tortur. Die vorangegangenen Tage hatte Varnum knapp unterhalb der Plattform gearbeitet und das Gewicht des Atemschlauches kaum gespürt. An diesem Tag jedoch, musste er gegen den steten Zug des Schlauches ankämpfen, denn Oldrum bemühte sich, ihn nicht über den Boden schleifen