Andreas Model

Die schönsten Märchen aus Südafrika


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nicht töten. Sie gingen nach Hause und beschlossen: "Morgen werden wir ihm folgen."

      In der nächsten Nacht folgten sie der Spur des Elefanten. Plötzlich hörte die Elefantenspur auf, und es waren nur noch die Fußabdrücke eines Menschen und Blut zu sehen. Kurz darauf fanden sie die Stelle, wo der Elefant seine beiden Stoßzähne abgeworfen hatte, die wie lange Pfähle aussahen. Die Leute wunderten sich sehr und fragten einander: "Wie hat der Elefant es geschafft, dass er sich in einen Menschen verwandeln konnte?" Misstrauisch geworden, prüften sie, ob alle Männer da waren. Sie entdeckten, dass Babana fehlte und dass er auch nicht bei der Jagd auf den Elefanten dabei gewesen war.

      Sie liefen zu seiner Hütte und fanden ihn mit Speerwunden krank daniederliegend. Und als sie ihn fragten, bekannte er, dass er sich in einen Elefanten verwandelt hatte, um viele Kürbisse essen zu können. Da machten sie ein Spottlied auf ihn und sangen: "Babana hat sich in einen Elefanten verwandelt, der ein Kürbisesser ist!" Fortan sang man dieses Spottlied überall im Lande.

      Das Ei, das immer größer wurde

      Ein Mann hatte elf Söhne. Der jüngste von ihnen aber war der Sohn der zweiten Frau. Bevor der Mann starb, überließ er jedem der zehn älteren Söhne drei Rinder. Dem jüngsten Sohn übergab er ein kleines Ei und trug ihm auf, es draußen, weit weg vom Kraal aufzubewahren und dem Ei jeden Tag etwas vorzusingen. Dann starb der Mann.

      Der jüngste Sohn ging nun jeden Tag zu seinem Ei und sang ihm etwas vor, und das Ei wuchs und wuchs. Bald war es größer als eine Hütte, aber es wuchs immer noch. Da bekam der jüngste Sohn Angst vor dem Ei und kletterte auf einen Baum, wenn er ihm vorsang. Endlich, als er eines Tages wieder sang, platzte das Ei und Tiere jeglicher Art kamen heraus: Rinder, Schafe und Ziegen. Da baute der jüngste Sohn seinen eigenen Kraal und lebte glücklich darin.

      Das Ende der Freundschaft zwischen der Hyäne und dem Hund

      Die Hyäne stand hinter einem Zaun, schaute durch ein Loch und sah, wie die Menschen den Hund schlugen. Der Hund hatte sich ein Stück fettes Fleisch geschnappt und floh damit durch das Loch im Zaun ins Freie. Dort traf er auf die Hyäne, die auf ihn gelauert hatte. Sie packte den Hund und rannte mit ihm davon. Nach einer Weile setzte sie den Hund ab und sagte: "Ich höre dich immer heulen, weshalb wirst du denn geschlagen?" Der Hund antwortete: "Ich werde wegen des fetten Fleisches geschlagen!" Da fragte die Hyäne: "Wo haben denn die Menschen das fette Fleisch her, um dessentwillen sie dich immer schlagen?" Der Hund erklärte sich bereit, der Hyäne die Stelle zu zeigen.

      Sie machten sich beide auf den Weg. Schließlich kamen sie an ein Wasserloch, in dem sich der Mond spiegelte. Der Hund zeigte in das Loch und sagte: "Da ist das fette Fleisch, das die Menschen holen." Da bat ihn die Hyäne: "Geh doch hinein und bringe mir etwas." Der Hund aber hatte den Bissen fetten Fleisches noch im Rachen. Er ging in das Wasserloch, kam zurück, holte den Bissen Fett hervor und gab ihn der Hyäne. Die Hyäne fraß ihn und sagte: "Geh noch einmal und bringe mir noch etwas." Der Hund sagte: "Mir ist das zu tief. Schicke doch diejenigen, die lange Arme haben, damit sie etwas holen! Wenn du kannst, so versuche es selber, denn du bist groß!"

      Und die Hyäne ging zum Wasserloch und versuchte, etwas herauszuholen. Doch sie fand nichts. Während sie sich noch bemühte, floh der Hund. Und als die Hyäne wieder aus dem Wasserloch herauskam, war der Hund weggelaufen. Sie verfolgte ihn. Als er durch das Loch im Zaun schlüpfen wollte, fasste sie den Hund beim Schwanz und biss ihm ein Stück davon ab. Sie beschimpften einander, und die Hyäne sagte: "Das Stück deines Schwanzes werde ich zerreißen und wegwerfen. Mit unserer Freundschaft ist es aus." Seitdem ist es so, dass eine Hyäne, wenn sie einen Hund getötet hat, den Schwanz nicht mitfrisst. Hyänen und Hunde hassen einander sehr. Wenn die Hunde nachts eine Hyäne hören, können sie nicht schlafen, sondern bellen laut.

      Das Ende des großen Häuptlings der Tiere

      Es war einmal eine Frau, die für kurze Zeit ihr Haus verlassen musste und ihre Kinder einem Hasen in Obhut gab. Der Ort, an dem sie lebten, lag dicht an einem Pfad, den Scharen von wilden Tieren benutzten.

      Bald nachdem die Frau weg war, erschienen die Tiere. Dem Hasen fuhr der Schreck in die Glieder, als er sie sah, und so rannte er ein Stück weit weg, blieb dann stehen und beobachtete. Unter den Tieren war ein schreckliches Ungeheuer, das den Hasen anrief und wissen wollte, was für Kinder das seien. Der Hase nannte ihre Namen, danach verschlang das Tier die Kinder mit Haut und Haaren.

      Als die Frau wiederkam, erzählte ihr der Hase, was geschehen war. Da sammelte die Frau etwas trockenes Holz, schärfte zwei Messer, nahm beides und lief den Pfad entlang. Nun war das Ungeheuer der Häuptling der Tiere, und als die Frau auf einem Hügel ihm gegenüber anlangte, rief sie laut heraus, dass sie ihre Kinder suche. Das Tier erwiderte: "Komm näher, ich kann dich nicht verstehen."

      Als sie zu ihm ging, verschlang es sie ebenfalls. Die Frau fand ihre Kinder am Leben, auch viele andere Leute und Ochsen und Hunde. Die Kinder hatten Hunger. Da schnitt die Frau mit ihren Messern Fleisch von den Rippen des Tieres, machte Feuer, kochte das Fleisch, und die Kinder aßen.

      Die anderen Leute sagten: "Wir sind auch hungrig. Gib uns zu essen." Da schnitt sie wieder Fleisch ab und kochte auch für sie. Durch diese Behandlung fühlte sich das Tier unwohl und rief seine Vertrauten um Rat an, aber sie konnten ihm keine Medizin nennen. Das Tier legte sich nieder und wälzte sich im Schlamm, aber auch das half nicht; schließlich ging es hin, steckte seinen Kopf in den Zaun vom Kraal und starb.

      Seine Vertrauten standen in einiger Entfernung und hatten Angst, sich ihm zu nahem. Deshalb schickten sie einen Affen, nach ihm zu sehen. Der Affe kam wieder und sagte: "Diejenigen, die auf den Bergen leben, müssen zu den Bergen rennen; diejenigen, die in den Ebenen leben, müssen in die Ebenen eilen; was mich betrifft, ich gehe zu den Felsen." Da verschwanden die Tiere alle.

      Um diese Zeit war es der Frau gelungen, ein Loch in den Bauch des Häuptlings zu schneiden und, gefolgt von ihren Kindern, herauszuklettern. Dann kam ein Ochse heraus und sagte: "Bö! Bö! Wer hat mir geholfen?" Danach ein Hund, der sagte: "Wau! Wau! Wer hat mir geholfen?" Darauf ein Mann, der sagte: "Ho! Ho! Wer hat mir geholfen?" Und nun folgten nach und nach alle anderen Leute und die Kühe. Sie wurden sich einig, dass die Frau, die ihnen geholfen hatte, ihr Häuptling sein sollte.

      Als die Kinder Männer wurden, befanden sie sich eines Tages auf der Jagd und erblickten einen grässlichen Menschenfresser, der in einem Schlammloch feststeckte. Sie töteten ihn und liefen dann nach Hause, um den Männern ihres Stammes zu erzählen, was sie vollbracht hatten. Die Männer kamen mit, häuteten den Menschenfresser ab, und da krochen auch aus ihm eine Menge Leute heraus. Sie schlossen sich ihren Befreiern an, so dass ein großes Volk entstand.

      Das gefangene Mädchen

      Einmal brach eine Schar Mädchen früh am Morgen von zu Hause auf, um Imbola zu holen, den roten Ton, mit dem sie ihre Körper und Kleider färben. Unter ihnen war eine Häuptlingstochter, ein sehr hübsches Mädchen. Als sie genug eingesammelt hatten und nach Hause gehen wollten, schlug die eine vor, in einem großen Teich, den es da gab, zu baden. Damit waren alle einverstanden, und so gingen sie ins Wasser und spielten lange darin herum. Schließlich zogen sie sich wieder an und machten sich auf den Heimweg. Aber als sie ein Stückchen gegangen waren, bemerkte die Häuptlingstochter, dass eins ihrer Schmuckstücke fehlte, dass sie vor dem Baden abgelegt hatte. Sie bat eine Verwandte, mit ihr umzukehren, aber die lehnte ab. Da fragte sie ein anderes Mädchen und noch ein anderes, aber keine wollte mitkommen. So war sie gezwungen, allein zu dem Teich zurückzukehren, während die anderen nach Hause gingen.

      Als sie bei dem Wasser ankam, näherte sich ihr ein ekelhafter Menschenfresser, der nur ein Bein hatte. Er packte sie und steckte sie in einen Sack. Sie war so erschrocken, dass sie ganz still lag. Der Menschenfresser zog mit ihr durch verschiedene Dörfer und ließ sie für sich singen. Er nannte sie seinen Vogel.