Rolf-Dieter Meier

Ernteplanet


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ein gemütliches Frühstück und ein erstes Zeitungsstudium bei dezenter Hintergrundmusik. Nach Kirstin, die eigentlich nie länger als dreißig Minuten brauchte, wobei ihr der flotte Kurzhaarschnitt und das attraktive Äußere, das keines besonderen Stylings bedurfte, sehr entgegenkam, ging Erik ins Bad, um sich seinerseits auf Vordermann zu bringen. Es hatte sich so eingespielt, dass sie noch etwa eine halbe Stunde gemeinsam am Frühstückstisch verbringen konnten. Kurz wurden die anstehenden Einkäufe, Verabredungen mit Freunden und was sonst noch auf der Tagesordnung stand abgesprochen. An diesem Montag stand nichts weiter an, deshalb kam Erik noch einmal auf sein abgeschlossenes Projekt zu sprechen.

      „Ich bin gespannt, was mein Chef von dem Ergebnis des Projekts hält. Ich hoffe, er hat die Unterlagen und den Bericht bekommen. Er wollte das alles nämlich am Wochenende durcharbeiten. Du weißt ja, dieses Projekt könnte das Sprungbrett für die Partnerschaft werden.“

      „Du hast doch gesagt, dass es gut gelaufen ist. Dann wird auch Dr. Konzalik zufrieden sein. Mach Dir mal keine Sorgen.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr, aber du kennst ihn nicht. Er ist einer, den man nicht zum Freund haben will, aber erst recht nicht zum Feind. Und ich habe eher das Gefühl, er ist mehr letzteres, obwohl ich nicht weiß, warum. Vielleicht sieht er mich schon als Konkurrenten.“

      Obwohl er in Gedanken bereits im Büro war, konnte er nicht umhin, festzustellen, dass ihr das kleine schwarze Kostüm, das sie heute für einen Gerichtstermin gewählt hatte, ausgezeichnet stand.

      „Du siehst Klasse aus“, stellte er deshalb bewundernd fest.

      „Danke“, entgegnete sie, „jetzt müssen wir aber.“

      Nachdem sie noch ein bisschen Ordnung geschaffen hatten, verließen sie gemeinsam das Haus. Der Frühnebel hatte sich mittlerweile verzogen und trieb als Dunst am Himmel dahin. Erik war sich sicher, es würde ein schöner Tag werden. Er fühlte, wie sich Hochstimmung in ihm breit machte und die negativen Erwartungen verscheuchte. Bald erreichten sie das nur unweit geparkte Auto, stiegen ein und fuhren zur nächsten Bushaltestelle, wo sich ihre Wege trennten. Kirstin hatte an diesem Tag Glück; der Bus kam bereits, als Erik begann, seine Fahrt zur Firma fortzusetzen. Kirstin hatte eine gute Verkehrsanbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die Fahrt war nur kurz. Außerdem gab es im Umfeld der Anwaltskanzlei, in der sie arbeitete, nur wenig Parkplätze. Von einigen auswärtigen Terminen abgesehen, so wie heute, arbeitete sie meist im Büro. Erik hingegen war häufiger unterwegs und hatte zudem in seiner Firma eine Parkmöglichkeit. So war die Entscheidung leicht gefallen, dass er in der Regel den Wagen nahm, obwohl auch sie eine leidenschaftliche Autofahrerin war. Auf einen Zweitwagen hatten sie bisher verzichtet, da es jetzt schon beschwerlich war, in der Nähe ihrer Wohnung einen Parkplatz zu finden.

      Nachdem Erik den Wagen in der Tiefgarage geparkt hatte, fuhr er mit dem Fahrstuhl in den fünfzehnten Stock der T. Summerset Consulting AG, einem Unternehmen, das in allen bedeutsamen Städten der Erde vertreten war. Am Eingang hielt er seine Codekarte an den Kartenleser, es summte und er konnte die Tür öffnen. Hinter dem Empfangstresen stand Sophie Kleinfeld, eine blonde junge Frau in einem dunkelblauen Kostüm, die ihn, als sie seiner ansichtig wurde, zu sich heranwinkte.

      „Hallo Erik, schön dich mal wieder zu sehen“, sagte sie, während sie ihm ein professionelles Empfangsdamenlächeln schenkte, „und in Madrid ist alles gut gelaufen, habe ich gehört.“

      Erik war verblüfft, er war doch gerade erst angekommen.

      „Hallo, ja, es war toll. Vor allem war es nicht so kalt wie hier.“

      „Stimmt, hier war es teilweise noch recht winterlich.“ Sie kramte in ihren Unterlagen und zog dann einen kleinen Zettel hervor. „Hier ist es ja. Du sollst gleich zu Dr. Konzalik kommen.“

      „Er ist schon da?“ Erik war völlig entgeistert, damit hatte er nicht gerechnet, denn normalerweise kam er nicht vor neun Uhr.

      „Ja, und er ist, wie es scheint, bester Laune.“ Sie beugte sich vertrauensselig etwas vor: „Ist schon komisch, nicht?“

      „Das kann man wohl sagen! Aber wenn er gute Laune hat, kann es wohl nicht so schlimm werden!“

      „Toi, toi, toi,“ rief sie ihm hinterher, während er sich aufmachte, Dr. Konzalik seine Aufwartung zu machen.

      Im Sekretariat erwartete ihn schon Laura Brenner, die wohl bereits von Sophie über seine Ankunft informiert worden war. Sie gehörte zu den mittlerweile selten gewordenen Mitarbeitern, die länger als zehn Jahre bei der Firma tätig waren. In der Regel waren die Verwaltungskräfte Angestellte von Dienstleistern, selbst bei den Fachkräften überwogen die befristeten Arbeitsverträge. So konnte man relativ schnell auf konjunkturelle Schwankungen reagieren. Frau Brenner war trotz ihrer 57 Jahre durchaus attraktiv und eine äußerst gepflegte Erscheinung. Mit 26 Berufsjahren in der Firma war sie die Dienstälteste und wurde wegen ihrer umgänglichen Art von den meisten sehr geschätzt. Auch von den Partnern, die immer wieder ihr Organisationstalent bewundern mussten und dankbar für ihre Diskretion waren. Bemerkenswert aber war, dass sie die einzige war, die niemanden duzte und die sich nicht duzen ließ, obwohl dies ausdrücklich erwünscht war, sozusagen zur Unternehmensphilosophie gehörte. Mit einigen Mitarbeitern, mit denen sie auch privat verkehrte, duzte sie sich selbstverständlich, aber nur außerhalb der Firma. Selbst Dr. Konzalik hielt sich an diese Regel und schien ihr dies auch nicht übel zu nehmen, ganz im Gegenteil, man hatte manchmal das Gefühl, dass er sie mochte, zumindest aber respektierte, was für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht unbedingt galt. In das Hochgefühl, das sich in Erik verbreitet hatte, mischte sich deshalb nun doch eine Portion Nervosität, da er, wie er glaubte, vor einem wichtigen Punkt seiner Karriere stand, die im wesentlichen von diesem Senior Partner Dr. Jürgen Konzalik bestimmt wurde.

      Frau Brenner hatte seine aufkommende Unsicherheit offensichtlich erkannt und lächelte ihm aufmunternd zu. Wie oft hatte sie schon solche Augenblicke erlebt, wo über das Wohl und Wehe der jungen Leute entschieden wurde.

      „Ich gratuliere, Herr Stendahl, gehen sie rein, er erwartet sie schon.“

      Sie nickte ihm noch einmal zu und wies mit der Hand auf die offenstehende Tür zum Büro von Dr. Konzalik.

      „Danke, Frau Brenner, und natürlich einen schönen guten Tag.“

      Sie lachte: „Danke! Es wird bestimmt ein schöner Tag.“ Dabei zeigte sie mit ihrer linken Hand zum Fenster. Tatsächlich, so wie er es am Morgen vermutet hatte, zeigte sich draußen bereits ein blauer Himmel, nur hier und da noch Reste des Hochnebels und die gegenüberliegende Fassade eines weiteren Büroturms erstrahlte hell in der Morgensonne. Während er auf die offenstehende Tür zuging, überprüfte er noch einmal reflexartig den richtigen Sitz seiner Krawatte.

      Als Erik das Büro von Dr. Konzalik betrat, erhob sich dieser aus seinem Stuhl, ging um seinen Schreibtisch herum und trat mit weit geöffneten Armen auf ihn zu. Dabei zeigte er ein strahlendes Lächeln, wie es Erik und wahrscheinlich auch kein Anderer es je gesehen hatte. Erik war so perplex, dass er unbewusst einen Schritt zurücktrat. Dr. Konzalik stoppte und lächelte nun amüsiert. Sein ansonsten hageres Gesicht mit den hervorstehenden kräftigen Wangenknochen und den wasserhellen Augen, die eher Kälte als Warmherzigkeit versprühten, wirkte jetzt fast gemütlich. Trotzdem und obwohl Erik mit seinen 1,96 Meter und seiner kräftigen, sportlichen Figur dem schlanken und bestimmt zehn Zentimeter kleineren Senior Partner körperlich überlegen war, gab es keinen Zweifel darüber, wer der Chef im Ring war. Und dabei sollte es, trotz aller Freundlichkeit und Freude, die ihn heute übermannt hatte, auch bleiben. Erneut streckte er Erik die rechte Hand entgegen.

      „Lieber Erik, schön, dass du wieder in Berlin bist und du hast, wie ich sehe, das schöne Wetter aus Spanien mitgebracht!“ Dabei deutete er wie bereits Frau Brenner auf den mittlerweile makellosen blauen Himmel über der Stadt.

      „Ich gebe eben immer mein Bestes.“

      Im selben Moment bedauerte Erik die seiner Ansicht nach lahme Replik, aber wider erwarten schien Dr. Konzalik diese Antwort äußerst zu erheitern, zumindest erklang ein merkwürdiges Glucksen, dass wohl ein Lachen darstellen sollte.

      „Ich möchte dich nicht weiter auf die Folter spannen und es kurz machen. Du hast einen perfekten Job in Spanien gemacht. Ich habe