Owawe Manitu

Aus den Tagebüchern eines Inka Priesterschülers und Xervantes Indianers


Скачать книгу

an sie da war.

      Liebes Tagebuchpapier, es ist aufregend, das jetzt zu schreiben, denn durch diese Vorstellung fiel es mir damals leichter, mir die Entstehung des Universums zu erklären, denn wenn es nie weg war, musste es auch nicht erst entstehen. Die Schilderungen über die Schöpfung bekam für mich einen völlig neuen Sinn. Oder anders gesagt: Wenn es kein Ende hatte, benötigte es auch keinen Anfang. Es kam nur auf den Zeitpunkt an, in dem ich es betrachtete. Genau an diesem Punkt setzte also ein Medium in der Arbeit mit einem medizinisch unheilbar Kranken an, der seine Selbstheilungskräfte betrachtete. Informationen aus der Gegenwart und Zukunft waren einfach da und waren nie weg! Galaxien waren einfach da, wenn ich nur daran dachte! Die Wirklichkeit erschaffte sich also selbst in dem Moment des Gedankens! Was für eine Entdeckung! Ich habe es wirklich so für mich erlebt. Und ich vertraue es Dir – Du strahlendes Papier - schwarz auf weiß an. Es war mein persönlicher Irrglaube, den ich mittlerweile abgelegt habe, dass eine Seele, wenn sie re-inkarniert war, für mich als Medium nicht mehr erreichbar sei. Sie war dann eben nur von einer rein menschlichen Darstellung übergegangen in ein – sagen wir einmal – Glühwürmchen, oder wie ich es wahrnahm, in ein „Spark“. Der Spark ist Teil des Ganzen und das Ganze ist Teil vom Spark oder eben meinem kleinen Glühwürmchen, das freudig im Wind tanzt und die Erde froh erleuchtet. Natürlich interessiert sich dieses Glühwürmchen namens „Spark“ für den Menschen und das Diesseits, wie es eben auch den oder die Götter interessiert, wie wir Menschen spielen. Ist doch auch logisch für Dich, mein schlaues Tagebuch. Oder?

      DAS LEBEN ALS WERTVOLLE ERFAHRUNG

      Liebes Tagebuch. Ich male einen kleinen Stern auf Deine Seiten, denn es ist Winter und herrlich vorweihnachtlich. Diese Zeit aktiviert in mir ein offenbar altes Verhaltensmuster aus meiner Kindheit: Die Vorfreude auf das leckere Essen, auf den Duft des frisch geschlagenen Christbaumes im Zimmer, den wundervollen Geruch von Glühwein, Bosna auf den Märkten und die Suche nach der familiären Harmonie – gerade von ihr so richtig viel! Ich genieße jeden Tag wie meinen letzten und bereite solche Ereignisse mit dem notwendigen Respekt vor, damit keine Hektik, sondern Vorfreude in mein Herz zieht. Dinge, die mich belasten, möchte ich in diesen Tagen nicht mehr so tief in mich hineinlassen, denn es würde die Angst in mir schüren, dass etwas schief gehen könnte. Sicher, ist es enorm schwer, wenn ich mir vornehme, etwas Bestimmtes nicht zu tun, denn meistens bekommt dann gerade dieses bestimmte eine Etwas eine gesonderte Portion Aufmerksamkeit und bläht sich besonders stark auf. Ich erkenne das dann z. B., wenn ich mir vornehme, nicht in eine bestimmt Richtung zu sehen. Das scheitert fast sofort, denn mein Gehirn baut dann unbewusst eine solche Neugierde auf, dass ich spontan und fast automatisch in die falsche Richtung schaue. Fatal wird dieser Mechanismus, wenn ich mein Auto lenke und einem anderen Verkehrsteilnehmer ausweichen muss. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich genau das treffe, was ich mir als Hindernis eigentlich ersparen wollte. Sei es der Baum oder eben ein Laternenmast, der zufälligerweise immer dann gerade dort steht, wo ich ihn eigentlich gar nicht gut gebrauchen kann. Die besondere Absicht, etwas zu vermeiden, könnte in eine erhöhte Aufmerksamkeit führen, die wiederrum die Vermeidung außer Kraft setzt. Wahnsinn, vielleicht lässt sich dadurch erklären, dass ich früher oft nur das Negative wahrgenommen habe und nicht selten richtig depressiv wurde. Ich sah plötzlich in der Weihnachtszeit nur genervte Mütter, die an den Armen ihrer Kinder ziehen, Ladenbesitzer, die Dieben hinterherliefen und aggressive Verkehrsteilnehmer, die sich um einen Parkplatz stritten. Ich sah aber nicht den Glanz, nicht das leuchten in den Augen der Menschen, spürte nicht die friedliche Stille und die feierliche Vorbereitung auf das Fest. Jetzt muss ich glatt mal den Stift ablegen und eine Runde mit Dir still sein – mein liebes Tagebuch und ich – wir lauschen in die vorweihnachtliche Welt.

      Ich habe kürzlich einen Motivationstrainer kennen gelernt, der mir erklärte, dass man gerade bei schlechtem Wetter und in den Wintermonaten das positive Denken trainieren könnte und dass er das auch empfehlen würde, um das Negative aus meiner Aufmerksamkeit zu verdrängen. Aber was heißt das? Trainiere ich dann nicht die Verdrängung wie einen Muskel, indem ich ein Muster entwerfe, das den negativen Gedanken und die darunter liegende Angst überlagert? Sind es naturgemäß nicht besonders die Wintermonate, die mich oft reflektieren lassen und mir Dinge bewusst machen, die ich wohl nur im Schatten der Sonne erkennen kann? Ich fragte mich somit, wie nachhaltig es wohl für mich sein könnte, nach dieser Methode zu verfahren? Nein, schon nach kurzer Zeit wurde mir klar, dass darin für mich nicht der Schlüssel zum Glück und noch weniger zur andauernden Zufriedenheit liegt. Ich erzähle Dir jetzt meine eigene Meinung dazu und ich bin gespannt, wie Du das findest. Also: Unsere Organe versuchen lediglich, uns bei der Verarbeitung von allen Eindrücken und Einflüssen und in allen Situationen des Lebens zu helfen. Sie signalisieren uns manchmal durch Schmerzen, dass wir etwas zu verarbeiten haben und daher eine bestimmte Sache besonders betrachten dürfen. Es wird uns somit die Möglichkeit gegeben, einer Situation oder einem Erlebnis nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch mehr Achtsamkeit zu geben. Somit war die Entscheidung für mich eindeutig die, dass ich mich nicht neu „konditionieren“ möchte mit dem Ziel, ständig mit einem breiten Grinsen im Gesicht herumzulaufen – positives Denken in reinster Form – sondern dass ich das Leben anders als bisher annehmen und begrüßen will, glücklicher und zufriedener. Es macht für mich einen großen Unterschied, denn das Glücklichsein empfinde ich wie einen Barometer-Ausschlag nach oben, das Unglücklichsein als einen Ausschlag nach unten. Die Zufriedenheit ist dann die Null-Linie. Wenn ich es gelernt haben werde, immer ausgeglichen zu sein, dann wird es keine starken Ausschläge mehr nach oben und unten geben, denn die Zufriedenheit wird dann zu meinem allgemeinen Gemütszustand und das Glücksgefühl zu einem Moment. Wie findest Du das? Aber was ist das, was mich gelegentlich von dieser Null-Linie überhaupt entfernt hat? Ich erinnere mich daran, dass ich früher sehr unter starken psychischen und seelischen Schwankungen litt und auch nur sehr selektiv wahrnahm. Ich griff also irgendetwas, also „das Eine“ aus dem Leben heraus und betrachtete es ausführlich, während andere dieses etwas scheinbar nicht einmal bemerkten oder wenig beachteten. Woran liegt das, wenn ich etwas wahrnehme und mich daran störe, während es andere oft noch nicht einmal mit ihren Sinnen erfassen? Dafür gibt es sicherlich mehrere Erklärungsversuche und noch viel mehr Begründungen. Aber auf den Punkt gebracht kann ich sagen, dass die selektive Wahrnehmung sehr stark von der momentanen Lebenssituation abhängt.

      Nimm einmal an, es parken 100 schwarze Autos in einer Reihe, die bis auf ein Fahrzeug alle des gleichen Typs sind. In der Mitte steht ein Auto leicht schräg, während die anderen Fahrzeuge sauber parallel zueinander stehen. Am Ende der Reihe steht ein rotes Fahrzeug. Am Anfang der Reihe steht ein Fahrzeug eines anderen Fabrikats. Jeder Mensch ist in seiner Wahrnehmung anders, es werden bei der Betrachtung dieser Fahrzeugreihe manche sofort das rote Auto gesehen haben, während andere nicht dieses rote Auto, sondern das schräg stehende Auto als störendes Glied in der Kette erkennen. Und einige Kenner in der Versuchsgruppe werden sofort auf das Auto anderen Fabrikats zeigen. Es gibt aber auch Menschen, denen nichts davon auffällt oder von Abweichungen berichten können, denn sie erkennen die Reihe von Fahrzeugen als Ganzes oder als ganze Ordnung, wobei eben ein schräg stehendes Auto oder auch ein rotes Auto gerade die Harmonie des Lebens zeigt, die sie gewohnt sind. Für den einen erscheint eben das rote Auto beachtenswert, denn das Gehirn fragt und selektiert die Wahrnehmung nach dem Muster dieser Reihe, welches in diesem Fall durch die Farbe bzw. die Abweichung von einer Standardfarbe erscheint. Andere orientieren sich an Formen und finden das schräg stehende Auto zuerst. Ich frage Dich, wieso ich diese selektive Wahrnehmung in mir habe? Meiner Meinung nach dient sie meinem eigenen Schutz, denn würde ich alles und immer komplett erfassen wollen, würde ich wohl total durchdrehen und wäre einfach damit überfordert, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Jederzeit auf 360 Grad und mit allen Sinnen alles erfassen wollen? Nein, das wäre zu viel für mich wie für jeden Menschen, wahrscheinlich wäre das selbst für die taffsten Maschinen viel zu viel. Meine Muster dienen mir, die Welt etwas zu abstrahieren und mit den Sinnen für mich relevante Teilmengen oder Aspekte zu erfassen, die mir wichtig erscheinen. Ich bin recht früh an das gewöhnt, was mich umgibt, um der Veränderung des Gewohnten in meiner Wahrnehmung einen Raum zu geben.

      Weißt Du, ich muss gerade in diesem Zusammenhang von Mustern und einer gewissen „Gewohnheit“ an eine weise Empfehlung meiner Großmutter denken: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht!“