Bettina Reiter

Sieben Tage bis zur Hochzeit


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      Verdutzt zog er die Hand zurück und raufte sich das Haar. „Nie“, stellte er beinahe tonlos fest. In diesem Moment schien Stew ehrlicher zu sein als er es ihre gesamte Ehe über gewesen war. „Sorry, Baby, ich bin tatsächlich ein Mistkerl gewesen. Dennoch bitte ich dich um eine zweite Chance.“

      „Ist deine Geliebte arbeitslos?“

      „Darum geht es nicht, obwohl ich dein Misstrauen verstehe.“

      „Eine späte Einsicht.“

      „Zu spät?“

      „Ist das eine rhetorische Frage?“ Elisha stieg ein. „Das war’s, Stew. Lass mich einfach in Ruhe.“ Sie ließ den Wagen an. Der Kies knirschte unter ihrem roten Toyota, als sie Gas gab. Stew lief hinter ihr her, bis er irgendwann stehenblieb und im Rückspiegel immer kleiner wurde. Ohne Ziel lenkte sie den Wagen durch die Stadt. Jegliches Zeitgefühl kam ihr abhanden, bis sie sich irgendwann am Ufer des Long Lake befand. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Nur Einsamkeit um sie herum, Wind und Kälte. Trotz Sommer, der Nachmittag brachte kaum mehr als 21 Grad zustande.

      Mit Tränen in den Augen sank sie in das weiche Gras und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Dann zog sie die Beine an, umspannte die Knie mit den Armen und beweinte ihr Leben. Ihre Ehe. Stew, das Scheitern. Ihr Versagen, den Falschen gewählt zu haben im Glauben, er wäre ihre große Liebe. Doch wie unzählige Male zuvor, hatte sie direkt in die Jauche gegriffen und einen weiteren Freddy herausgezogen. Ihm waren einige Jungs derselben Sorte gefolgt, mit denen sie erste Küsse austauschte. Michael Longlay hatte sie schließlich zur Frau gemacht. Rugby-Spieler und Mädchenschwarm. Weshalb fiel sie ständig auf solche Typen herein?

      Verschwommen lag der Lake vor ihr. Eigentlich war Yellowknife mit seinen knapp neunzehntausenddreihundert Einwohnern nicht zu klein, um stets die stumpfesten Nadeln im Heuhaufen zu finden. Zumal man Yellowknife auch als ´Stadt der Polarlichterˋ bezeichnete. Ein Naturschauspiel, das jährlich viele Touristen anlockte. Aber selbst unter denen hatte sich bisher jeder Mann als Fehlgriff herausgestellt. Nach Michael war Hansi gekommen - im wahrsten Sinne des Wortes. Ein österreichischer Skilehrer, der jedoch mehrere Pisten gleichzeitig befahren hatte. Giovanni mit seinen glutvollen Augen hatte ebenfalls zu viel ´Amoreˋ im Blut gehabt und sogar in ihrem Beisein mit einer anderen Frau geknutscht. Vasili war ihr dann über den Weg gelaufen, als sie weinend das Lokal verlassen hatte. Sie waren im Bett gelandet, aber leider kam es nicht zum Höhepunkt. Dabei hatte sie ihn ständig darauf hingewiesen, dass er zu schnell oder zu langsam sei, was sie mochte und was weniger und sie hatte von einer gemeinsamen Zukunft inklusive Kindern gesprochen. Hochzeit, miteinander alt werden, Enkelkinder. Eigentlich Themen, womit man jedem Mann zeigte, dass man ihn und diese frische neue Beziehung ernst nahm. Aber wie auch immer, Vasili war am nächsten Tag spurlos verschwunden.

      Elisha straffte die Schultern. Zum Teufel mit den Männern! Ab jetzt würde sie eher ins Kloster gehen, als sich noch einmal auf einen Typen einzulassen.

      „Da bist du ja endlich, Puschel.“ Ihr Vater erhob sich vom Sofa, als Elisha drei Stunden später den Wohnraum betrat. Mit schlurfenden Schritten kam er ihr entgegen. Er trug seinen senffarbenen Lieblingspullover, die braunen Hosenträger und eine ausgeleierte Jeans, über deren Bund sein Bauch hing. Wieder einmal stellte Elisha fest, wie sehr er im Gesicht dem Schauspieler Danny de Vito glich. Nur der graue Schnauzer störte den Vergleich.

      „Dad, ich bin keine fünfzehn mehr. Du musst nicht auf mich warten.“ Sein vertrauter Geruch nach Zigaretten war einem strengen Duft gewichen. Seitdem er das Rauchen aufgegeben hatte, sprühte er sich ständig damit ein. Elisha hatte ihn zwar schon ein paar Mal darauf hingewiesen, dass es sich bei seinem Parfüm um einen Toiletten-Spray handelte, aber da die Flasche günstig und ziemlich ergiebig war, blieb er bei dieser Marke.

      „Doch, ich musste.“ Er grinste, bevor er sich auf Zehenspitzen stellte und ihr einen feuchten Kuss auf die Wange drückte. Dann wedelte er mit einem Brief vor ihrem Gesicht herum. „Du hast Post bekommen.“

      „Von wem?“ Elisha schlüpfte aus ihren beigen Ballerinas und schob sie mit dem Fuß unter die Kommode. Staubflocken wirbelten federartig heraus.

      „Von deinem Verlag. Sieht offiziell aus. Vermutlich die erste Abrechnung.“

      Vor einem halben Jahr hatte sie unter dem Pseudonym John Doe einen Liebesroman veröffentlicht: ´Der Geliebte ohne Gesichtˋ. Mit den Absagen zuvor hätte sie das ganze Haus tapezieren können, doch schließlich hatte sich ein Verlag erbarmt. Der Chef hatte sich zuversichtlich gezeigt, dass sich das Buch gut verkaufen würde.

      „Mal sehen, wieviel es ist“, sagte Elisha mit mehr Hoffnung in sich, als sie nach außen hin zeigen wollte. Ob im Brief die Antwort auf all ihre Probleme stand? Wie oft hörte man von Autoren, die praktisch über Nacht reich wurden. Lizenzen ins Ausland verkauften und auf großem Fuß leben konnten. Ihr Buch war gut, sehr gut sogar. Warum sollte es bei ihr anders sein? Fieberhaft überlegte sie, was sie mit so viel Geld tun könnte und starrte dann auf die Zahl unter dem Strich.

      „Was ist, Puschel?“, stieß ihr Dad atemlos aus. „So viel?“

      „In der Tat“, stotterte sie und ließ sich auf die Couch fallen.

      „Du liebe Zeit, wie hoch ist die Summe?“

      „Ein Dollar sechzig.“

      Kurzes Schweigen.

      „Hauptsache, du hast etwas verdient.“ Ihr Vater trat neben sie und legte ihr unbeholfen die Hand auf die Schulter. „Ich bin stolz auf dich, Puschelchen.“

      Verstimmt schaute sie zu ihm hoch. „Dad, das ist nicht komisch.“

      Ächzend setzte er sich neben Elisha, legte seinen Arm um sie und drückte sie an sich. „Es ist mein voller Ernst. Ich bin unheimlich stolz auf dich.“

      „Worauf? Dass ich fünf fertige Manuskripte im Schreibtisch liegen habe, die keiner will?“

      „Immerhin hast du ein Buch veröffentlicht.“

      „Eins, das im letzten Halbjahr zwei Menschen gelesen haben. Womöglich Freddy und Brandon, um es eines Tages gegen mich zu verwenden. Oder um eine vernichtende Rezension zu schreiben.“ Zornig legte sie den Brief auf den Wohnzimmertisch, in dessen Mitte ein kitschiger Kerzenständer aus Porzellan stand. „Was habe ich mir nur dabei gedacht, einen Liebesroman zu schreiben? Ausgerechnet ich?“

      „Du hast es wenigstens probiert. Ich bewundere dich dafür, dass du nie aufgegeben hast, obwohl du einige Absagen bekommen hast.“

      „Einige?“, würdigte sie sich selbst herab. „Ach, Dad, mein Leben ist ein einziger Scherbenhaufen.“

      „Na, na, na, wer wird denn gleich weinen.“ Sein von dicken Schwielen gezeichneter Zeigefinger schob sich unter ihr Kinn, und hob es sanft an. Wie oft hatte er sie getröstet. War neben ihr hergelaufen, um ihr das Radfahren beizubringen. Hatte sie am ersten Schultag fotografiert, und zu Mittag vergessen abzuholen. Besonders die Campingausflüge würden ihr stets in Erinnerung bleiben. Nur ihr Bruder Tylor, ihr Dad und sie in der Wildnis Kanadas. Die Mutter war zuhause geblieben, da sie solche Unternehmungen nicht ausstehen konnte. „Ich bin keineswegs stolz darauf, dass ich es im Leben nicht weit gebracht habe. Wie gern hätte ich euch viel mehr ermöglicht, Elisha.“

      „Du bist der beste Dad der Welt. Das kann man mit keinem Geld bezahlen.“

      Er lächelte zaghaft. „Und du das Beste, das mir im Leben passiert ist. Abgesehen von deinem Bruder.“

      „Der glücklich verheiratet in Calgary lebt und mit zwei Kindern gesegnet ist.“ Elisha legte den Kopf an seine Schulter. Liebevoll strich er über ihren Rücken.

      „Tylor hat eben schneller nach dem Glück gegriffen als du. Dein Tag kommt auch irgendwann. Deine Mutter betet jeden Tag dafür, und du kennst Rose. Irgendwann geht sie dem Herrn so auf die Nerven, dass er sie loswerden will. Glaub mir, ich weiß wovon ich rede.“ Er grinste entschuldigend. Ihre Mom war keine einfache Frau und führte ein strenges Regiment. Das ging jedoch nur, weil ihr Dad nachgiebig war und versuchte, ihr jeden Wunsch von den Augen zu