Bettina Reiter

Sieben Tage bis zur Hochzeit


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      „Ach so, deswegen siehst du aus wie eine Vogelscheuche auf LSD.“

      Heidis Mund klappte auf, bevor sie sich ordnend über das Haar fuhr und dann ein angewidertes Gesicht machte. „Du liebe Zeit, ich sollte tatsächlich ein Bad nehmen. Als ob ich nicht genug zu tun hätte.“

      „Was denn zum Beispiel? Eine Absage formulieren?“

      „Warte.“ Heidis Zungenspitze schob sich zwischen die blassen Lippen. Emsig tippte sie, bevor sie die Enter-Taste drückte und mit zufriedenem Grinsen hochschaute. Nein, eher mit glückseligem Lächeln.

      Elisha glitt auf den Stuhl ihr gegenüber. „Also, was wird hier gespielt?“

      „Nichts.“

      „Das sagtest du bereits und jetzt raus mit der Sprache. Du bläst jedes Date ab, meldest dich kaum noch und nun finde ich dich in diesem Zustand vor. Noch dazu an deinem Geburtstag mitsamt einer Party, die ich mir nun vorstellen darf, oder was?“

      „Entschuldige, ich habe nicht darüber nachgedacht, dass ich dich mit meinem Verhalten verletzen könnte.“ Heidi griff zur Karaffe neben dem Laptop und schenkte das mit Fingerabdrücken übersäte Glas bis zum Rand voll. Die Eiswürfel klimperten dumpf. „Magst du eine Limonade?“

      „Wenn du ein sauberes Glas hast?“

      „Seit wann so penibel?“

      „Seit wann so spitzfindig?“

      Die Karaffe landete vor Elisha. „Ach, was soll’s, du musst sowieso davon erfahren. Elisha, liebste Freundin“, Heidi machte eine bedeutungsvolle Pause, „ich habe mich verliebt.“

      „Was? Aber wo …“

      „Hier“, ließ Heidi ihr keine Zeit auszusprechen und strich andächtig über den Tisch. „Hier habe ich meinen Mr. Big getroffen.“

      „Am Gartentisch? Wurde er dir auf dem Silbertablett serviert? Ist er zufällig im Pool vorbeigeschwommen? Oder habt ihr einen neuen Gärtner?“

      „Nichts dergleichen, du Dummerchen. Da drin“, sie deutete auf den Bildschirm, „traf ich die Liebe meines Lebens. Seit sieben Tagen kennen wir uns und obwohl wir alles voneinander wissen, möchte ich weiterhin mit ihm Kontakt haben. Von ihm lesen, ihn sehen …“

      „Vor einem Date würde ich mich an deiner Stelle aber schleunigst unter die Dusche stellen.“

      „Unnötig. Das stört ihn bestimmt nicht.“

      „Ach so einer ist das. Fetisch.“

      Heidi lachte schallend. „Das muss ich erst herausfinden, aber es wäre ein weiterer Pluspunkt“, antwortete sie, als sie sich wieder im Griff hatte. „Dieser Mann ist der pure Wahnsinn.“ Heidis Augen leuchteten. „Er schreibt wie ein Poet. Jedes einzelne Wort trifft mitten in mein Herz. Und wenn ich mit ihm über Mädelsdinge quatsche, hat er ein Verständnis wie es nur Schwule für uns Frauen haben. Dabei ist er ein angesehener Anwalt und besitzt einige Firmen.“

      „Ich kenne keinen in Yellowknife, auf den diese Beschreibung zutrifft. Kommt er aus der Umgebung?“ Amors Pfeil schien sie wirklich getroffen zu haben.

      „Mein Mr. Big stammt aus Irland.“

      „Irland?“ Zugegeben, das Land hatte etwas. Männlichkeit. Stärke, Unerschütterlichkeit. Ein ehernes Volk, mit patriotischem Stolz. Das wusste sie aus irgendeinem Liebesfilm. „Seit wann ist er in Kanada?“

      Heidi schaute sie an, als zweifle sie an ihrem Verstand. „Ich sagte doch, er ist aus Irland.“

      Langsam, nur ganz langsam, fiel auch bei Elisha der Penny. „Du hast ihn … er ist … Internet?“

      „Endlich hast du’s verstanden. Wir lernten uns über eine Singlebörse kennen und sind seit heute verlobt.“

      „Verlobt?“, entfuhr es Elisha. „Aber du kennst den Typen gar nicht. Wie oft hört man von Verrückten, die sich auf diese Weise Frauen angeln, um sie danach kaltblütig umzubringen.“

      „Du liest zu viele schlechte Romane.“

      „Ich rede von den Nachrichten.“

      „Glaub mir, ich weiß was ich tue.“

      „Sei mir nicht böse, wenn ich meine Zweifel habe. Was ist das überhaupt für eine Singlebörse?“

      „Sie nennt sich: Sieben Tage bis zur Hochzeit.“

      „Das klingt, als wäre der Name Programm“, entsetzte sich Elisha.

      „So ist es. Ich höre die Hochzeitsglocken bereits.“

      „Du tickst doch nicht mehr richtig und musst endlich deinen absurden Plan verwerfen, mit dreißig verheiratet sein zu wollen.“

      „Das habe ich getan, sei beruhigt. Zeitlich werde ich es nämlich nicht schaffen. Aber eine Woche auf oder ab, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.“

      Elisha schnappte nach Luft. „Du erwägst nicht im Ernst zu heiraten?“

      „Und ob! Wir beiden Hübschen fliegen um Mitternacht nach Irland. Mein Mr. Big erwartet uns morgen. Kommt ein bisschen kurzfristig, ich weiß. Eine Stunde vor Abflug hätte ich dich aber ohnehin angerufen.“

      „Eine Stunde vorher, wie gnädig.“ Elisha tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. „Glaubst du im Ernst, dass ich dabei zusehe wie du blindlings in dein Unglück rennst? Nein danke, ich bleibe hier.“

      „Eine schöne Freundin bist du! Heuchelst mir Sorgen vor und lässt mich alleine nach Irland fliegen.“

      „Was sagt eigentlich dein Dad dazu?“

      „Er weiß nur, dass ich in den Urlaub fliege.“ Heidis Selbstsicherheit war plötzlich wie weggeblasen. „Dad erfährt es früh genug.“

      „Hat dein Auserwählter eine Ahnung, wie stinkreich du bist?“

      „Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Reich und reich gesellt sich eben gern. Natürlich kennt er auch meine Körpermaße: 90-60-90. Mit einem guten Fotoprogramm hat mein Bild einige Pfündchen verloren. Weißt du, Ehrlichkeit ist das wichtigste Fundament einer Beziehung.“

      „Ich schätze, er hat nicht weniger geschwindelt als du. Was, wenn er recherchiert hat? Dieser Kerl könnte genauso gut hier in Kanada sein. Schon mal etwas von Hochstaplern gehört?“

      Mit finsterer Miene drehte Heidi den Laptop zu ihr. „Lies, und urteile selbst.“

      Elisha blickte auf den Bildschirm.

       Liebste Heidi, was hast du nur mit mir gemacht? Ich kann an nichts anderes mehr denken als an dich. Trotz der vielen Arbeit, die ich bewältigen muss. Mit vierundzwanzig Stunden ist der Tag einfach zu kurz, aber viel zu lang, um nicht ständig an dich denken zu müssen. Mir nicht vorzustellen, wie es sein wird, wenn wir nebeneinander verschwitzt und nackt im Bett liegen. Du hast mich verzaubert, mit deinen 90-60-90. Ich kann es kaum fassen, dass ich dich gefunden habe. Meilenweit von Irland entfernt und doch nahe genug, um dich zu erreichen. Es musste vermutlich so sein. Vielleicht, weil ich an die große Liebe glaube, immer geglaubt habe und mir nichts Schöneres vorstellen kann als zu heiraten. Kinder zu haben. Ein Mann wie ich, gesegnet mit einer Engelsgeduld, was könnte das Leben mehr bereichern und eine Liebe wie die unsere krönen? Wir Iren glauben an Elfen, ich persönlich daran, eine in dir gefunden zu haben, du kanadische Blume mit der Unschuld frischer Tautropfen. Bis bald, Liebste, leider ruft die Arbeit und ich bin ein Mann, der seine Pflicht und Verantwortung äußerst ernst nimmt. Ohne mich würde das Unternehmen nicht mehr existieren. Tausende säßen auf der Straße. Väter, Mütter und Kinder. Dein Mr. Big.

      Elisha öffnete den Mund und fuhr mit dem Zeigefinger halb hinein. „Was für eine gequirlte Scheiße“, nuschelte sie. „Einiges hat er sicher aus irgendeinem Schundroman - Blume mit der Unschuld frischer Tautropfen. Bäh!“

      „Du bist nur neidisch.“