Bettina Reiter

Sieben Tage bis zur Hochzeit


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dich eingelegt. Vater wird dich befördern.“

      „Wie oft hast du das schon gesagt? Aber wo bin ich? Nach wie vor im Vorzimmer.“

      „Als Assistentin des Abteilungsleiters. Immerhin etwas.“

      „Für mich zu wenig. Ich trete auf der Stelle. Außerdem will ich aufgrund meiner Leistung befördert werden, nicht weil du mich protegierst.“ Nach dem Schulabschluss hatten sie beide eine Stelle in der Burg Corporation angetreten. Heidis Vater Heinrich betrieb einen regen Abbau verschiedener Rohstoffe, besaß eine lukrative Goldmine sowie Erdölfelder und gehörte mit dreitausend Beschäftigten zu den größten Firmen im Umkreis.

      „Du bist ein Marketing-Genie, das weiß Dad. Leider gehört er zu einer Generation, die Männern mehr zutraut als uns Frauen. Früher oder später wird er aber einsehen, dass sein Denken nicht zeitgemäß ist. Also hör auf zu jammern und warte ab. Immerhin sitze ich seit meinem Einstieg auch noch im selben Stuhl.“

      „Weil du deinen Stuhl ins neue Büro hinübergeschoben hast. Du bist Chefbuchhalterin!“

      Heidi wirkte zerknirscht. „Wenigstens einen Vorteil sollte man als einziges Kind schon haben, findest du nicht? Aber wirf die Flinte nicht ins Korn. Eines Tages wird mir Vater die Zügel in die Hand geben. Spätestens dann bist du die längste Zeit Assistentin gewesen.“

      „Hörst du mir eigentlich zu? Ich möchte keine Almosen“, regte sich Elisha auf.

      „Meine Güte, hast du eine Laune.“ In der nächsten Sekunde gab Heidi einen entzückten Ausruf von sich, weil Reisha den dampfenden Teller vor ihrer Nase abstellte. Pommes, Cheddar und Bratensauce wohin das Auge reichte. „Ich liebe Poutine, vor allem wenn der Käse zwischen den Zähnen quietscht“, hauchte sie, bevor sie abrupt den Kopf hob. „Der Käse quietscht doch, Reisha, oder?“

      „Er ist keinen Tag älter als vierundzwanzig Stunden“, bestätigte Reisha, zwinkerte ihnen zu und nahm an den anderen Tischen Bestellungen auf, sowie die leere Flasche Tequila mit. Die abgefüllten Eltern lächelten sich über das Massaker auf dem Tisch hinweg an, flirteten mit ihren glasigen Augen und wiegten sich hin und her, als wäre das anhaltende Gezanke der Kinder Musik in ihren Ohren. An den anderen Tischen verteilten sich Wanderer, eine Gruppe Senioren und Tänzer aus dem örtlichen Tanzstudio. Durchtrainierte Menschen mit athletischen Körpern.

      Elisha konzentrierte sich wieder auf Heidi, die mit halbgeschlossenen Augen quietschte. Erfahrungsgemäß würde sie die nächsten zehn Minuten in diesem komatösen Zustand bleiben. Genervt griff sie zum Weinglas und nippte daran. Einer der drei Männer an der Bar fing ihren Blick auf und lächelte. Ein weißblonder Hüne mit Koteletten, einem Vollbart und einer Gestalt wie ein Schrank. Der Typ erinnerte sie stark an Stew, weil sein Blick ständig zum Spiegel neben dem Notausgang glitt. Flugs hatte Elisha das Glas geleert und hob es in Richtung Reisha hoch, die ihr zunickte.

      Wie schnell die letzten siebzehn Jahre vergangen waren. Während ihrer Schulzeit hatten Heidi und sie ständig zusammengesteckt und waren im wahrsten Sinne des Wortes dicke Freundinnen geworden. Der erste Kuss, der erste Sex, alles hatten sie geteilt und keine Geheimnisse voreinander gehabt. Die jeweilige Periode und den Brustwuchs hatten sie gebührend mit Zigaretten und Whiskey gefeiert. Meistens im Haus von Heidis Vater, der sich in den Weiten der Villa kaum blicken ließ und wo ihr Erbrochenes nicht weiter aufgefallen war.

      Schöne Abende, vollgepackt mit Quatschen, dem gemeinsamen Weinen bei romantischen Filmen und dem Ausmalen einer schillernden Zukunft. Oft hatten sie sich vorgestellt, Kanada zu verlassen und die übrige Welt zu erobern. Doch im Gegensatz zu Heidi stammte sie aus der Mittelschicht und war schließlich dank Stew Decker in der untersten gelandet.

      „Habe ich dir eigentlich schon erzählt“, erwachte Heidi mit vollem Mund zum Leben, „dass ich gerade eine Diät mache?“

      „Aha.“ Seit Jahren kämpfte Heidi gegen die Pfunde an, doch die Lust am Essen war stärker. Manchmal haderte sie mit ihrem inneren Schweinehund, manchmal killte sie ihn. Vielleicht hätte sie mehr Ehrgeiz an den Tag gelegt, wäre sie bei der Männerwelt abgeblitzt. Heidi hatte jedoch einen enormen Verschleiß an One-Night-Stands oder Affären, je nachdem. Aber kein Mann hatte bisher sieben Dates überdauert, was sie damit erklärte, dass dieser Zeitraum genügen würde um herauszufinden, ob der jeweilige Lover zum Ehemann tauge.

      „Vierzehn Tage Urlaub“, ließ sich Heidi die Worte auf dem Mund förmlich zergehen, bevor sie schluckte. „Das sind zweimal sieben.“

      „Wow, dein Vater hat dich wirklich auf den richtigen Posten gesetzt“, mokierte sich Elisha lächelnd. „Du und deine Sieben.“

      „Ist eben meine Glückszahl. So hat es auch bei uns begonnen, erinnerst du dich?“

      „Natürlich.“

      Reisha brachte das Glas Wein. „Der ist schon bezahlt“, flüsterte sie und deutete mit dem Kopf zum Blondschopf, der von einem Ohr zum anderen grinste.

      „Sag ihm, dass er nicht mein Typ ist.“ Elisha schaute genervt zu Reisha hoch.

      „Hach, Kleine“, raunte die Kellnerin, „pack die Gelegenheiten des Lebens beim Schopf statt sie mit Füßen zu treten. Bald bist du alt, runzlig, verbraucht und siehst abgerissen aus wie …“, sie dachte kurz nach, „mir fällt jetzt niemand spezielles ein … aber wenn du erst einmal älter bist, dann beachtet dich kein Typ mehr.“

      Elisha winkte ab. „Von Männern habe ich die Schnauze voll. Sag ihm also bitte, dass ich absolut nicht interessiert bin.“

      Reisha richtete sich auf. „Rugby wird enttäuscht sein.“ Wenige Sekunden später froren seine Züge ein, bevor er Elisha den Rücken zudrehte.

      Heidi tauchte eine Pommes in die Sauce. „Das alte Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut, die sieben Farben Newtons, die sieben Hauptchakren, sieben Wochentage, auf Wolke Sieben - du hast es selbst erlebt. Diese Zahl hat etwas Magisches und steht für Veränderung.“

      Es dauerte, bis Elisha Heidis Aussage wieder einordnen konnte. „Du weißt, dass ich nicht an diesen Esoterik-Scheiß glaube.“

      „Das wirst du. Eines Tages“, orakelte Heidi und schaute auf das Pommes, als halte sie einen teuren Rosenstrauß in den Händen. „Irgendwann … ach du liebe Zeit …“ Sie starrte an Elisha vorbei, die sich umdrehte. Freddy und sein Busenfreund Brandon betraten das Cafe. Beide inzwischen verheiratet und Väter. Während es viele ehemalige Mitschüler nach Europa gezogen hatte, blieben ausgerechnet sie der Heimat treu.

      „Die kommen geradewegs auf unseren Tisch zu“, wisperte Heidi.

      „Na, du Hübsche.“ Freddy baute sich breitbeinig vor Elisha auf. Brandon zupfte sich die Haartolle zurecht. Es gab Dinge, die würden sich nie ändern. „Feierst du deine Scheidung?“

      „Wie du siehst, Freddy. Und du? Hat dich deine Frau endlich hinausgeschmissen?“

      Sein Gesicht verfinsterte sich. „Dora und ich führen eine Ehe, von der du nur träumen kannst - und du erst recht, Walfisch.“ Er lachte dreckig auf Heidi herab.

      „Das mache ich laufend“, konterte Elishas Freundin, „vor allem wenn ich Dünnpfiff habe. Sonst noch was?“

      „Du bist fetter geworden.“

      „Spar dir das Gesülze für Dora auf.“

      „Komm schon, seit wann so biestig? Es gab Zeiten, da sind dir regelrecht die Augen herausgefallen wenn du mich gesehen hast.“ Selbstgefällig fuhr er sich ans schmale Kinn. An den Schläfen ergraute er bereits, tiefe Falten hatten sich in die schweißnasse Stirn gegraben. „Du warst total verknallt in mich, wie jedes Mädchen in der Schule.“ Er zwinkerte Elisha zu.

      Die Gespräche verstummten allmählich.

      „Was sich schlagartig geändert hat, als ich Spiegeleier aus denen gemacht habe.“ Heidi deutete grinsend auf seinen Hosenstall. „Tut es noch weh?“

      „Ich habe drei Kinder gezeugt, was soll die dämliche Frage?“, verteidigte Freddy seine Männlichkeit.